Regen-Chaos in Russland! Die Gewinner und Verlierer (35:00 Min.)

Lando Norris hatte seinen ersten Grand-Prix-Sieg in der Formel 1 fest vor Augen. Sechs Runden vor Rennende führte der McLaren-Pilot den Russland-GP noch immer an. Lewis Hamilton klebte Norris zwar im Heck, doch standen die Chancen des Youngsters gut. Bei seiner Aufholjagd hatte der Weltmeister die Reifen hart rannehmen müssen, noch dazu lässt sich in Sotschi nur schwer überholen - gerade einen McLaren, dessen Stärke Topspeed lautet. Diese Erfahrung musste Hamilton bereits im ersten Stint des Rennens machen, als er keinen Weg an Daniel Ricciardo vorbei fand.

Selbst Mercedes und Hamilton gaben nach dem Rennen zu: Ohne das, was dann geschah, hätte es vielleicht nicht für Hamiltons 100. Sieg in der Formel 1 gereicht. In jedem Fall wäre es sehr schwer geworden, wäre es nicht passiert. Was? Die Regenlotterie der letzten sechs Runden, die Norris um den Lohn seiner rundenlangen Arbeit brachte und Hamilton doch noch triumphieren ließ. Welche Gewinner & Verlierer es sonst noch gab? Motorsport-Magazin.com präsentiert Profiteure und Gebeutelte von Russisch Roulette in der Regen-Sonderausgabe von Sotschi 2021.

Gewinner: Lewis Hamilton & Mercedes' Strategen

Ohne jede Frage: Zuerst ist der Rennsieger zu nennen. Ohne den Wolkenbruch kurz vor Rennende hätte sich Hamilton, wie geschildert, womöglich die Zähne an Norris ausgebissen und weiter auf seinen 100. Sieg in der Formel 1 warten müssen. Beinahe wäre es auch so gekommen. In Runde 48 wehrte sich der Weltmeister nach Aufforderung seines Kommandostands noch, zum Wechsel auf Intermediates die Verfolgung Norris' aufzugeben. Einen Umlauf später zeigte Hamilton Einsicht - gerade noch rechtzeitig, ja sogar im nahezu perfekten Moment. Aller Dank gebührte James Vowles & Co. Mehr als 50 Sekunden Vorsprung im Ziel sprechen für sich. Damit war gerade in der ersten Rennhälfte noch alles andere als zu rechnen, als Hamilton nach Positionsverlusten am Start völlig zahnlos im Verkehr stecken blieb.

Verlierer: Lando Norris

Auch wenn sich McLaren-Teamchef Andreas Seidl nach dem Rennen vor seinen Fahrer stellte: Die Verantwortung für ein am Ende sehr viel schlechteres Ergebnis (P7) als den Sieg liegt nahezu einzig und allein bei Norris. Bis Runde 50 auf der Strecke zu bleiben sei seine Entscheidung gewesen, gestand der Brite selbst. Das war dem Boxenfunk in der TV-Übertragung deutlich zu entnehmen. Seine Führung wollte Norris partout nicht herschenken - und es unbedingt drauf anlegen. Norris hielt es für möglich, weiterzufahren, doch dann nahm der Regen nochmals zu. Zu sehr. Norris drehte sich von der Strecke, so raubte Hamilton dem Briten schon zu Beginn seiner zweiten Runde auf Intermediates P1. Bis auf P8 spülte Norris die langsame Inlap und der viel zu späte Stopp nach hinten. Auf der Schlussrunde holte Norris einzig P7 von Kimi Räikkönen zurück, konnte sich aber bei den Stewards bedanken, diesen Platz durch eine Strafe nicht gleich wieder zu verlieren. Für das Überfahren der weißen Linie der Boxeneinfahrt gab es - anders als in der Vergangenheit - diesmal nur eine Verwarnung.

Gewinner: Max Verstappen

Als größter aller Gewinner ist jedoch nicht Hamilton, sondern ganz klar Max Verstappen zu nennen. Sechs Runden vor Rennende lag der Niederländer auf Platz sieben. Verstappens Aufholjagd vom letzten Startplatz schien damit beendet, zumal es sogar eher rückwärts ging. In Runde 38 hatte Fernando Alonso dank frischer Reifen Verstappen überholt und ließ sich danach abschütteln. Das erhoffte Top-5-Ergebnis lag außer Reichweite. Somit war nur eine geringe Schadenbegrenzung gegenüber Hamilton möglich, der vorne um Platz eins oder zwei fuhr. Doch Red Bull agierte aufmerksamer als vielleicht Verstappen im Duell mit Alonso und zitierte den Niederländer in Runde 48 frühzeitig zum Stopp. In beiden Runden hatten nur vier andere Fahrer gewechselt. So zog Verstappen am gesamten Pulk vor ihm vorbei. P2 hinter Hamilton, mit Motorenstrafe ein weit besseres Ergebnis als erwartet.

Verlierer: Charles Leclerc

Bei Teamkollege Carlos Sainz ist nur schwer zu definieren, ob Gewinner oder Verlierer. Immerhin lag der Spanier vor dem Regen an dritter Stelle, genauso danach. Allerdings hatte Sainz P3 bei den ersten Regentropfen an den Red Bull von Sergio Perez verloren. Deshalb eher Gewinner. Leclerc jedoch verlor kapital an Boden. Bei den ersten Tropfen boxte sich der Monegasse noch stark von P12 bis auf P8 nach vorne, kam dann allerdings viel - viel - zu spät zum nötigen Wechsel auf Intermediates - wie Norris erst in Runde 51. Auch, weil er nicht in der gleichen Runde wie Sainz hatte kommen können, lag er doch direkt hinter dem Teamkollegen, behauptete Leclerc. Die harte Konsequenz: Nur noch P15 und überrundet.

