Lando Norris kam bei seinem schweren Crash im Formel-1-Qualifying in Spa-Francorchamps am Samstag glimpflich davon. Die Unfallstelle Eau Rouge sorgt nach dem Zwischenfall aber einmal mehr für Diskussionen. Durch den tödlichen Unfall von Formel-2-Pilot Anthoine Hubert im Jahr 2019 wurde die Sicherheitsdebatte neu entfacht. Pläne für einen Umbau der Auslaufzonen zur Saison 2022 existieren bereits. Das Fahrerlager unterstützt die Maßnahmen, doch die Liebe zum Nervenkitzel überwiegt.

"Das ist die Natur dieser Rennstrecke und deshalb ist sie etwas Besonderes", sagt Fernando Alonso. Der Alpine-Fahrer tritt dieses Jahr zum 18. Mal mit der Formel 1 in Spa-Francorchamps an. Die Pläne für die Versetzung der Barrieren befürwortet er, doch das eigentliche Problem der immer wieder auftretenden schweren Unfälle sieht er damit nicht behoben: "Mit veränderten Streckenbegrenzungen wirst du vielleicht ein paar Unfälle entschärfen, aber es ist immer noch eine Highspeed-Kurve."

Durch die angrenzende Vegetation gestaltet sich der Ausbau der Auslaufzonen im Streckenbereich Eau Rouge schwierig. Für Sainz ist dieser Zustand unbefriedigend. "Es ist offensichtlich, dass es mit dieser Kurve ein fundamentales Problem gibt. Erstens ist jeder Unfall sehr schwer und zweitens wirst du auf die Strecke zurückgeschleudert", erklärt der Ferrari-Pilot.

Regelmäßig schwere Unfälle in Eau Rouge

Im Falle von Lando Norris ging es auch glimpflich aus, weil im Q3 nur zehn Autos auf der 7,004 km langen Ardennenachterbahn unterwegs waren. In Rennsituationen werden verunfallte Autos allerdings regelmäßig vom nachfolgenden Verkehr torpediert. Beim 24-Stunden-Rennen der GT World Challenge Europe im Juli wurde der Lamborghini von Jack Aitken nach einem Unfall von mehreren Autos torpediert. Aitken brach sich einen Wirbel und das Schlüsselbein.

Vor zwei Jahren waren die Konsequenzen bei einer Massenkarambolage in der Formel 2 deutlich fataler, als der verunfallte Anthoine Hubert von Juan Manuel Correa getroffen wurde und verstarb. "Wie für alle anderen war es für mich auch sehr beängstigend, den Unfall an dieser Stelle zu sehen, wo ich vor zwei Jahren einen Freund verloren habe", sagt Huberts Jugendfreund Charles Leclerc mit Blick auf Norris' Crash.

Lewis Hamilton will keinen Umbau von Eau Rouge

"Wenn man sich in die Lage eines Fahrers versetzt, der bei einem Unfall dort verletzt wurde, oder in die eines Menschen, der dort jemanden verloren hat, ist es vielleicht nicht mehr angemessen", so Mercedes-Teamchef Toto Wolff über das Gefahrenpotential der Eau Rouge. Der ehemalige Rennfahrer versteht allerdings auch, weshalb die Piloten das Risiko bereitwillig in Kauf nehmen.

"Was Lando angeht: das war die Konsequenz davon, den Fuß auf dem Gas zu lassen, was wir von den Fahrern auch erwarten. Er hat Einsatz gezeigt und ist in der Streckenbegrenzung gelandet", so der Österreicher, der sich gut in die Lage hineinversetzen kann. 2009 verunfallte er selbst bei einem Rekordversuch auf der Nordschleife in der berüchtigten Fuchsröhre bei hoher Geschwindigkeit schwer. "Motorsport war immer schon so. Es ist sehr gefährlich, unabhängig von der Kurve. Das musst du wissen, bevor du ins Auto steigst."

Damit trifft Wolff den Nerv seines Fahrers Lewis Hamilton. Der Weltmeister hatte im Training bereits eine ungewohnte Bodenwelle in Eau Rouge bemerkt, die durch Ausbesserungsarbeiten in Folge der Überschwemmung im Juli entstanden war. Der Brite ist der Ansicht, dass dies das einzige Problem der Kurve ist: "Ich denke, sie sollten nur die Bodenwelle loswerden und Eau Rouge so lassen, wie sie ist. Aber sie machen sowieso, was sie wollen. Meiner Ansicht nach müssen sie kein Geld ausgeben."

Ricciardo hat genug von schweren Unfällen

Mit der Meinung steht Hamilton allerdings ziemlich alleine da. Für Daniel Ricciardo zerstört eine größere Auslaufzone den Charakter der legendären Passage nicht. "Ich glaube, die Kurve wird immer noch angsteinflößend und aufregend sein, wenn sie die Streckenbegrenzung ein paar Meter versetzen", so der Australier, dem die schweren Unfälle der vergangenen Jahre ein schlechtes Gefühl geben.

"So aufregend Eau Rouge ist, sie neigt zu schweren Unfällen, und das so ziemlich jedes Jahr. Das ist ein bisschen zu viel", erklärt der McLaren-Fahrer. Er glaubt, dass der Charakter der Kurve auch mit mehr Platz erhalten bleibt. "Es ändert unsere Herangehensweise und unser Risikomanagement nicht, nur weil wir besser geschützt sind. Eau Rouge wird immer dasselbe sein, solange sie keine Auslaufzone wie auf einem Flugplatz hat. Wenn sie den Scheitelpunkt der Kurve oder das eigentlich Layout verändern, hätte ich mehr Sorgen."

Die Sicherheitsstandards zu verbessern ist für Ricciardo außerdem eine wichtige Investition für die Rennstrecke von Spa-Francorchamps als Austragungsort im Formel-1-Kalender: "Wir wollen alle hierher zurückkehren und sie nicht aus dem Kalender verlieren. Wenn wir helfen können, dass sie ihren Platz behält, indem wir einige Bereiche anpassen, sollten wir das natürlich machen. Es ist eine mega Rennstrecke und wir brauchen diese Klassiker in der Formel 1."