Die Wundertüte Ferrari ist wieder da! Nach einem durchwachsenen Wochenende in Spa-Francorchamps schlägt die Scuderia zum Auftakt des Niederlande-GP mit maximaler Power zurück: Im Training auf dem Circuit Park Zandvoort sicherte sich Charles Leclerc mit der einzigen Zeit unter 1:11 Minuten die Tagesbestzeit, direkt vor Teamkollege Carlos Sainz. Zuvor hatte sich Ferrari schon im ersten Training mit den Plätzen drei und vier stark präsentiert.

Gelingt auf dem nur 4,3 Kilometer langen Dünenkurs ohne nennenswerte Geraden - Power ist weiterhin die große Schwäche Ferraris - also erneut ein rotes Wunder? Zur Erinnerung: In Monaco fuhr Leclerc sensationell auf Pole Position, in Aserbaidschan bestätigte der Monegasse dieses Kunststück wider Erwarten gleich noch einmal.

Leclerc hofft auf Sensation, Sainz erdet Ferrari

Kann Ferrari in Zandvoort erneut eine derartige Sensation liefern und die große Oranje-Party crashen? "Ich hoffe echt! Es ist eine Strecke, auf der Risiko dich belohnt", sagt Leclerc, bekannt für viel Mut zum Risiko. "Wir werden im Qualifying unser Bestes geben. Carlos und ich pushen uns jede Session gegenseitig, hoffentlich können wir im Qualifying davon profitieren."

Anders als Leclerc tritt der Spanier deutlich auf die Euphoriebremse. "Wir werden es auf jeden Fall versuchen! Aber ich würde hier kein Monaco erwarten", sagt Sainz. "Ich denke nicht, dass die Rundenzeiten alles sagen, aber wir sind ganz sicher wieder auf einer Strecke, auf der wir kämpfen können", bestätigt Sportdirektor Laurent Mekies. Sainz: "Wir scheinen auf Pace zu sein. Es ist auf jeden Fall besser als Spa. Ich denke aber, dass Mercedes und Red Bull noch immer schneller sind, vor allem wenn du die Longruns ansiehst."

Red Bull unbesorgt: Ferrari im Longrun gar nicht überzeugend

Bei den Dauerläufen kam Ferrari tatsächlich nicht einmal im Ansatz mit. Deshalb fürchtet sich auch die Konkurrenz nicht sonderlich vor einer roten Gefahr. "Im Longrun war das überhaupt nichts Überzeugendes", sagt Dr. Helmut Marko im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com. Auch im Qualifying-Trimm fürchtet der Berater Red Bulls Ferrari nicht. "Ich glaube, dass da freitags immer weniger Benzin drin ist als bei uns", erklärt Marko.

Noch dazu erwischte Verstappen im zweiten Training keine saubere Runde mit frischen Soft-Reifen. Erst kam eine rote Flagge wegen Lewis Hamiltons Defekt dazwischen, dann funkte ein Abflug Nikita Mazepins in den nächsten Versuch. "Du hast ja gesehen, dass die rote Flagge mittendrin es ihnen nicht erlaubt hat, eine Runde auf dem Soft zu anzuschreiben. Deshalb sehen wir vielleicht schneller aus", mahnt Sainz. Dennoch hätte es wegen der unterschiedlichen Spritmengen kaum gereicht, schätzt Marko.

Leclerc: Von Mercedes und Red Bull kommt noch was

Doch wie leicht war der SF21 wirklich? Leclercs Überraschung über den starken Auftakt legt nahe, dass zumindest der eine oder andere Liter Benzin noch im Tank gewesen sein dürfte. "Für den ersten Tag sind wir schon schnell", staunt der Monegasse, gesteht allerdings auch: "Bis jetzt alles gut, aber wir müssen weiterarbeiten. Ich bin sicher, dass die anderen morgen noch mehr Pace haben."

Grundsätzlich geht allerdings auch der Monegasse davon aus, dass von Mercedes und Red Bull noch mehr kommen wird. "Auf dem Papier sieht es besser aus als Spa. Wir sehen sehr gut aus. Ich bin aber recht sicher, dass die Top-Teams noch etwas mehr zeigen können. Aber verglichen mit unseren direkten Rivalen sehen wir gut aus", sagt Leclerc.

Ferrari lauert: Patzer der Top-Teams nutzen

Das gilt allerdings nur im Quali-Trimm. Auf den Longruns war Lando Norris schneller unterwegs. "Ich denke wir sind gut drauf. Aber ich denke, dass wir auch noch arbeiten müssen, denn mit viel Benzin sind wie nicht so schnell wie mit wenig. Daran müssen wir arbeiten", fordert Leclerc. Das entging auch Sainz nicht. "Lando war mit dem McLaren auch sehr schnell, deshalb erwarte ich wieder einen guten Kampf mit McLaren", sagt der Spanier. "Red Bull und Mercedes sind leider noch vorne, aber vielleicht wird es auf diesem Kurs zumindest enger als zuletzt. Im Longrun waren sie sowieso schneller, aber wir wollen gleich dahinter sein. "

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Dann sei Ferrari in der idealen Position, um abzustauben. "Wir wollen jede Gelegenheit nutzen, wenn sie Fehler machen", sagt Sainz. Perfekt aufgestellt sieht sich der Ferrari-Pilot dafür. Selbst in Turbulenzen zu geraten, fürchtet Sainz ohne äußere Einflüsse jedenfalls nicht: "Das Wichtigste war heute, dass das Auto gut funktioniert hat. Wir mussten kaum Setup-Änderungen vornehmen. Wir haben das Auto auf die Strecke gestellt und es hat funktioniert. Das ist immer positiv!"

Dabei verfolgte Ferrari einen radikalen Ansatz. "Wir haben viel Zeit damit verbracht, das Qualifying vorzubereiten. Denn hier kannst du nur sehr schwer überholen. Es ist fast unmöglich", erklärt Mekies - auch die schwachen Longruns. Ferrari setzt also voll und ganz auf Track Position. Mekies: "Deshalb arbeiten wir etwas mehr am Qualifying. Aber wir machen uns keine Illusionen, dass die Top-Leute morgen zurück sein werden." Das ist sogar wortlich zu nehmen: Lewis Hamilton verpasste wegen eines technischen Defekts nahezu das gesamte zweite Training.