Die Formel 1 kämpft mit neuen Boxenstopp-Regeln. Nachdem Motorsport-Magazin.com schon in Monza einen ersten Anstieg der Standzeiten beobachtet hatte, wurde dieser Trend in Sotschi noch deutlicher.

Seit per Technischer Direktive diverse Automatismen beim Reifenwechsel verboten wurden und Mechaniker jetzt vollständig von Hand den erfolgreichen Reifenwechsel bestätigen müssen, ist die Zahl fehlerhafter Stopps sprunghaft angestiegen. Für manche ist das Einspielen auf neue Prozesse ist schwierig. Andere Teams fühlen sich bestätigt.

Der Kampf mit den Boxenstopp-Freigaben

Wenn man Stopps von 3,5 Sekunden aufwärts als bereits fehlerbehaftet annimmt, dann präsentiert sich ein immer deutlicheres Bild: Vor der Sommerpause gab es 50 solcher Stopps, bei denen es ohne erkenntlichen Grund länger dauerte. In den drei gefahrenen Rennen seit der Regeländerung? 24. Das entspricht fast einem Drittel aller Stopps in diesen drei Rennen.

Ein Drittel aller Reifenwechsel - fehlerbehaftet. Die Gründe dafür sind aber vielfältig. Red Bull bestätigte nach Monza, dass der 11-Sekunden-Stopp von Max Verstappen auf die Regeländerungen zurückging. Ein 9-Sekunden-Stopp von Sergio Perez in Sotschi hatte hingegen nichts damit zu tun. "Wir hatten eine kleine Verzögerung beim Abnehmen des Rads", erklärt Teamchef Christian Horner. Offenbar von einem gelben Warnsignal der Boxenampel irritiert ließ Perez kurz darauf die Kupplung schleifen. "Dadurch dauerte es länger, das Rad wieder draufzubringen."

Ein von den neuen Regeln beeinflusster Stopp ist hingegen meist dadurch gekennzeichnet, dass nach außen hin alles schon fertig zu sein scheint, die Ampel aber nicht auf grün springt. Grund: Der Mechaniker darf inzwischen erst dann den OK-Knopf am Schlagschrauber drücken, wenn das Rad von den Sensoren als fest gemeldet wurde. Drückt einer zu früh, wird das Signal nicht mehr an den für die Ampel Zuständigen weitergeleitet. Dann steht die ganze Truppe still und wartet, bis der, der zu früh gedrückt hat, erneut das Signal schickt.

Mercedes & Red Bull: Menschliche Fehler oder Prozesse falsch?

Manche müssen dafür umtrainieren. "Es ist eine prozedurale Situation - wenn du etwas jahrelang gleich gemacht hast und es dann ändern musst, kann das immer schwierig sein", sagt Mercedes-Sportchef Toto Wolff. Auch bei seinem Team stand in Monza ein Auto länger.

"Aber es war kein Desaster. Wir haben eine Schadensminimierung installiert, und diese Schadensminimierung hat uns geholfen, nicht zu viel Zeit zu verlieren." Für Wolff ist es alles eine Frage der Abläufe: "Es gibt keine menschlichen Fehler. Es geht darum, wie der Prozess entworfen wurde, wie die Ausrüstung kalibriert ist."

Sein WM-Gegner Horner, dessen Team Red Bull seit den neuen Regeln nicht mehr der Platzhirsch der Boxenstopp-Welt ist, sieht das anders: "Ich glaube, es gibt menschliche Fehler, und so einen haben wir [in Monza] gesehen. Du lernst denke ich immer, und du änderst deine Werkzeuge, um dir das Leben leichter zu machen, Sicherheitsnetze einzubauen, ob das jetzt in der Software oder sonst wo ist."

Red Bull unglücklich mit Änderungen - McLaren feiert

Red Bull befindet sich im Analyse-Stadium. Zwei ihrer vier Stopps dauerten in Sotschi über drei Sekunden, der beste nur 2,46 . So kennt man die Dauersieger im von der Formel 1 ausgeschriebenen DHL Fastest Pit Stop Award nicht. Horner weiß, dass Klagen nichts mehr bringt: "Eine Änderung während der Saison ist nie gut, aber es ist für alle gleich."

Aber nicht jeder muss die Prozesse umstellen. McLaren lacht sich ins Fäustchen. "Es ist kein Geheimnis, dass wir Fragen bezüglich der Legalität und Sicherheit der Boxenstopps von manchen Teams in den letzten Monaten hatten", sagt Teamchef Andreas Seidl. "Wir mussten letztendlich nichts ändern, denn von unserem Standpunkt war davor schon klar, wie die Abfolge auszusehen hatte."

Für McLaren heißt das aber auch, dass sie mit den gleichen Problemen zu kämpfen haben wie zuvor. Immer wieder stehen Daniel Ricciardo und Lando Norris zu lange, zwei Stopps waren in Sotschi länger als 3,5 Sekunden. "Wir sind sehr zufrieden mit unserem Fortschritt bei den Stopps verglichen mit den letzten Jahren", sagt Seidl. "Gleichzeitig gibt es noch immer Raum, um besser zu werden, und konstanter. Darauf fokussieren wir uns."