Kimi Räikkönen lieferte über seine lange Formel-1-Karriere hinweg so manche faustdicke Überraschung. Punkte beim Debüt mit nur 23 Formel-Rennen Erfahrung, Feierabend auf der Yacht in Monaco, Formel-1-Ausstieg, Comeback, Ferrari-Wechsel, Hobbyfahrer bei Alfa Romeo und nicht zuletzt jede Menge völlig unberechenbare Sprüche am Funk und im Interview - bei Räikkönen gab es nichts, was es nicht gab.

Genau damit macht der Finne bis zuletzt weiter. Am Mittwochabend verkündete Räikkönen via Instagram urplötzlich sein Karriereende zum Ende der Saison 2021 und schien damit sogar sein eigenes Team auf dem falschen Fuß erwischt zu haben. Erst Stunden nach dem Post des Iceman zog Alfa Romeo mit einer Presseaussendung nach und drückte dem Finnen seinen Dank für unglaubliche gemeinsame Jahre voller Leidenschaft, Erfolgshunger und Arbeitseifer in zwei Stints aus.

Teamkollege an Kimi: Danke, Maestro!

Immerhin hatte Räikkönen schon 2001 für Sauber debütiert. Seit dem ersten Test in Fiorano bis zu den Debriefings letzter Woche habe der 41-Jährige immer diese Qualitäten bewiesen. "Und er war ein einzigartiger Charakter, immer ehrlich mit sich selbst - etwas, wofür ihn alle, die mit und für ihn gearbeitet haben, gemocht haben", schrieb das Sauber-Team und wünschte dem Finnen alles Gute.

Dem schlossen sich spätestens in der großen FIA-Pressekonferenz am Donnerstag in Zandvoort unzählige Fahrerkollegen des Altmeisters an. Teamkollege Antonio Giovinazzi äußerte sich als einer der ersten bereits am Mittwochabend. "Du hast der Geschichte der F1 Stempel aufgedrückt wie wenige andere", schrieb der Italiener via Twitter. "Ich werde immer dankbar sein, das Privileg gehabt zu haben, dein Teamkollege sein zu dürfen. Danke, Maestro."

Teamchef Frederic Vasseur charakterisierte Räikkönen wie später auch viele Fahrer. "Es gibt keinen anderen Fahrer da draußen wie Kimi Räikkönen", sagte der Franzose. "Seine Präsenz, sein Charisma und seine einzigartige Einstellung, gepaart mit den angeborenen Skills, die dieses Team dazu veranlasst haben, ihm 2001 eine Chance zu geben, haben ihn zu einer Legende unseres Sports gemacht, der Zahlen und Statistiken kaum gerecht werden können."

Häkkinen bewundert Räikkönen für langen Atem

Einige Zahlen können das zumindest ein wenig. Die wichtigsten stellte die Formel 1 selbst in einer Grafik zusammen. 341 Grands-Prix-Stars - mehr als jeder andere. 46 schnellste Rennrunden, geschlagen nur von Michael Schumacher und Lewis Hamilton. 103 Podien, die fünftmeisten der Geschichte, 21 Siege, 18 Poles und nicht zuletzt der WM-Titel 2007.

Vor allem die 341 Starts haben es Räikkönen-Vorgänger Mika Häkkinen bei McLaren angetan. "Ich bewundere Kimis Energie und die Stärke, mit der er in der Lage war, so eine lange Zeit in der F1 zu fahren", sagte der zweimalige Weltmeister finnischen Medien. "Die Tatsache, dass Kimi so lang weitergemacht hat, ist nicht nachvollziehbar. Das respektiere ich wirklich."

Bottas: Kimi ist eine Legende

Nach Häkkinen wurde Räikkönen damit zur nächsten großen F1-Legende Finnlands. "Er hatte eine beeindruckende und lange Karriere in der Formel 1. Er hatte auf mich als jungen Fahrer Einfluss, ich habe ihn immer verfolgt. Als er die WM für Ferrari gewonnen hat, war ich in der Formel Renault. Er ist ein großer Star in Finnland, eine Legende! Mit ihm ist es immer lustig und gut zu fahren. Er ist einer der Fahrer, mit dem du fährst, und bei dem du dich ziemlich komfortabel mit Rad-an-Rad fühlst", sagte Valtteri Bottas.

Diesem Punkt schloss sich einer der ersten großen Rivalen Räikkönens in der Formel 1 vollumfänglich an. "Als Wettbewerber werden wir ihn vermissen. Wir hatten in der Vergangenheit viele gute Duelle, haben um Meisterschaften und Podien gekämpft", sagte Fernando Alonso, 2005 und 2007 im Titelkampf mit Räikkönen. "Er war immer fair, hat dich immer respektiert. Ein harter Konkurrent, aber mit Oldschool-Fairness. Das werde ich an ihm vermissen. Du wusstest, dass du Kimi vertrauen kannst. Er hat nie jemanden gefährdet. Er hatte eine tolle Karriere und hat die Zeit hier genossen. Ich wünsche ihm für die Zukunft nur das Beste."

Menschlich vermag Alonso keine Meinung abzugeben. "Wir wissen ja, dass Kimi speziell und scheu ist. Er ha keine großen Beziehungen mit irgendwem. Ich war 2014 Kimis Teamkollege bei Ferrari, auch da hatten wir nicht Gelegenheit, uns besser kennenzulernen", erinnerte sich der Spanier.

