Die Formel 1 hat im Bestreben, die Kosten niedrig zu halten, in den letzten zwei Jahrzehnten fast sämtliche Testfahrten eliminiert. Das bringt ein großes Problem mit sich. Teams sind nicht mehr in der Lage, Fahrern aus ihrem Nachwuchs-Kader Test-Zeit zu geben, sie so zu evaluieren oder auf einen F1-Sitz vorzubereiten.

Das Fahrerfeld ist so statischer denn je. Um endlich Bewegung hineinzubringen und Teams und Nachwuchs Chancen zu eröffnen, wird jetzt ab 2022 mit Einsatz-Zwang geplant. Am Freitag im Training sollen alle Teams eines der beiden Cockpits an einen Rookie abgeben müssen. Das freut sowohl die Piloten der Nachwuchs-Serien als auch die Teams. Selbst jene, die kein Junior-Programm haben.

Formel-1-Teams verstehen Problem mit Nachwuchs

Denn abseits von Rennwochenenden gibt es auch 2022 nur sechs Testtage vor der Saison, und drei am Ende. Der Abschluss-Test beinhaltet bereits eine Verpflichtung, an einen oder zwei Tagen nur Nachwuchsfahrer einzusetzen. Die werden hierfür als Fahrer mit weniger als zwei beendeten F1-Rennen definiert. Wobei sich diese Definition für den Trainings-Plan noch ändern könnte.

Die Details der verpflichtenden Junior-Einsätze in den Freitags-Trainings sind generell noch offen. Aber mit der Unterstützung der Teams sollte sich eine Einigung finden lassen. "Denn es ist einfach schwierig heute, für diese jungen Fahrer aus den Nachwuchsserien Zeit zu finden, und daher ist es auch unsere Verantwortung, diese Zeit zu bieten", sagt McLaren-Teamchef Andreas Seidl, obwohl dessen Team momentan keinen echten Nachwuchs-Kader hat.

"In Zukunft wären wir auch bereit, noch mehr zu bieten", so Seidl trotzdem. "Was daran gut ist, das ist, dass alle Teams verpflichtet werden, denn dann ist es fair von einer sportlichen Perspektive." Mercedes-Sportchef Toto Wolff stimmt ihm zu. "Wir müssen diesen jungen Fahrern die Chance geben, ein bisschen mehr den Stress am Rennwochenende zu erleben, einen Vergleich mit dem Anderen in der Garage zu haben, mit dem Team zu arbeiten, und ich unterstütze diese Regel für nächstes Jahr."

Was machen Formel-1-Teams ohne Junior-Kader?

Teams wie McLaren oder Aston Martin werden allerdings mangels unter Vertrag stehenden Junior-Piloten improvisieren müssen. "Es wird sicher jene bevorteilen, die Nachwuchs-Programme haben", glaubt Aston-Martin-Teamchef Otmar Szafnauer. "Von unserer Seite wollen wir sicherstellen, dass unsere Fahrer so viel Zeit wie möglich im Auto verbringen. Aber du musst es ganzheitlich betrachten, den Sport mit jungen Talenten unterfüttern." Aston Martin hat sich noch keinen Plan zurechtgelegt, wer im Auto sitzen würde.

Red-Bull-Teamchef Christian Horner, der wie Ferrari und Alpine eine verhältnismäßig große Auswahl an Nachwuchs-Piloten hat, sieht auch Gefahr: "Du hoffst nur, dass es auf Leistung basiert, und nicht auf verfügbare Finanzen." So schickte etwa Williams im Laufe der aktuellen Saison bereits mehrmals Roy Nissany ins erste Freie Training. Der 26-Jährige fährt seit drei Jahren Formel 2 und dort nur einmal aufs Podium, bringt aber als Testfahrer viel Geld.

Roy Nissany bestreitet 2021 regelmäßig Trainings für Williams, Foto: LAT Images
Roy Nissany bestreitet 2021 regelmäßig Trainings für Williams, Foto: LAT Images

Für Red Bull, Alpine und Ferrari wäre die Fahrerauswahl jedenfalls kein Problem, dank großer Juniorenkader mit mehreren aktiven F2-Piloten könnten sie auch den eng verbundenen Kundenteams AlphaTauri und Haas Fahrer leihen. Tatsächlich befinden sich Ferrari und Alpine ohnehin in einer Zwickmühle: Ihre Piloten Robert Shwartzman (P3 in der F2-Tabelle) und Oscar Piastri (P1) gelten als heiße Aktien, aber für sie ist kein F1-Platz frei. Piastri ist fest auf Titel-Kurs, und Alpine weiß noch nicht, wie man mit dem 20-jährigen Senkrechtstarter, der schon 2019 den Renault Eurocup und 2020 die Formel 3 gewann, weiter verfahren soll.

Alfa-Sauber hat mit dem 18-jährigen F2-Piloten Theo Pourchaire ebenfalls vielversprechenden Nachwuchs, Williams unterhält neben Nissany noch weitere Talente. Die verbleibenden der Teams müssten sich erst sortieren. Aston Martin hat niemanden unter Vertrag. Mercedes hätte aber mit Formel-E-Meister Nyck de Vries einen Kandidaten, der noch nie einen GP fuhr. Ähnlich McLaren mit den IndyCar-Fahrern Pato O'Ward und Felix Rosenqvist.

Doch auch das zeigt: Wie definiert man Nachwuchsfahrer? Das gilt es erst noch zu lösen, ehe die Trainings zum Testgebiet werden.