Das Formel-1-Rennen in der Türkei sieht auf den ersten Blick wie ein glasklarer Ferrari-Triumph im Kampf um Konstrukteurs-Platz 3 aus. 16 Zähler konnte die Scuderia einstrechen, während McLaren mit sechs Pünktchen vorliebnehmen musste, und das, obwohl Carlos Sainz in Istanbul nach einer Motorstrafe aus der letzten Reihe ins Rennen ging.

Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Denn obwohl Leclerc und Sainz gute Punkte sammeln konnten, wären noch deutlich mehr Zähler möglich gewesen. Außerdem ließ man sich die Chance auf das vierte Podium des Jahres leichtfertig durch die Finger gleiten, weil man strategisch auf das falsche Pferd setzte.

Ferrari pokert auf Sieg: Stopp zu spät

Das Schlamassel für Ferrari ging los, als Max Verstappen in der 36. Runde den Boxenstopp-Reigen eröffnete. Nur einen Umlauf später zog Valtteri Bottas nach. Die ersten Rundenzeiten des vorherigen Führungsduos waren nicht schneller als noch mit alten Reifen.

Charles Leclerc hatte in der Zwischenzeit die Führung übernommen und Ferrari witterte seine Chance. "Am Funk wurden mir die Rundenzeiten von Valtteri auf dem neuen Satz mitgeteilt und er war anfangs nicht schnell. Also dachten wir, wir könnten draußen bleiben", erzählte Leclerc gegenüber Sky.

Ein Trugschluss. Denn nach einigen schlechten Runden kamen die Intermediates erst langsam in das richtige Reifenfenster und performten bis zu zwei Sekunden besser. Gleichzeitig hatte Leclerc mit den alten Pneus zu kämpfen und verbremste sich zweimal schwer.

Nachdem Bottas gegen den wehrlosen Monegassen die Führung übernommen hatte, korrigierte Ferrari seinen Fehler und holte Leclerc an die Box um sich einen neuen Satz der grün-markierten Gummis abzuholen.

Hier verliert Charles Leclerc Platz 3 gegen Sergio Perez., Foto: LAT Images
Hier verliert Charles Leclerc Platz 3 gegen Sergio Perez., Foto: LAT Images

Es war aber schon zu spät. Während Leclerc mit den frischen Reifen noch nicht pushen konnte, hatte Perez seine Pirellis bereits ins Arbeitsfenster gebracht und zog in der 51. Runde vorbei. Leclerc konnte zwar Hamilton hinter sich halten, doch das vermeintlich sichere Top-3-Resultat war verloren.

"Auf den letzten sieben Runden war ich praktisch in dieser Graining-Phase, kamen aber nie darüber hinaus", analysierte der zweifache GP-Sieger. "Zurückblickend betrachtet hätten wir früher stoppen müssen, aber im Auto war ich zuversichtlich, dass es die richtige Entscheidung war", verteidigte Leclerc die strategische Marschroute.

Sainz-Aufholjagd von Boxenstopp gebremst

Auf der anderen Seite der Garage ging Carlos Sainz aus einer vollkommen anderen Ausgangslage ins Rennen. Ferrari hatte bei ihm eine Motoren-Strafe gezogen und die gesamt Power Unit getauscht. Damit startete er aus der letzten Reihe. Das hielt ihn aber nicht davon ab, noch vier Punkte einzustreichen.

Sainz pflügte von Anfang an durchs Feld und zog an einem nach dem anderen Fahrer vorbei. "Das war einer der spaßigsten Stints, die ich in meiner Karriere als Rennfahrer erlebt habe", freute sich der Spanier im Ziel. Trotz einiger später Bremsmanöver wurde es nur einmal richtig brenzlig. Beim Move gegen Sebastian Vettel rutschte er ein bisschen weit und touchierte den Aston Martin am Vorderrad.

Der Zwischenfall blieb ohne Folgen. Nach 17 Runden lag Sainz bereits auf der 9. Position. Dort stockte sein Fortschritt dann ein bisschen. Denn im Rennverlauf wurde eine Linie trocken gefahren, während der Rest der Strecke feuchter blieb. Das machte Überholmanöver schwieriger. Am Ende des Tages landete er nach einem weiteren Manöver gegen Ocon auf Rang 8.

Ein Fehler seine Boxencrew kostete aber wertvolle Zeit, die ihm dann am Ende fehlte, als er zu Lando Norris aufgeschlossen hatte. "Auf den letzten zehn Runden war ich einer der schnellsten Fahrer auf der Strecke. Da wundert man sich natürlich, was hätte sein können. Aber heute ist nicht der Tag um alles negativ zu sehen", resümierte Sainz.