Sebastian Vettel flachst: Werde die Ruhe vermissen

Mit dessen Nachfolger Sebastian Vettel pflegte Räikkönen sehr wohl eine engere Beziehung. Die beiden Wahlschweizer verstanden und verstehen sich ausgesprochen gut. "Ich wünsche ihm alles Gute, er war lange Zeit hier und ist ein unglaubliches Talent. Das aus erster Hand als Teamkollege zu sehen war beeindruckend. Den Speed, den er hat, vom Losfahren bei verschiedenen Bedingungen und unterschiedlichen Autos. Er hat seinen Platz hier verdient", sagte Vettel.

Was er vermissen werde? Lange Zeit herrschte Stille. Dann Vettel: "Genau das - die Ruhe!" Ein Scherz, den der Deutsche nicht zum ersten Mal brauchte. Daniel Ricciardo, gemeinsam mit Vettel in der PK, grübelt angesichts der Schweigsamkeit des Finnen noch heute, wie er Räikkönen einschätzen soll. "Nach 10 oder 11 Jahren mit Kimi in dem Sport: Weiß ich, wie ich mit Kimi stehe? Nicht wirklich!"

Russell & Schumacher erninnern an denkwürde FIA-Gala

Etwas mehr zu sagen hat da schon Mick Schumacher, obwohl noch keine Saison in der Formel 1. Zumindest blickt Mick zurück auf einen ganz besonderen Abend mit Räikkönen. Die FIA-Gala anno 2018. Räikkönen war damals als WM-Dritter der Formel 1 in Sankt Petersburg, Schumacher als Meister der Formel 3. "Ich erinnere mich an das erste Mal, als wir wirklich Zeit zusammen verbracht haben, das war bei der FIA-Gala in Sankt Petersburg. Und da hatten wir eine gute Zeit! Ich werde diese Momente vermissen", sagte Schumacher. "Schade, ich hatte mich darauf gefreut, ein weiteres Jahr mit ihm zu fahren Aber ich verstehe es. Er hat Familie. Aber traurig."

Die besagte FIA befördert auch bei einem weiteren jungen F1-Fahrer Erinnerungen zurück. George Russell, dort als Formel-2-Champion vor Ort, lernte den damals sichtlich betrunkenen Finnen besonderes nahe kennen. Wortwörtlich. Russell: "Mein erstes Gespräch mit Kimi endete damit, dass er bei der FIA-Gala 2018 meine Nippel gedreht hat!"

Ebenfalls dort dabei, aber mit ganz anderen Erinnerungen an Räikkönen: Weltmeister Lewis Hamilton. "Kimi war einer der besseren Fahrer. Er war hart, aber fair. Ich habe riesigen Respekt", sagte der Brite. "Ich erinnere mich, dass ich in Computerspielen immer in Kimis Auto war, bevor ich in die Formel 1 kam. Dann hatte ich die verrückte Erfahrung, gegen ihn zu fahren, eine Meisterschaft gegen ihn zu verlieren und dann noch viele tolle Kämpfe mit ihm zu haben. Er wird fehlen."

Hamilton: Bei PC-Spielen als Kimi gefahren

Eine ähnliche Erfahrung machten viele Fahrer im aktuellen Grid. Sie kannten Räikkönen aus Computerspielen oder aus TV-Übertragungen der Formel 1, dann fuhren sie plötzlich selbst gegen den Finnen. So etwa Pierre Gasly. "Meine ersten Erinnerungen an die Formel 1 sind aus 2002 und 2003 und da war Kimi schon da. Es ist ein großes Privileg, gegen ihn gefahren zu sein. So einen ikonischen Fahrer werden wir vermissen", sagte der Franzose. "Es gibt nur einen Kimi. Er ist einzigartig."

Einen ganz besonderen Blickwinkel auf den bis heute letzten Ferrari-Weltmeister lieferten zwei Wegbegleiter via Twitter. FIA-Präsident Jean Todt, zu Räikkönens Zeit bei Ferrari noch selbst verantwortlich bei der Scuderia: "Kimi, danke für alles, was du als Fahrer für die F1 getan hast. Ich habe es wirklich gemocht, in unseren Jahren bei Ferrari mit dir zu arbeiten. Du bist nicht nur ein großer Champion, sondern auch ein Beispiel für Loyalität und Integrität. Ich wünsche dir für die Zukunft alles Gute."

Rosberg erinnert an große Kimi-Geste

Nico Rosberg erinnerte unterdessen an ein besonderes Erlebnis mit Räikkönen: Als die Formel 1 personalisierte Startnummern einführte, wollte Räikkönen eigentlich mit der Sechs fahren - jene Nummer, mit der er 2007 Weltmeister geworden war. Doch Räikkönen wusste, dass auch Rosberg die Nummer nutzen wollte, weil Vater Keke damit ebenfalls seinen Titel einfuhr und verzichtete so freiwillig.

Das ist eine Geste, die ich niemals vergessen werden. Dank dir, Kimi. Eine absolute Legende unseres Sports", twitterte Rosberg, der 2016 mitunter aus demselben Grund zurücktrat wie fünf Jahre später nun auch Räikkönen: die Familie. Rosberg: " Alles Gute für das, was als nächstes kommt! Genieße die Zeit mit deiner Familie!"

An das große Herz des Finnen erinnerte auch die Formel 1 und postete eines von vielen berühmten Videos mit Kimi Räikkönen, als der Finne nach seinem Ausfall beim Spanien-GP 2017 persönlich einen seiner jüngsten Fans persönlich tröstete.