Die Formel 1 kehrte mit neuen Regeln vor einem guten Monat aus der Sommerpause zurück. Für Belgien wurden den F1-Teams erstmals bei den Boxenstopps die Daumenschrauben angezogen. Reaktionszeiten und Sicherheits-Mechanismen wurden von den FIA-Regelhütern per Technischer Direktive eingeführt.

Die einen - allen voran die Boxenstopp-Meister von Red Bull - liefen dagegen Sturm und fühlten sich gezielt eingebremst. Andere, wie McLaren, begrüßten den FIA-Einschritt, um endlich Sicherheit in den Boxen zu garantieren. Wie groß war der Effekt der Technischen Direktive 022 nun aber wirklich? Ein erster Blick zurück auf Rennen 1 und 2 danach.

Neue Boxenstopp-Regeln verschoben & geschwächt

Vorab sei gesagt: Die Direktive in ihrer ursprünglichen Form, wie sie einst in Österreich durchsickerte, kam nie. Die entschärfte Form - Nachrichten dazu gerieten unter die Räder eines dramatischen Silverstone-Wochenendes - kippte die extremen Mindest-Standzeiten und verschob die Einführung auf nach die Sommerpause.

Trotzdem ist jetzt endgültig reglementiert, ab wann ein Schlagschrauber ein Rad als "fest" melden darf. Nämlich wenn die Mutter festgezogen wurde. Nicht schon beim Ansetzen, wie das davor von Teams praktiziert worden sein soll. Erst wenn die Mutter sitzt, darf der Schlagschrauber-Sensor "fest" melden. Woraufhin der Mechaniker den OK-Knopf drückt. Wenn alle vier OK-Signale beim für die Ampel verantwortlichen Mechaniker eingelangt sind, darf dieser freigeben. Hier findet sich auch die letzte verbleibende Mindestzeit ein. 0,1 Sekunden muss es dauern, bis der Mechaniker die Ampel auf Grün schaltet.

Kritisch bei der ganzen Sache: Wird irgendwo in diesem Kreislauf zu früh gedrückt, darf nicht mehr freigegeben werden. Und - der Mechaniker muss bewusst erneut die Freigabe senden.

Die Boxenstopp-Zahlen zu Zandvoort & Monza

Und tatsächlich - in Zandvoort und Monza stieg die durchschnittliche Standzeit. Selbst wenn man Stopps über 3,5 Sekunden, welche generell als fehlerhaft angesehen werden, ausklammert, so stand ein F1-Auto in Zandvoort im Schnitt 2,69 Sekunden still, in Monza gar 2,89 Sekunden. Damit scheint der Schnitt zurück auf das Niveau von 2020 geklettert zu sein. Nur im chaotischen und verregneten Imola standen die Autos 2021 so lange.

Obendrauf scheinen die Teams mit den neuen Abläufen zu kämpfen. In Monza dauerten vier von 18 Stopps ohne erkennbaren Grund länger als 3,5 Sekunden. In Zandvoort waren es acht von 27 - Saison-Höchstwert. In Monza rückten solche "fehlgeschlagenen Stopps" in den Vordergrund, als es sowohl Lewis Hamilton (4,22) als auch Max Verstappen (11,1) erwischte.

Der Mann mit dem Wagenheber habe das Go-Signal vom Reifenwechsler vorne rechts nicht bekommen, obwohl alles fertig war, beurteilte Red Bull später den seltenen Fehltritt der besten Boxencrew. Inzwischen hat das Team bestätigt: Die neu erzwungenen Abläufe waren die Ursache. Auch Toto Wolff suchte im ORF-Interview schon bei den neuen Regeln: "Es müssen ja alle vier Räder manuell freigegeben sein. Wenn da einer zu schnell drückt, löst das System nicht aus, und der Wagenheber hält das Auto oben."

Red Bulls Stopp-Zeiten flachen ab

Darf man sich also im McLaren-Lager bestätigt fühlen? Denn die Truppe um Andreas Seidl gehörte zu den lautesten Advokaten der Regeländerung: "So wie wir unsere Boxenstopps machen, versuchen wir die Möglichkeiten auszureizen, aber auch die Sicherheit unserer Boxencrew zu garantieren." Seidl freute sich damals im Frühsommer über proaktives Handeln der FIA: "Um nicht immer zu warten, bis was passiert."

An McLarens Standzeiten im mittleren bis oberen Zwei-Sekunden-Bereich hat sich jedenfalls nichts geändert. Während Red Bulls durchschnittliche Standzeit - in den elf Rennen vor der Sommerpause betrug sie 2,32 Sekunden - in den letzten beiden Rennen auf 2,49 anwuchs, selbst bei ausgeklammertem Mammut-Stopp von Italien.

Boxenstopps unter 3,5 Sekunden im Durchschnitt

TeamVor RegelnNach Regeln
Red Bull2,322,49
Mercedes2,512,49
Williams2,542,66
McLaren2,762,7
Aston Martin2,642,76
Alpine2,632,78
Ferrari2,662,82
Alfa Romeo2,482,88

Unabhängig davon ist Red Bull noch immer die Messlatte. Mit 2,15 Sekunden lieferten sie in Zandvoort den schnellsten Stopp nach der Sommerpause ab. In Monza holten sie mit 2,49 noch immer den zweitschnellsten des Tages. Fakt ist, die Lücke ist in den ersten beiden Rennen geschrumpft. Ist das aber von Dauer? Auch die Besten können zwei schlechte Wochenenden in Folge haben. Mehr Daten sind nötig.