Mit harten Bandagen wird der Kampf um den WM-Titel in der Formel-1-Saison 2021 geführt. Weit mehr als nur einmal gerieten Titelverteidiger Lewis Hamilton und Herausforderer Max Verstappen bereits aneinander, sowohl im Rad-an-Rad-Duell auf als auch verbal abseits der Strecke. Gleich beides war rund um den neuerlichen Clash beim Großen Preis von Italien der Fall. Verstappen wollte im direkten Zweikampf nicht nachgeben, es knallte, beide schieden durch einen spektakulären Unfall aus.

Danach ärgerte sich Hamilton darüber, dass Verstappen einfach davon marschierte - ohne sich der Gesundheit des Briten vergewissert zu haben. Hypokritisch nannte das Verstappen zwei Wochen später in Russland. Zumal Hamilton ohnehin noch versucht habe, seinen unter dem Red Bull eingeklemmten Mercedes noch zu befreien.

Formel 1: Hamilton & Verstappen mit Verbalduell in Sotschi

Hamilton stichelte indes gegen Verstappen und führte dessen Zweikampf-Verhalten auf noch fehlende Erfahrung und indirekt den Druck des ersten echten WM-Fights des Niederländers zurück. Verstappen wiederum reagierte auf diese Aussagen mit Häme. "Ich bin so nervös, ich kann kaum schlafen. Es ist so schrecklich, um den Titel zu kämpfen, ich hasse es", amüsierte sich Verstappen am Donnerstag vor dem Russland-GP

Längst ist die Spannung zwischen Hamilton und Verstappen greifbar - und überträgt sich noch länger auch auf die Strecke. "Diese beiden fahren um die WM und da kannst du nicht erwarten, dass sie mit Samthandschuhen fahren", sagt Toto Wolff. "Deshalb werden wir mehr harte Momente wie diesen sehen", prophezeit der Mercedes-Motorsportchef.

Wolff & Horner machtlos: Sitzen nicht im Auto!

Viel dagegen bewirken könne er durch Gespräche mit Hamilton nicht. "Wenn sie beide Kollisionen vermeiden wollten, dann hätten wir weniger Kollisionen. Wenn sie Kollisionen nicht vermeiden wollen, weil sie denken, dass es richtig ist, nicht zurückzustecken und Platz zu lassen, dann haben wir mehr", analysiert Wolff. "Wir sitzen nicht in den Autos", ergänzt der Wiener, gemeinsam mit Red Bulls Christian Horner in einer Pressekonferenz in Sotschi.

Verstappen lacht Hamilton aus! Keine Angst vorm Weltmeister: (12:32 Min.)

Ausnahmsweise teilt der Brite in diesem Fall die Meinung seines Mercedes-Pendants. "Ich stimme zu. Sie sind Rennfahrer und sie sollen Rennen fahren. Wenn ich mich hier hinsetze und sage, dass sie sich in den nächsten acht Rennen nie wieder berühren werden, dann bezweifle ich sehr, dass Toto da Kontrolle über Lewis hat und wir haben auch keine über Max", sagt der Bullen-Leiter. "Das liegt an ihnen im Auto, mit dem sie um die größte Trophäe fahren, die der Motorsport zu bieten hat. Es sind acht Rennen und natürlich wollen wir einen echt engen und sauberen Kampf bis zum Ende. Aber es ist unvermeidbar, dass du Vorfälle hast, wenn die Fahrer so oft derart nah beisammen starten und auf engen Strecken fahren."

Hamilton vs. Verstappen: Keiner will zurückstecken

Hinzu kommen die Egos der Alphatiere Hamilton und Verstappen. Erneut kritisiert Wolff den Niederländer für dessen Manöver in Monza, wenngleich längst nicht mehr als angedeutetes taktisches Foul. "Wenn ich mir das ganze Rennen ansehe, dann muss ich eben manchmal einfach zurückstecken, wie es auch Lewis in der ersten Runde gemacht hat", sagt Wolff. Mehr will der Mercedes-Leiter nicht mehr kommentieren. Natürlich sei er da parteiisch, so Wolff.

