Wahnsinn beim Italien GP: Die WM-Führenden Lewis Hamilton und Max Verstappen kollidieren beim Formel-1-Rennen in Monza und scheiden beide aus. Verstappens Red Bull landet auf dem Mercedes von Hamilton, der Halo-Cockpitschutz rettet den Briten.

Nach einem verpatzten Boxenstopp in Runde 24 - Verstappen stand über 11 Sekunden beim Reifenwechsel - fiel der Niederländer von Rang zwei zurück. Zwei Runden später kam auch an Hamilton an die Box.

Weil Mercedes mit gut vier Sekunden ebenfalls etwas länger brauchte, trafen die beiden WM-Kontrahenten in Kurve eins im Kampf um den Boxenstopp-bereinigten vierten Platz aufeinander.

Hamilton lag auf dem Weg zu Kurve eins vorne, Verstappen kam aber mit Überschuss und versuchte es außen. Für Kurve zwei der Schikane war der Red-Bull-Pilot dadurch aber nicht mehr gut positioniert, zumal Hamilton auf seiner Linie blieb.

Verstappen fuhr innen über den Abweiser und wurde schließlich in den Mercedes von Hamilton geworfen. Die beiden Autos verhakten sich, Verstappen stieg auf und flog quer über Hamilton. Der Red Bull kam auf dem Halo des Mercedes zum Stehen.

Für Verstappen und Hamilton war das Rennen damit beendet. Hamilton versuchte noch, zurückzusetzen, musste den Motor aber letztlich abstellen. Beide blieben bei dem Unfall unverletzt. Ohne Hamilton, der noch länger im Auto saß, eines Blickes zu würdigen, ging Verstappen zurück zur Box.

"Das passiert, wenn man keinen Platz lässt", funkte Verstappen nach dem Unfall noch aus dem Auto. Nachdem sich der erste Frust gelegt hatte, ordnete er die Szene ohne Schuldzuweisungen ein. "Was passiert ist, ist einfach sehr schade", erklärt er gegenüber Motorsport-Magazin.com. Für ihn war das Resultat des Duells eine Folge fehlenden Einsehens: "Es müssen immer zwei Menschen zusammenspielen."

Verstappen findet Kollision unnötig: Hamilton hätte mich bekommen

Verstappen war nach seinem verpatzten Boxenstopp sofort in den Kampf gegen Hamilton eingestiegen, dessen Verteidigung er als hart empfand. "Als er aus der Box kam hat er natürlich realisiert, dass es sehr eng wird. Nach der weißen Linie hat er beim Anbremsen nach links gezogen und ich musste bis an die grüne Fläche heranfahren", erklärt er.

Beim Einlenken in die erste Schikane rechnete er sich aber immer noch Chancen aus, die Position gewinnen zu können. "Ich hatte immer noch die Möglichkeit, zu kämpfen. Also bin ich außen herum gefahren. Er ist dann langsam immer weiter rübergekommen, bis ich keinen Platz mehr hatte", so der 23-Jährige.

Was dann passierte, war für ihn nicht mehr zu verhindern. "Ich musste dann natürlich über den Wurstkerb fahren. Leider haben wir uns beführt. Das ist leider sehr schade, denn ich glaube nicht, dass das nötig war", sagt er. Seiner Ansicht nach hätte Hamilton ihn nicht derart bedrängen müssen: "Er hätte mich am Ausgang der Kurve immer noch bekommen, weil die richtige Linie mit mehr Traktion in Turn zwei außen ist."

Verstappen dachte nicht ans Aufgeben

In der vierten Kurve nach dem Start hatte es eine erste heiße Szene zwischen den beiden Rivalen gegeben. In dieser wurde Verstappen außen von Hamilton attackiert. In der zweiten Schikane drückte der Red-Bull-Fahrer den Briten von der Strecke, der daraufhin die Lenkung aufmachte und über die Auslaufzone fuhr.

