Nur fünf WM-Punkte trennen Max Verstappen und Lewis Hamilton nach 14 von geplanten 22 Rennen der Formel-1-Saison 2021 an der Spitze der WM-Wertung. Setzt sich das Gigantenduell auch in der zweiten Saisonhälfte in dieser Weise fort, werden in der Endabrechnung Nuancen über Sieg oder Niederlage entscheiden. Einen kapitalen Aussetzer kann und will sich deshalb niemand leisten. Besonders interessant dabei ist das noch verfügbare Motorenkontingent.

Sowohl Verstappen als auch Hamilton befinden sich mittlerweile am Limit von drei erlaubten Power Units für diese Saison. Jeder weitere Wechsel zieht also eine Strafe nach sich. So geschah es bereits bei ihren Teamkollegen. Sergio Perez kassierte seine Strafversetzung für Power Unit Nummer vier in Zandvoort, Valtteri Bottas zog in Monza nach. Bei beiden war das wegen Unfallschäden notwendig.

Verstappen verliert Motor durch Unfall, Hamilton durch Laufzeit

Den hatte auch Verstappen zu beklagen. Die Power Unit im Heck seines RB16B bei seinem Highspeed-Unfall in Silverstone war trotz kurzzeitiger Hoffnung Hondas nicht mehr zu retten. Red Bull ist deshalb überzeugt, in jedem Fall noch einen vierten Antriebsstrang benutzen zu müssen und wartet nun lediglich auf die beste Gelegenheit. Der Russland-GP könnte diese sein Dort wird Verstappen für das Verschulden der Kollision mit Hamilton in Monza ohnehin um drei Ränge strafversetzt.

Spannender ist die Motorenfrage bei Hamilton. Der Weltmeister muss keine Unfallschäden an seinen Power Units beklagen. Zumindest wenn die erste Schnellanalyse Mercedes' zum in Monza verbauten Motor noch vor Ort nicht fälschlich Entwarnung ergeben hatte. In einem Video des Teams sprach der leitenden Strecken-Ingenieur Andrew Shovlin davon, dass Aggregat habe den Unfall mit Verstappen diesem ersten Eindruck nach überstanden.

Mercedes fürchtet Ausfall: In diesem WM-Kampf heftig

Dafür hat sich eine der Power Units Hamiltons bereits aus Altersschwäche verabschiedet. Das älteste der drei Aggregate gab im Training Zandvoort den Geist auf. Öldruck im Keller, keine Chance mehr auf eine Rettung. Damit schien auch für Hamilton ein vierter Wechsel und damit eine Strafe programmiert. Das legte in Monza zunächst auch Toto Wolff nahe, gerade als der Wechsel auf PU Nummer vier bei Bottas bekannt geworden war.

"Wenn du gezwungen bist, in einem Rennen auszufallen, dann glauben wir, dass es vier Rennen dauert, um zurückzukommen [wenn der Gegner gewinnt]", sagte Mercedes' Motorsportchef bei Sky Sports F1. So viele Punkte würden immerhin zwischen P2 und P1 samt schnellster Runde liegen. "Und das [aufzuholen] ist heftig. Denn da kannst du viermal Zweiter werden." Verstappen könnte also auch mehrfach nur Punkte für P2 mitnehmen, sollte Hamilton einen Ausfall zu beklagen haben. Ein so eingehandelter Rückstand kostete Hamilton schon 2016 den Titel gegen Nico Rosberg. Wolff weiß: "Deshalb musst du vorsichtig antreten, aber nicht zu viel Performance verlieren."

Mercedes: Vierter Motorwechsel nicht fix geplant

Das legte allerdings nahe: Zwingend wechseln, wie zahlreiche Experten vermuten, will Mercedes gar nicht. Stattdessen könnte man auch versuchen, mit den beiden verbliebenen Power Units über das letzten Saisondrittel zu kommen. "Gerade habe ich noch zwei Motoren verfügbar. Es ist aktuell nicht geplant, dass ich einen zusätzlichen Motor nehme", bestätigte auch Hamilton selbst.

