Max Verstappen beendete 2020 das 2. Freie Training in der Türkei auf dem ersten Platz - mit einer 1:28.330. Lewis Hamiltons Bestzeit 2021? Eine 1:23.804. Gute fünf Sekunden war die Formel 1 am Freitag in Istanbul schneller. Ein geradezu gigantischer Zuwachs.

Im Vorjahr war der zu neue Asphalt noch schmierig gewesen. Vor dem 2021-Comeback wurde aber eine Hochdruckreinigung vorgenommen. Konsequenz: Der Asphalt ist plötzlich in Top-Zustand. "Jetzt ist das ordentlicher Grip und ich glaube, eine der griffigsten Strecken im Kalender", meint ein überraschter Valtteri Bottas.

Den anderen Fahrern und Teams ging es ähnlich. Man hatte zwar mit besserem Grip gerechnet, aber nicht mit einem derartigen Anstieg. "Der Grip-Zuwachs ist Wahnsinn, und hat richtig Spaß gemacht", meint McLaren-Pilot Daniel Ricciardo. Teamkollege Lando Norris ergänzt: "Es fühlt sich wie eine komplett andere Strecke an. Es ist cool, und eine gute Challenge."

Für die Fahrer ist das alles ein Grund zur Freude. Kurven wie der berühmte "Turn 8" mit seinen fünf Scheitelpunkten kann so jetzt mit Vollgas durchfahren werden. Darauf hatten sich viele im Vorjahr schon gefreut, nur um dann enttäuscht zu werden. Da treten Querbelastungen weit jenseits der 4 g auf. "Es ist irre, wie viel Grip da draußen ist", erklärt Lewis Hamilton. Und Fernando Alonso, der seit 2011 hier nicht mehr fuhr: "Ich bin happy, dass ich letztes Jahr nicht hier war."

Pirelli vom Grip-Zuwachs in Istanbul kalt erwischt

So toll die Strecke nun wieder zu fahren ist - plötzlich beschweren sich Teams über ein Zuviel an Grip. "Wir waren darauf vorbereitet, viel Grip zu haben, aber so viel ist noch immer eine kleine Überraschung", gesteht etwa Ricciardo. Auch Red Bull machte den Asphalt teilweise für den schwachen Freitag verantwortlich.

Das Problem: Es war von den meisten mit einem weniger drastischen Zuwachs kalkuliert worden. Die Balance mancher Teams war nicht im erwarteten Fenster, der Reifenverschleiß hoch. Und der könnte im Laufe des Wochenendes weiter zum Problem werden, denn auch Pirelli wurde vom Grip-Zuwachs kalt erwischt.

Die Strecke in der Türkei bleibt eine Herausforderung, Foto: LAT Images
Die Strecke in der Türkei bleibt eine Herausforderung, Foto: LAT Images

"Als wir die Reifenmischungen für das Rennen ausgewählt haben, wussten wir nichts von dieser zusätzlichen Behandlung", erklärt Sportchef Mario Isola. Daher wechselte Pirelli von der härtesten C1-C2-C3-Auswahl auf die mittelharte C2-C3-C4-Selektion. Erst spät entschied sich der Veranstalter, die Strecke komplett durchzuspülen. "Als sie sich entschlossen, diese Behandlung zu machen, wurden wir informiert, aber es war zu spät, die Reifen waren schon hergestellt und fertig für das Rennen."

Der Soft dürfte daher, zumindest in Isolas Augen, als Rennreifen zu vergessen sein. Zwar hat sich die Rauheit des Asphalts durch die Behandlung nicht verändert, aber die reine Haftung hat sich deutlich verbessert.

Ganz verlässlich ist der Zuwachs außerdem nicht. "Manchmal hast du an der Kurveneinfahrt weniger Grip als am Ausgang, da ist es für dich als Fahrer schwierig, dich anzupassen", erklärt Red-Bull-Pilot Sergio Perez. So schön der Grip-Zuwachs sein mag - bei Balance und Setup bleibt Istanbul 2021 weiter eine Herausforderung.