Gewinner: Carlos Sainz & Ferrari

Sainz ist also eher ein Gewinner. Noch mehr, bedenkt man, wie Ferrari den Spanier rettete. Sainz wollte im Regen nur auf Soft wechseln, hielt den Grip- und Aufwärmvorteil der weichsten Slicks für ausreichend. Doch Ferrari überstimmte ihn. Damit sind nicht nur die Strategien - in diesem Fall, nicht in Leclercs, siehe oben - die Gewinner, sondern auch Ferrari insgesamt mit Blick auf den WM-Wertung. Auf McLaren büßte die Scuderia zwar noch immer vier Punkte ein, doch war das längst nicht der neuerliche Rückschlag, der den Roten ohne ganz großen Regen geblüht wäre. Keine Veränderungen mehr vorausgesetzt, hätten Sainz und Leclerc Stand Runde 47 19 Punkte für P3 & P8 geholt, McLaren 36 für Norris' Sieg samt schnellster Rennrunde und Daniel Ricciardo auf P5.

Verlierer: Aston Martin

Vor dem Wolkenbruch lagen Lance Stroll und Sebastian Vettel noch im Formationsflug auf P9 und P10. Beide Aston in den Punkten. Doch kaum nahm der Regen zu, nahm das Schicksal seinen Lauf. Stroll ruinierte sich selbst, kollidierte mit Vettel und beschädigte sich so den Frontflügel. Damit folgten ein Abflug mit Einschlag, eine Kollision mit Pierre Gasly und eine resultierende Strafe samt Strafpunkten, die Stroll nun auch noch gefährlich nah an eine Sperre tragen. P11 und keine Punkte gab es inklusive. Vettel unterdessen war einer jener Kandidaten, die erst später zum Stopp kamen (Runde 50), etwas zu spät, P12.

Gewinner: Kimi Räikkönen & Alfa Romeo

Nahezu das gesamte Rennen verbrachte Kimi Räikkönen bei seinem Corona-Comeback im Getriebe der Alpine von Esteban Ocon. Letztlich schien es auf einen weiteren undankbaren elften Rang hinauszulaufen. Doch dann kam der Regen. Bei den ersten Tropfen verlor der Finne zunächst Plätze, reagierte darauf aber mit einem frühen Call, Intermediates haben zu wollen. Gemeinsam mit George Russell und Valtteri Bottas wechselte der Finne schon in Umlauf 48, noch früher war nur der ohnehin abgeschlagene Nikita Mazepin dran. Das spülte Räikkönen zum besten Saisonergebnis Alfa Romeos. Vier Punkte für Platz acht brachten Sauber in der WM dem eigentlich schon enteilten Williams zumindest wieder etwas näher. Eigentlich hätten es noch zwei Zähler mehr sein können. Von einer Strafe gegen Norris (vgl. oben oder hier) war man in Hinwil eigentlich fest ausgegangen.

Verlierer: Nicholas Latifi

Dieser Fall ist am schnellsten abgearbeitet. Latifi lag vor dem Regen auf P16, war mit der feuchten Strecke überfordert und crashte in Umlauf 48 auf Slicks nach Leitplanken-Kontakt in Kurve sieben aus dem Rennen.

Gewinner: Valtteri Bottas

Ein noch größerer Gewinner war der andere Finne. Valtteri Bottas fuhr in Sotschi eine noch sehr viel stumpfere Aufholjagd als Max Verstappen. Sechs Runden vor Rennende lag der Finne gerade einmal auf P14, noch hinter seinem Landsmann. Der frühe Stopp half Bottas extrem. Gleich neun Positionen gewann der Mercdes-Fahrer - mehr als jeder andere.

Verlierer: Fernando Alonso & Sergio Perez

Der Spanier und der Mexikaner duellierten sich bei einsetzendem Regen um Platz drei. Beide kamen erst in Runde 50 zum Reifenwechsel und waren damit auf der späteren Seite. Perez erwischte zudem einen langsamen Stopp und wurde bis auf Rang neun durchgereicht. Alonso wurde Sechster, kam also zumindest genau dort an, wo er vor dem großen Regen gelegen hatte. Dennoch fühlt sich auch Alonso selbst eher als Verlierer. Immerhin wäre das Podest drin gewesen, hätte man entweder früher reagiert oder wäre der Regen nicht noch stärker geworden - selber Fall wie Norris.

Gewinner: Daniel Ricciardo

Besser machte es der Australier gemeinsam mit McLaren. Ricciardo wechselte wie Verstappen schon in Runde 48. So spülte es den Honigdachs bis auf den vierten Rang nach vorne. Zuvor hatte Ricciardo diesen Platz zwar auch inne, doch verlor er bei den ersten Regentropfen sofort gegen Serio Perez und Fernando Alonso.

Gewinner: George Russell

Trotz eines starken Stints, in dem sich der Williams in der Spitzengruppe zu halten wusste, war Russell letztlich chancenlos, als es an die regulären Reifenwechsel ging. In freier Fahrt - ob Over- oder Undercut - war der gesamte Zug hinter dem Briten einfach schneller, bis auf P11 ging es zurück. Dank eines frühen Wechsels auf Intermediates holte Russell zumindest P10 zurück und erntete damit erneut einen WM-Zähler.

Regen-Chaos in Russland! Die Gewinner und Verlierer (35:00 Min.)