Es war klar, dass Lewis Hamilton mit dem angestammten Motorkontingent in der Formel-1-Saison 2021 nicht auskommen würde. Seit Freitagmorgen ist auch klar, dass der Weltmeister die Motorenstrafe in der Türkei absitzen wird. Und: Dass Hamilton nicht ans Ende der Startaufstellung muss, sondern 'nur' zehn Plätze nach hinten.

Das Reglement erlaubt pro Fahrer je drei Exemplare von Verbrennungsmotor, Turbolader, MGU-H, MGU-K und Kontrolleinheiten, zwei Batterien und insgesamt acht Auspuffsysteme. Für jede Komponente, die zusätzlich eingesetzt wird, gibt es Strafen.

Das Strafen-System ist aber kompliziert. Beim ersten Überschreiten des Kontingents einer einzelnen Komponente gibt es zehn Plätze Strafe. Für jede weitere neue Komponente des gleichen Typs gibt es nur noch fünf Plätze.

Konkret sieht das so aus: Wird die komplette Power Unit einmal unplanmäßig erneuert, gibt es je zehn Strafplätze für Verbrennungsmotor, Turbolader, MGU-H, MGU-K, Kontrolleinheiten, Batterie und Auspuff. Macht in der Summe 70 Plätze Strafe. Weil FIA und Formel 1 derartige Strafen in der Vergangenheit absurd fanden, gibt es seit einigen Jahren die Regelung, dass es bei Strafen von mehr als 15 Startplätzen nur noch heißt: ab ans Ende des Feldes.

Mercedes: Darum nur neuer Verbrennungsmotor

Wer also zwei Komponenten außerplanmäßig tauscht, muss ans Ende des Feldes. Deshalb tauschen die meisten Teams gleich die gesamte Power Unit. Mercedes aber nicht. Die Ingenieure entschieden sich dazu, bei Hamilton nur einen neuen Verbrennungsmotor in den Pool zu bringen.

"Der Verbrennungsmotor lässt auch nach", erklärt Mercedes' Strecken-Chefingenieur Andrew Shovlin. "Je länger man einen Verbrennungsmotor fährt, desto weniger Leistung hat er." Frischer Motor, mehr PS, so die einfache Rechnung. Das ist aber nur die halbe Wahrheit. "Das höchste Risiko bei der Zuverlässigkeit gibt es beim Verbrennungsmotor", verrät Shovlin.

Für Hamilton wird im Rennen Verkehr von Teams wie McLaren kritisch, Foto: LAT Images
Für Hamilton wird im Rennen Verkehr von Teams wie McLaren kritisch, Foto: LAT Images

Die Zuverlässigkeitsprobleme, die Mercedes über die Formel-1-Saison 2021 hinweg zu beklagen hat, treten allesamt am Herzstück der Power Unit auf. Bei den restlichen Komponenten erachtet man einen außerplanmäßigen Wechsel daher nicht als notwendig und nimmt nur zehn Plätze Strafe, statt Hamilton ans Ende des Feldes zu schicken.

Aufmerksame Formel-1-Fans werfen nun vielleicht ein, dass bei Valtteri Bottas in Russland drei PU-Komponenten gewechselt wurden, der Finne aber auch nicht ans Ende des Feldes musste. Bottas bekam vor zwei Wochen einen neuen Motor samt Turbolader und MGU-H.

Für Bottas war es aber nicht der erste Wechsel außerhalb des eigentlichen Kontingents. Wenn das Kontingent einmal überschritten wird, kostet jede weitere Komponente nur noch fünf Startplätze. Deshalb bekam Bottas in Sotschi 15 Startplätze aufgebrummt, statt ans Ende des Feldes zu müssen.

Türkei bester Ort für Hamiltons Motorenstrafe?

Warum aber die Strafe in Istanbul? "Das ist eine schwierige Entscheidung", gesteht Shovlin. Viele hatten Mexiko als möglichen Ort des Wechsels in den Raum geworfen, weil Red Bull und Honda dort in der Vergangenheit extrem stark waren. "Aber wenn man selbst nicht konkurrenzfähig ist, ist es schwer, wieder aufzuholen", wirft Shovlin ein. "Hier dachten wir schon, dass unser Auto gut ist und wir attackieren können."

Wirklich wissenschaftlich kann man an den perfekten Ort der Strafe nicht herangehen, meint der Ingenieur: "In Sotschi war es sehr schwer, durch den Verkehr zu kommen, weil wir Untersteuern im letzten Sektor hatten. In Monza hat Valtteri einen großartigen Job gemacht. Es ist schwer zu simulieren, wie nah man jemandem folgen kann, ob man jemandem im Getriebe hängen kann, ohne die Reifen zu killen und zu viel Abtrieb zu verlieren. Das ist schwer vorherzusagen."

Formel 1: Hamilton bestraft! Aber warum nur +10 Plätze?: (12:44 Min.)