Allerdings brauche es immer zwei Beteiligte, ergänzte der Österreicher eine bei Wolff beliebte Redewendung. So sieht es auch Horner. "Lewis hat demonstriert, dass auch er nichts hergeben will. Und wenn du zwei Racer mit dieser Mentalität hast, dann hast du eben Vorfälle", sagt der Brite. "Monza war aber unglücklich. Der Unfall hat dramatisch ausgesehen, war aber bei niedriger Geschwindigkeit. Kein Fahrer wollte sich beugen und das Ergebnis haben wir gesehen."

Wolff überzeugt: Hamilton & Verstappen haben sich unter Kontrolle

Allzu viele Wiederholungen solcher Szenen erwartet Wolff nicht. "Die beiden wissen ziemlich gut, was sie da tun. Sie haben es unter Kontrolle", sagt der Mercedes-Teamchef. Horner geht es praktikabler an: Eigentlich hätten sich Verstappen und Hamilton in Monza auf der Strecke niemals treffen dürfen, erinnert der Brite an die verpatzten Boxenstopps beider Teams.

Auch generell sei Abstand auf der Strecke das beste Mittel, um Unfälle zu verhindern - natürlich vornehmlich zum Vorteil Verstappens. "Wir versuchen sicherzustellen, dass er auf der Strecke vorne liegt! Das ist der einfachste Weg", scherzt Horner. "Aber ich habe das Gefühl, dass sie weiter hart fahren werden. Es war so eng zwischen ihnen und auch die Teams sind im Saisonschnitt nur um eine Zehntel getrennt. So wird es das letzte Drittel über weitergehen", prognostiziert der Red-Bull-Teamchef.

Lewis Hamilton will nicht mehr zurückstecken

Wolff zufolge könnte es trotz der beschworenen Kontrolle nun allerdings immer brisanter werden. So sei Hamilton inzwischen zu einem Schluss gekommen, verrät der Wiener. "Sie fahren jetzt sehr eng gegeneinander. Das war in der Vergangenheit nicht so Wir haben das detailliert besprochen und es gibt eine veränderte Herangehensweise. Lewis hat jetzt so ziemlich entschieden, dass er nicht mehr zurücksteckt, wenn er denkt, dass es seine Kurve ist", berichtet Wolff. Deshalb müssten sich auf der Strecke eben immer zwei verstehen. "Aber, wie Christian gesagt hat, wir haben keinen Einfluss darauf, wie sie fahren. Sie wissen viel besser als wir, wie der andere gegen dich fährt. Das ist interessant zu beobachten!"

Keine Veränderung soll es unterdessen bei Verstappen geben. Auch Red Bull ging die Szene von Monza nochmals durch. "Wir schauen das sorgfältig an, um zu sehen, was man anders oder besser hätte machen können. Max ist da immer sehr offen. Er ist extrem selbstkritisch", sagt Horner. Dennoch bleibe Verstappen ein harter Racer. "Das ist ein Teil seines Charakters und deshalb wird er auch so wahrgenommen, wie er wahrgenommen wird. Wenn er im Auto ist, gibt er 110 Prozent - und das nimmt auch Einfluss auf den Fahrer, gegen den er fährt. Denn der weiß, dass er es versucht." Genug Maß walten lassen müsse man dennoch, Horner. Doch das habe Verstappen.

Horner: Druck? Verstappen hat doch nichts zu verlieren!

Der WM-Kampf spiele für Verstappen unterdessen keine Rolle. "Ich sehe da überhaupt keine Veränderung bei ihm", kontert auch Horner Hamiltons Aussagen. Verstappen sei schlicht in einer anderen Rolle als der Weltmeister. "Er hat nichts zu verlieren. Er sitzt nicht mit einem Bündel von WM-Titeln da und verteidigt den Titel. Er ist der Herausforderer und so attackiert er in der WM eben", sagt Horner. Dass Druck keine Rolle spiele, habe Verstappens 'beindruckende' Vorstellung bei dessen Heimrennen in Zandvoort bewiesen. "Er genießt diesen Kampf einfach", sagt Horner. "Wir waren lange nicht mehr in so einer Position. Das ist aufregend für ihn und eine gute Motivation für das gesamte Team."

Zumindest in Russland dürften sich Hamilton und Verstappen nach aktuellem Stand erst einmal nicht begegnen. Red Bull wechselte am Freitag auf die vierte Power Unit. Das zieht eine Startplatzstrafe nach sich, sodass Verstappen vom Ende der Startaufstellung starten wird.