Den Monza-Unfall soll Hamiltons neuste Power Unit überstanden haben, Foto: LAT Images
Den Monza-Unfall soll Hamiltons neuste Power Unit überstanden haben, Foto: LAT Images

Nach einem für Hamilton schwachen Sprint in Monza (P5) schloss Toto Wolff daraufhin nicht aus, im Rennen nach Bottas womöglich auch den Briten auf ein neues Aggregat zu setzen. Etwa, wenn man der Meinung sei, sich strategisch ohnehin nicht verbessern zu können. Es kam anders. Mercedes wechselte nicht - und hätte sich ohne einen schlechten Stopp und den Unfall mit Verstappen auch verbessert.

Toto Wolff: Kein Muss, aber eine Möglichkeit

Nach Monza liegt nun auch kein konkreter Plan in der Schublade. Mercedes will spontan entscheiden, ob und wann eine neue Power Unit nötig sei. Ausgemacht sei ein Wechsel jedenfalls mitnichten. "Nein, es ist kein absoluten Muss, denn wir fahren mit dieser Power Unit noch sehr komfortabel", sagte Wolff. "Diese Entscheidung kann jederzeit getroffen werden, aber gerade halten wir es nicht für nötig. Bedeutet das, dass wir keine vierte nehmen? Nein, das tut es nicht. Wir schauen einfach, wie die nächsten Rennen ausgehen."

Mercedes will sich also nicht in die Karten schauen lassen, während Red Bull sein Blatt längst auf den Tisch gelegt hat. Nur wann der vierte Honda-Antriebsstrang debütieren wird, will man noch nicht verraten, auch nicht nach der schon klaren Strafe Verstappens in Russland. Der Kalender bietet mit Austin, Mexico-City und Sao Paulo jedenfalls noch einige gute andere Optionen mir besseren Überholmöglichkeiten.

Hamilton übersteht Unfall: Nacken nach Schmerzen okay

Hamiltons eigene 'Zuverlässigkeit' sollte unterdessen zu keinen Problemen führen. Nach dem Unfall mit Verstappen in Monza hatte der Weltmeister noch über leichte Schmerzen geklagt und kündigte an, vielleicht einen Spezialisten aufzusuchen. Zwei Tage später nahm Hamilton dann bereits an der Met-Gala in New York teil und schien sich bester Gesundheit zu erfreuen.

Das bestätigte auch Shovlin. "Ich bin froh sagen zu können, dass es ihm gut geht", sagte der Brite. "Lewis hat noch einen steifen Nacken. Man konnte auf den Bildern sehen, wie sehr er bei dem Zwischenfall nach vorne gedrückt wurde. Aber er hat ein wenig Zeit, sich in Ruhe zu erholen, und er hat seine Physiotherapeutin Angela [Cullen], bei sich. Sie wird sich um ihn kümmern. Daher hoffen wir, dass er für Russland fit sein wird, zu kämpfen."

"Magische Hände von Angela Cullen. Ich freue mich auf nächste Woche", ließ Hamilton inzwischen zu einem Foto einer Nackenbehandlung via Instagram wissen. Bedanken für keine größeren Blessuren kann sich Hamilton insbesondere bei der Sicherheitstechnik in der Formel 1. "Das ist ein Zeugnis für die Sicherheitsmaßnahmen, die in den vergangen Jahren in der Formel 1 eingeführt wurden", sagte Mercedes-Chefstratege James Vowles.

"Der Halo hat sein Leben gerettet, der Helm hat den Schlag absorbiert, sodass er nicht verletzt wurde und das HANS-System hat genau das getan, was es tun sollte. Diese drei Systeme haben im Zusammenspiel dazu geführt, dass Lewis etwas geprellt ist und ihm etwas wehtut, er aber okay ist."