Das Warten hat sich für die Formel 1 gelohnt. Über ein Jahr nach dem ursprünglich geplanten Comeback gingen die Fahrer der Königsklasse am Freitag zum ersten Mal seit 1985 wieder in Zandvoort auf die Rennstrecke. Die Dünenachterbahn an der niederländischen Nordseeküste übertraf sämtliche Erwartungen. Das klassische Layout mit den neuen Steilkurven kommt bei den Piloten maximal gut an. Die Atmosphäre durch Max Verstappens Fans macht den Traditionskurs zum Hexenkessel.

"Diese Rennstrecke ist episch", so Lewis Hamilton nach den Trainings. Der Weltmeister kam aufgrund eines Problems in der zweiten Session nur auf 19 Runden, doch die reichten, um bei ihm mächtig Eindruck zu schinden. Hamilton war zuletzt 2005 als Fahrer in der Formel 3 Euroserie im Circuit Park Zandvoort zu Gast - und auch siegreich - gewesen: "Es war wirklich fantastisch. Als ich das erste Mal herausgefahren bin, kamen so viele Erinnerungen hoch."

Als nach Verstappens Ankunft in der Formel 1 im Jahr 2015 erste Spekulationen über eine Rückkehr des Niederlande GP aufkamen, schien eine Rückkehr nach Zandvoort weit entfernt. Der Traditionskurs schien mit seinem Old-School-Layout alles andere als F1-tauglich. Doch die für den Grand Prix durchgeführten Modernisierungen samt Installation mehrerer Steilkurven holte den Kurs nicht nur zurück in den Kalender, sondern auch in die Herzen der Grand-Prix-Piloten.

"Ich wusste noch, dass es in der Formel 3 hier toll war, aber im Formel-1-Auto ist es einfach verrückt. Die Geschwindigkeit, die wir in Kurve sieben draufhaben - wow, das ist eine echte Rennstrecke", feiert Hamilton die 4.259 km lange Anlage. Einer seiner damaligen F3-Rivalen war ähnlich begeistert. Sebastian Vettel wurde 2005 im Sonntagsrennen hinter Hamilton Zweiter und zeigte sich erleichtert.

Vettel erleichtert: Zandvoort durch Steilkurven noch besser

"Sie haben nicht zu viel an der Rennstrecke verändert, was gut ist", so der viermalige Weltmeister. Die Überhöhungen in den Kurven 1, 3 und 14 machen das Erlebnis für ihn nur noch besser: "Die Teile, die sie verändert haben, haben sich zum Besseren verändert. Das Banking ist sehr aufregend. Wir sollten mehr davon haben."

In den Turns 3 und 13 ist die Überhöhung mit 18 bis 19 Grad sogar noch extremer als auf dem legendären Ovalkurs von Indianapolis. "Im TV sehen die Überhöhungen immer harmloser aus. Aber wenn du im Auto bist, in der Realität ist es jedes Mal noch beeindruckender", so AlphaTauri-Pilot Pierre Gasly. "Hier zu fahren, ist unglaublich. Ich genieße es wirklich sehr."

Formel 1: Vettel löscht, Hamilton schiebt! Drohen Strafen? (09:57 Min.)

Carlos Sainz fühlte sich durch die neue Herausforderung bestens unterhalten. "Ehrlich gesagt liebe ich es. Es war ein ganz anderer Freitag, diese neue Strecke zu lernen, mit Kurven wie wir sie nie zuvor erlebt haben", so der Ferrari-Pilot. "Mit der Ideallinie zu experimentieren, hat es einfach zu einem besonderen Freitag gemacht. Bei 22 Rennen in der Saison ist es schön, so etwas zu haben."

Fahrerstrecke Zandvoort kommt gut an

Die Rennstrecke mit dem Naturcharakter bringt neben jeder Menge Spaß auch die Extraportion Nervenkitzel mit sich, welche die Fahrer auf modernen Kursen oft vermissen. "Das ist super. Es herrscht richtig Rennatmosphäre - geil. Mit allen Herausforderungen, Schotter, Dreher, das ist Racing. Du gehst off, da ist kein Asphalt oder so, du wirst gleich bestraft", sagt Red-Bull-Berater Dr. Helmut Marko im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com.

"Es ist eine Fahrerstrecke. Schnell, fließend, du kannst keinen Fuß falsch setzen. Ich denke, das ist es, was wir alle von einer Rennstrecke sehen wollen", sagt Williams-Pilot George Russell. Kurve sieben ging laut seinem Landsmann Lando Norris schon im Training fast mit Vollgas. Die Piloten erreichen dabei eine Querbeschleunigung von über 5g.

Die Piloten kamen mit der Challenge am Freitag bestens zurecht. Einzig Nikita Mazepin sorgte für eine rote Flagge, nachdem er sich beim Einlenken in die langsame Kurve elf gedreht hatte und im Kiesbett steckengeblieben war. "Da hab ich es weggeworfen. Aber ich denke, manchmal muss das sein. Es ist ja auch schon eine Weile her, dass ich im Kiesbett war. Jetzt weiß ich, wie sich der niederländische Kies anfühlt", so der Russe über seinen Fauxpas.

Hamilton feiert Verstappens Fans

Was den Freitag in den Dünen ebenfalls von den anderen Freitagen im Jahr unterschied, war die Atmosphäre rund um die Rennstrecke. Zwar mussten die Streckenbetreiber aufgrund von Coronaverordnungen die Zuschauerzahl von 105.000 auf 70.000 pro Tag reduzieren, doch der Stimmung auf den Tribünen tat das keinen Abbruch. "Die Fans machen es echt aufregend, mit Musik, es fühlt sich wie ein Festival an und es war nur Freitag. Ich freue mich schon auf die kommenden Tage", so McLaren-Pilot Daniel Ricciardo.

"Es hat viel Spaß gemacht, all das Orange zu sehen und wie sie auf den Tribünen Spaß haben", sagt Max Verstappen. Der Nationalheld ist bei seinem Heimrennen ein gefragter Mann. "Man muss ihn isolieren, weil er sonst überhaupt keine freie Sekunde hat", sagt Marko, der den Hype um seinen Fahrer aber auch positiv sieht: "Das ist eine unglaubliche Anerkennung seiner sportlichen Leistungen. Damit musst du leben."

Mit der Pro-Verstappen-Stimmung leben muss auch Hamilton, der sich bei den Fans seines Rivalen in den vergangenen Monaten nicht sonderlich beliebt machte. Bei seinem Defekt im zweiten Training tobte die Menge, doch der Mercedes-Star nimmt es sportlich: "Es ist toll, so viele Menschen hier zu sehen, und dass sie gehypt sind. Ich freue mich über alle Fans des Sports. Alle hier haben eine toll Zeit. Und es ist einfach so, dass ich gegen ihren Fahrer antrete, also nehme ich mir das nicht zu Herzen."