Ein Schatten der jüngeren Vergangenheit hängt über dem Höhepunkt einer jeden Formel-1-Saison aus Sicht der Scuderia Ferrari. 2020 erlebten die Roten beim Italien-GP in Monza das größte Debakel eines grundsätzlich schon desaströsen Jahres. Im Qualifying belegten Charles Leclerc und Sebastian Vettel nur die Ränge 13 und 17, gerade so noch besser als Kunde Alfa Romeo. Im Rennen folgte ein Doppelausfall. Ausgerechnet vor heimischer Kulisse schied Vettel bereits nach sechs Runden mit Bremsversagen aus, noch vor Rennhalbzeit folgte Leclerc dem Deutschen mit einem Highspeed-Abflug in der Parabolica ins Aus.

Immerhin war diese Kulisse weit weniger vorhanden als üblich. Wegen der Corona-Pandemie blieben die Ränge mit Ausnahme medizinischen Personals leer. Ohne Tifosi war die Schmach deshalb zwar spürbar, aber weit weniger dramatisch. 2021 kehren die Fans zurück. Zumindest 50 Prozent Auslastung sind im Temple of Speed 2021 zugelassen, der Ticketverkauf lief allerdings schleppend. Gerade einmal 16.000 der 60.000 verfügbaren Karten wurden im Vorverkauf nachgefragt - und das trotz 2021 wieder weitaus besserer Ferrari-Form.

Carlos Sainz fassungslos: Tifosi-Support ist verrückt

Doch wird das in Monza gelten? Sonderlich viel rechnen sich Leclerc und Vettel-Nachfolger Carlos Sainz auch 2021 nicht aus. "Letztes Jahr war das hier wahrscheinlich das härteste Rennen", erinnert Sainz, damals selbst noch sensationeller Zweiter, allerdings bei McLaren. "Aber da habe ich gute Erinnerungen. Ich war ja schon als Ferrari-Fahrer bestätigt. Als ich mit McLaren hier war, konnte ich da schon eine andere Atmosphäre mit den Tifosi spüren", berichtet Sainz. "Denn sie wussten, dass ich komme und so habe ich schon zusätzliche Unterstützung gespürt."

Carlos Sainz stand 2020 in Monza auf dem Podium, Foto: LAT Images
Carlos Sainz stand 2020 in Monza auf dem Podium, Foto: LAT Images

Bei Ferrari angekommen sei das 2021 schon im Vorlauf des Rennens noch extremer geworden. Sainz: "Es ist verrückt. Gestern waren wir auf einem Event in Mailand und der Support, den du da als Ferrari-Fahrer erfährst, ist einfach verrückt. Ein anderes Wort fällt mir dafür nicht ein!"

Ferrari-Fahrer wissen: Monza wird auch 2021 schwer

Die Performance allerdings erwartet Sainz alles andere als derart positiv verrückt. "Ein paar der Schwächen des [2020er] Autos nehmen wir in dieses Jahr mit, denn das Auto konnte ja nicht so sehr geändert werden. Aber ich denke, das Auto sollte dieses Jahr schneller sein", sagt Sainz. "Wir haben ja schon ein paar Überraschungen gesehen. In Silverstone hatten wir Probleme erwartet und waren dann gut. Es wird schwierig, aber ich hoffe, die Tifosi geben die extra zehn Prozent, die dem Auto auf dieser Art von Strecke vielleicht fehlen!"

Sebastian Vettels Italien-GP 2020 endete mit einem kapitalen Bremsversagen schon in Runde sechs, Foto: LAT Images
Sebastian Vettels Italien-GP 2020 endete mit einem kapitalen Bremsversagen schon in Runde sechs, Foto: LAT Images

Insbesondere ein Defizit in Sachen Motorenleistung besteht im Heck des SF21 noch immer. Gerade in Monza wird Ferrari das schmerzlich zu spüren bekommen. Das weiß auch Charles Leclerc. "Es wird kein einfaches Wochenende für uns. Natürlich haben wir seit dem vergangenen Jahr Fortschritte gemacht, also sollte es zumindest verglichen mit vergangenem Jahr ein besseres Rennen werden. Auf dem Papier ist das für uns aber eine der schwierigsten Strecken. Aber wird versuchen alles zu geben", sagt der Monegasse. "Und wir haben das Sprint-Qualifying. Hoffentlich können wir daraus einen Vorteil ziehen und ein gutes Wochenende haben."