"Hinterher lässt sich leicht sagen, dass man diese Dinge hätte verhindern können", sagt er. Doch den Weg Hamiltons zog Verstappen gar nicht erst in Erwägung: "Ich wollte nicht gleich den einfachen Weg wählen und runterfahren, denn dann gerätst du in eine Situation, in der du vielleicht eine Strafe bekommst. Also habe ich ihm vertraut, weil ich kämpfen wollte."

Hamilton gibt Verstappen die Schuld

Sein Unfallgegner widerspricht ihm diesbezüglich vehement. "Es war exakt dasselbe Szenario wie in Kurve vier,. Als ich außen herum gefahren bin und in exakt derselben Position war, habe ich nachgegeben", sagt er am Mikrofon von Sky Sports F1. "Das ist Racing und er wollte heute einfach nicht nachgeben. Er wusste, was passieren würde, als er in die zweite Kurve fuhr. Er wusste, dass er über den Kerb fährt."

Mercedes-Teamchef Toto Wolff brachte beim ORF eine gewagte These ins Spiel. "Man könnte es als taktisches Foul sehen, mit der Voreingenommenheit, die wir anerkennen müssen, bei dem es darum geht, den anderen vom Punkte holen abzuhalten", so der Österreicher, der glaubt, dass Verstappen den Ausfall beider Autos mit Blick auf seine WM-Führung billigend in Kauf nahm.

Red Bull wertet Szene als Rennunfall

Bei Red Bull will man davon nichts wissen. "Ich glaube nicht, dass er in der Kurve an so etwas denkt. Er ist damit beschäftigt, das Auto vor ihm zu überholen und ich wäre enttäuscht, wenn Toto das wirklich gedacht hat", so Red-Bull-Teamchef Christian Horner. Er ordnet die Szene klar als Rennzwischenfall ein: "Ich habe das Gefühl, dass er [Hamilton] ihm [Verstappen] in Kurve zwei mehr Platz hätte geben können. Aber die andere Seite wird sicher das Gegenteil behaupten. Wenn man es objektiv betrachtet, war es ein Rennunfall."

Dr. Helmut Marko stimmte im Interview mit Motorsport-Magazin.com zu. "Keiner wollte nachgeben. Dadurch ist es ein Rennunfall. Man kann keinem Absicht unterstellen und auch das Endergebnis war von keinem gewollt", so der Grazer. Bei den WM-Herausfordern ist vor allem der Frust über den verkorksten Boxenstopp groß, der Verstappen überhaupt erst in diese Situation brachte.

"Wir hatten ein gutes Auto und wollten sie auf der Strecke schlagen", so Horner. Erst durch die Standzeit von über elf Sekunden beim Boxenstopp war Verstappen in die Fänge Hamiltons geraten. "Das hat beide in eine Situation gebracht, in der sie gegeneinander fahren mussten und dann wollen sie es natürlich wissen."

Verstappen sieht keine Fehde mit Hamilton

Nachdem Verstappen und Hamilton erst vor drei Rennen in Silverstone ihr erstes brisantes Aufeinandertreffen hatten, erwartet Horner in den ausstehenden Grands Prix noch weitere harte Duelle: "Es ist unausweichlich, dass beide dieses Jahr noch mehrfach enge Rennen gegeneinander fahren werden. Das ist Motorsport und sie kämpfen um den größten Titel, den es gibt."

Für Verstappen ändert aber auch die zweite Kollision nichts am Verhältnis zu seinem Gegner. "Alle bringen das mit Silverstone in Verbindung, aber das hatte nichts damit zu tun", sagt er. "Wir sind alle professionell genug, um weiterzumachen und gegeneinander Rennen zu fahren. Wir schauen nach vorne. Diese Dinge passieren in diesem Sport. Sie sind immer schon passiert und alle sind professionell genug, das hinter sich zu lassen."

Technik erklärt: Formel-1-Cockpitschutz Halo im Detail: (23:34 Min.)