Fast zwei Stunden hat das Qualifying zum Großen Preis von Belgien gedauert und sollte neben Max Verstappen schließlich einen großen Gewinner haben: Williams. George Russell durfte am Samstag zum dritten Mal am Q3 teilnehmen und zündete dort schließlich ein Feuerwerk. Mit einer 2:00.086 konnte sich der Brite kurze Zeit nach ganz vorne schieben - nur Verstappen war letztlich schneller. Damit war Russell noch vor Hamilton der schnellste Pilot, der mit einem Mercedes-Motor im Heck seine Runden dreht.

George Russell und Williams-Teamchef Jost Capito können das das Ergebnis kaum fassen. Das richtige Timing sei unter diesen Bedingungen der Schlüssel zum Erfolg gewesen. Zwar werde der Brite das morgige Rennen vor vielen schnellen Autos in Angriff nehmen, Russell sieht Punkte dennoch als Minimalziel. Nicholas Latifi startet von Position elf.

Jost Capito: 'Leute hätten gesagt, wir träumen'

Viele Jahre ist es her, als zuletzt ein Williams-Pilot aus der ersten Startreihe ins Rennen gehen durfte. Dass es diese Saison trotz einem vergleichsweise unterlegenen Auto in Spa-Francorchamps möglich wurde, hätten aber wohl die wenigsten erwartet: "Wir haben in Ungarn gepunktet und starten jetzt aus der ersten Reihe. Vor der Saison hätten die Leute gesagt, dass wir träumen. Das ist einfach ein Traum", zeigte sich Jost Capito unmittelbar nach dem Qualifying gegenüber 'Sky Sport F1' überglücklich.

Dabei war bereits die Generalprobe für das Qualifying vielversprechend. Das FP3 beendet Russell auf Position neun. Die erste Startreihe habe Russell aber trotzdem nicht erwartet: "Ich dachte mir, dass wenn es nass ist, dass das Q3 eine Möglichkeit ist. Ins Q3 zu kommen ist schon eine Errungenschaft für sich, wir hatten dann aber keine neuen Intermediates mehr, also waren wir auf gebrauchten Inters unterwegs. Ich hätte Position sieben, acht oder neun erwartet."

Wie Russell zudem festhält, habe er sich in seinem FW43B am heutigen Samstag einfach wohlgefühlt: "Ich hatte auf der nassen Strecke viel Vertrauen. Das ist ein Ort, den ich unter diesen Bedingungen genieße. In den Juniorkategorien fährst du viel auf deser Strecke und es ist meistens nass."

Das richtige Timing im Regen als entscheidender Umstand

Der Regen stellte auch heute den größten Faktor dar. Am Samstag änderten sich durchwegs die Streckenbedingungen. Nachdem am Ende des Q2 bereits eine trockenen Linie zu erkennen war, vielen vor Beginn der letzten Qualifying-Session nochmal viele Tropfen auf den Circuit de Spa-Francorchamps herab.

Schlüssel sei es daher gewesen, das richtige Timing und den passenden Reifensatz zu wählen. "Das war ein unglaublicher Aufwand vom ganzen Team. Es gibt so viele Dinge, die richtig laufen müssen. Es gibt so viele Details, um den Fahrer das richtige Vertrauen zu geben. Die Bedingungen waren schwierig und haben sich immer wieder verändert. Du musst dieses Vertrauen haben, um alles herausholen zu können", erklärt Russell.

Etwas, dass der Mannschaft aus Grove im Qualifying gut gelungen ist. Bereits im Q1 wagte es Williams, beide Boliden direkt auf Intermediates auf die Strecke zu schicken, während andere Teams die Session wesentlich konservativer in Angriff nahmen und Full Wets aufzogen. "Wir müssen viele Dinge besser machen als die anderen, weil unser Auto nicht das schnellste ist und auch nicht schneller werden wird", so Capito.

In der finalen Qualfiyngsession hieß es dann also 'Vollgas': "Im Q3 zu sein, hat mich in die Position gebracht, alle Chancen auf dem Tisch liegen zu haben. Ich habe dann einfach komplett danach gegriffen", blickt Russell zurück, der die Session zunächst ebenfalls mit den blauen Regenreifen bestritt. Da sich letzten Endes aber herausstellte, dass die Intermediates die schnelleren Reifen waren, blieben Russell mit diesen Reifen zum Schluss der Session nur wenige Versuche.

George Russell gratuliert Max Verstappen zur Pole Position, Foto: LAT Images
George Russell gratuliert Max Verstappen zur Pole Position, Foto: LAT Images

Obendrein zielte Williams im Q3 auf eine alles entscheidende letzte Runde ab. Ganz nach dem Motto 'Alles oder nichts'. "Es war auf der langen Strecke schwierig, weil du hast zwar den gleichen Motormodus, aber die Freigabe der Batterie ist ziemlich anders. Ich habe alles für die letzte Runde aufgespart", blickt der Williams-Pilot zurück.

Williams hofft auf Regenrennen

George Russell und Jost Capito bleiben trotz dieses starken Ergebnis auf dem Boden der Tatsachen. Dennoch gibt es in der Williams-Box Grund zum Optimismus, schließlich soll es auch am Sonntag im Rennen regnen. Das Wetter könnte Williams also erneut in die Karten spielen.

"Wir müssen realistisch bleiben. Wir starten aus der ersten Reihe. Es gibt keinen Grund, nicht zu versuchen, diese Position über die Mehrheit des Rennens zu halten. Ich denke aber nicht, dass wir mit den Autos um uns herum, die deutlich schneller sind als wir, irgendwas verrücktes machen werden. Warum sollten wir aber nicht in die Top-5 fahren? Punkte sind das absoluten Minimum", zeigt sich Russell kämpferisch.

Auch Jost Capito sieht seine Truppe im morgigen Rennen nicht chancenlos. "Ich glaube nicht, dass wir diese Position halten können, das Wetter schlägt morgen aber wieder Kapriolen und daher ist alles drinnen." Eine genaue Strategie hat der Teamchef aber noch nicht parat: "Natürlich haben wir noch keine Strategie für den Fall, da vorne wegzufahren. Das müssen wir uns also noch genauer ansehen."