Sainz in Zandvoort plötzlich außer Form: Schlecht wie nie

Zumindest eine gewisse Schadensbegrenzung ist für Ferrari in Monza essenziell, will die Scuderia ihren gerade erst in Zandvoort gewonnen Vorsprung in der Konstrukteurswertung auf P3-Rivale McLaren nicht gleich wieder verspielen. Dem MCL35M kommt der Königliche Park im Gegensatz zum SF21 stark entgegen. Dafür braucht Ferrari allerdings nicht nur ein zumindest deutlich besseres Paket als im Vorjahr, sondern auch einen Sainz in Normalform. Die hatte der Spanier nach Augenhöhe mit Leclerc im Qualifying am Sonntag in Zandvoort plötzlich verloren.

30 Sekunden fehlten Sainz im Ziel plötzlich auf Leclerc. Gegen Rennende musste sich der Spanier sogar noch seinem Landsmann Fernando Alonso beugen. Eine Erklärung für die verschwundene Pace hatte Ferrari nicht. Sainz fürchtete bereits, selbst verantwortlich zu sein. "Es war vielleicht mein schwächstes Rennen als Ferrari. Ich war vom ersten Rennen an auf Pace, aber Zandvoort war ein klares Tief meiner Rennpace-Form, was normalerweise gerade meine Stärke ist", sagt Sainz.

Carlos Sainz erleichtert: Problem am Auto, nicht bei mir

Doch soll es nicht an ihm gelegen haben. "Wir haben ganz genau angeschaut, was da im Rennen los war und wir haben herausgefunden, dass das Auto nicht ganz bei 100 Prozent war. Wir haben potenzielles Problem gefunden", berichtet Sainz. Welches genau will der Spanier in Monza nicht verraten. "Das ist eine Sache, die Teams gerne geheim halten, wir wollen da keine Details über unser Auto verraten und was es beeinträchtigt", erklärt der Spanier.

Die Aufklärung habe ihm allerdings geholfen. "Es hat mich beruhigt, als ich wusste, was es war. Dadurch konnte ich auf Monza vorausblicken und nicht auf Zandvoort zurück", sagt Sainz.

Leclerc schwelgt in Erinnerungen: Monza-Sieg mit Ferrari

Teamkollege Leclerc blickt derweil sehr gerne zurück. Nicht nur auf ein starkes Wochenende in Zandvoort, sondern auch ein noch stärkeres Monza vor zwei Jahren. 2019 feierte Leclerc in Italien nach hartem Kampf mit Lewis Hamilton einen großen Heimsieg vor den Tifosi. "In Monza für Ferrari zu fahren, ist immer sehr, sehr speziell, aber auch für mich. Ich werde mich für immer daran erinnern, was vor zwei Jahren war - das war absolut irre", sagt Leclerc.

Charles Leclerc siegte 2019 vor zehntausenden Tifosi in Monza, Foto: LAT Images
Charles Leclerc siegte 2019 vor zehntausenden Tifosi in Monza, Foto: LAT Images

Auch in diesem Jahr spüre er bereits die Unterstützung. " Gestern waren wir in Mailand, den Tag zuvor in der Fabrik und wir können bereits spüren, wie sich die Unterstützung für das Rennen aufbaut", sagt Leclerc. "Und auch heute Morgen. Du verlässt das Hotel und schon warten da hunderte von Leuten auf dich und jubeln. Das ist einfach so schön und ganz besonders!"