Lando Norris, Carlos Sainz, George Russell: Wer vor dem Qualifying zum Russland GP 2021 auf diese Top-3 getippt hätte, hätte viel Geld gewonnen. Grund für die Sensation waren die Bedingungen. Während es Mercedes verschlief, bei abtrocknender Strecke rechtzeitig auf Slicks zu wechseln, riskierten die Außenseiter mehr.

Am meisten riskierte George Russell: "Wir haben nichts zu verlieren." Risiko wollte der Brite gehen, doch ganz so viel eigentlich nicht. Er kam nämlich als erster Pilot an die Box und wechselte im Q3 von Intermediates auf Slicks.

Funk-Missverständnis bei frühem Russell-Stopp

"Ich habe am Radio gesagt, dass sie die Slicks schonmal bereitstellen sollten, weil ich dachte, dass die Bedingungen so werden", so Russell. Die Box reagierte prompt, zu prompt für den nächstjährigen Mercedes-Piloten: "Es kam sofort die Anweisung am Funk, an die Box zu kommen. Ich dachte, sie hätten mich missverstanden."

Schon in der kurzen Pause zwischen Q2 und Q3 setzte sich Williams mit der Möglichkeit auseinander, auf Slicks zu wechseln. Die Mannschaft war dadurch gut vorbereitet und reagierte sofort. Russell sollte möglichst viel Zeit bekommen, die Reifen auf Temperatur zu bekommen und sich an die Bedingungen zu gewöhnen. "Hohes Risiko, hohe Belohnung", so Russell, der die Chance dankend annahm.

Anfangs sah es zunächst gar nicht so gut aus: "Beim Rausfahren aus der Box wäre ich fast schon gecrasht." Verkehr machte Russell zu schaffen. Aber im Gegensatz zu allen anderen Piloten hatte er eine Runde mehr. Der frühe Wechsel hatte sich ausgezahlt.

Russell holt Maximum mit Reifen-Vorteil & Trick

Den vorletzten Versuch brach Russell vorzeitig ab: "Als ich in Kurve zehn etwa auf Verkehr auflief, habe ich mich dazu entschieden, die Batterie für die letzte Runde komplett aufzuladen." Normalerweise ist Energiemanagement im Qualifying kein Thema, bei feuchten Bedingungen werden aber meist keine Lade-Runden eingelegt, weil sich die Streckenverhältnisse dynamisch verändern. Es gilt, zur richtigen Zeit auf der Strecke zu sein.

Deshalb nutzen die Piloten bei solchen Bedingungen durchgehend einen ziemlich aggressiven Entlade-Modus. Dadurch steht nicht jede Runde die volle Energie zur Verfügung. Russell entschied sich deshalb frühzeitig dazu, die Batterie wieder aufzuladen, um beim letzten Schuss volle Energie zu haben: "Das bringt auf einer Strecke wie dieser vier bis sechs Zehntel."

George Russell machte bei abtrocknenden Bedingungen in Sotschi alles richtig, Foto: LAT Images
George Russell machte bei abtrocknenden Bedingungen in Sotschi alles richtig, Foto: LAT Images

Am Ende wäre es egal gewesen. Lewis Hamilton, sein nächstjähriger Teamkollege, lag auf Rang vier bereits mehr als eine Sekunde hinter Russell. Nach dem sensationellen zweiten Startplatz in Spa ist es die zweite Regen-Sensation binnen weniger Wochen für den Williams-Piloten.

Nachdem Russell bis zum Ungarn GP 47 Rennen lang keinen Punk für den Traditionsrennstall holen konnte, gelang ihm das Kunststück nun in drei der letzten vier GPs. Sotschi soll die Nummer vier aus fünf werden. Russell will sogar mehr: "Unsere Longrun Pace war die beste des Jahres. Noch weit weg von den anderen Jungs, aber es gibt keinen Grund, warum ich nicht ums Podium kämpfen können soll. Ich habe nichts zu verlieren."