Auf dem Papier scheint Williams beim Großen Preis der Niederlande erneut ein starkes Qualifying geliefert zu haben. Im Endergebnis taucht nicht nur George Russell mit P11 zumindest erneut am Rande der Top-10 auf, noch dazu - und vor allem - glänzte diesmal auch Nicholas Latifi etwas mehr als üblich. Zum erst dritten Mal in der Formel-1-Saison 2021 gelang dem Kanadier der Sprung ins Q2. Dort wurde Latifi Vierzehnter. Das erzählt jedoch nur die halbe Geschichte: Gleich beide Fahrer crashten sich in Q2 um potenziell noch bessere Resultate.

Erst erwischte es Russell. Der britische Überflieger übertrieb es bei seinem letzten Versuch, ins Q3 zu gelangen am Ende der Runde. In Kurve 13 brach Russell bei Highspeed das Heck seines FW43B aus, der Brite rauschte durchs Kiesbett und touchierte mit dem Heck die Streckenbegrenzung. Obwohl Russell sich zurück in die Box schleppen konnte, sorgte das für eine rote Flagge.

Zandvoort: George Russell crasht auf Q3-Kurs

"Ich habe bis zu meinem Maximum gepusht und war auf einer echt guten Runde, aber die Hinterreifen waren voll am Limit. Ich habe die letzte Kurve einfach zu hart in Angriff genommen und das Heck des Autos verloren", berichtet Russell von seinem Fehler. "Ich wusste, dass es eng werden würde, in Q3 zu kommen. Bis dahin war die Runde gut genug für die Top-10, also Entschuldigung ans Team, so wollte ich meine Qualifying-Session nicht beenden."

Glück im Unglück: Eine Strafe für einen Getriebewechsel muss Russell offenbar nicht fürchten. "Wir haben an der Hinterradaufhängung ein paar Beschädigungen, aber zum Glück ist das Getriebe in Ordnung", berichtet Russell.

Williams fürchtet in Zandvoort Getriebestrafe

Größere Sorgen machen muss sich Latifi. "Wir haben in Q2 natürlich an beiden Autos einige Schäden erlitten, die wir heute Abend bewerten müssen. Georges Auto sieht nicht so schlimm aus, aber der Schaden an Nicholas' ist beträchtlich", sagt Performance-Chef Dave Robson. "Es ist schade, dass im Q2 kein Auto eine repräsentative Rundenzeit erzielen konnte, da wir ein gutes Momentum aufgebaut haben."

Latifi flog nur kurz nach Wiederfreigabe der Session ab, noch heftiger als Russell. In Kurve acht hatte Latifi bei hoher Geschwindigkeit leicht das Gras berührt - genug für den nächsten Highspeed-Abflug. "Sobald ich Auto verloren hatte wusste ich, dass es ein großer Einschlag wird", berichtet Latifi, der so für den vorzeitigen Abbruch dieser Session sorgte. Latifi: "Ich wäre überrascht, wenn wir es [das Getriebe] nicht wechseln müssten - so hart, wie der Einschlag war ..."

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Williams-Feuerwerk in Q1

Das würde fünf Strafplätze in der Startaufstellung bedeuten und Latifi auf den vorletzten Rang zurückwerfen. Den Fehler bereut der Kanadier deshalb allerdings nicht. Immerhin hätte er jede Menge Risiko eingehen müssen, um sich zu verbessern, so Latifi.

Grund dafür war die Herangehensweise Williams' an das Qualifying. "Das Auto war heute besser als gestern und wir haben Pläne für unsere Runs gewählt, die es den Fahrer erlaubt haben, die Reifen perfekt vorzubereiten", sagt Robson. Im Q1 verfeuerte Williams gleich drei Sätze Soft. So zog vor allem Latifi - P5! - sensationell in Q2 ein.

"Q1 sah etwas besser als es war. Einfach wegen der Reifensätze, die wir benutzt haben", sagt Latifi. "Wir haben nicht erwartet, allzu konkurrenzfähig zu sein, deshalb haben wir das versucht", erklärt der Kanadier. Am Ende hätten es wohl auch zwei Sätze getan. Das hätte in Q2 geholfen. Dort stand Latifi nur ein Satz zur Verfügung. "Und als ich auf dem unterwegs war, kam auch noch die rote Flagge", ärgert sich Latifi.

Latifi geht volles Risiko: Unfall!

So konnte der Kanadier nur auf einem gebrauchten Satz herausfahren. Dennoch lief es gut. "Ich war schneller unterwegs als in Q1, was eine 1:10.0 war. Ich war auf Kurs für eine 9.9, aber andere hätten sich dann auch noch verbessert. Deshalb hatte ich nichts zu verlieren und habe für das Ende der Runde alles versucht", schildert Latifi. Zu viel. "Ich habe dann einfach meinen Einlenkpunkt in Kurve acht falsch eingeschätzt, das Gras berührt und ... ja."

Zumindest für den Versuch gibt es ein Lob von Robson: "George hat am Ende einer Runde, die gut genug für Q3 aussah, einen Fehler gemacht. Auch Nicholas hat sehr gut performt, er hatte ein exzellentes Q1 und hat George hart gepusht, bis er das Auto beim Überholen eines Mercedes verloren hat."

Latifi von Hamilton abgelenkt: Aber kein Vorwurf

Hamilton - auf einer langsamen Runde unterwegs - habe allerdings nichts falsch gemacht, betont Latifi. "Er hat mich auf jeden Fall etwas abgelenkt, aber er hat nichts falsch gemacht. An dieser Stelle der Strecke kannst du nichts machen. Er war an der richtigen Stelle und stand nicht im Weg. Aber wenn du so schnell in die Kurve gehst, guckst du kurz mal, wo sie [die langsameren Autos auf Out- oder Inlaps] genau sind und das beeinträchtigt deine Sicht und verändert ein bisschen, wie du dein Auto platzierst", schildert Latifi. "Aber mein Fehler."