Im September will Mercedes endlich entscheiden, wer ab 2022 im zweiten Cockpit neben Formel-1-Weltmeister Lewis Hamilton sitzen wird. Weiterhin Valtteri Bottas oder doch der aufstrebende Williams-Fahrer und Mercedes-Nachwuchsmann George Russell? Während für zahlreiche Experten im Fahrerlager ein Aufstieg des Briten überfällig ist, gibt es dennoch weiterhin Stimmen, die einen neuen Vertrag für Bottas als sinnvoller erachten.

So berichtete am Wochenende Bottas selbst, Lewis Hamilton höchstpersönlich wolle am liebsten mit ihm als Teamkollegen weitermachen. In der Vergangenheit hatte der Brite seinen Teamkollegen bereits mehrfach deutlich gelobt, fast schon für Bottas geworben.

Manager Häkkinen wirbt: Fakten sprechen für Bottas

Das Motiv Hamiltons erscheint offensichtlich: Bottas stellt für den siebenmaligen Champion den idealen Teamkollegen dar. Der Finne ist schnell genug, um ihn im WM-Kampf zu unterstützen, aber nicht zu schnell und zu konstant, um Hamilton selbst über eine ganze Saison hinweg zu fordern. Noch dazu läuft es mit Bottas harmonisch, die Beziehung zu Hamilton ist kein Vergleich zu den konfliktreichen Jahren mit Nico Rosberg.

Mit einem aufstrebenden Russell an der Seite Hamilton könnte das wieder anders aussehen. Darauf verweist nun auch der zweimalige Formel-1-Weltmeister Mika Häkkinen. Hamilton und Bottas - das sei als Fahrerduo nahe der Perfektion. "Wenn man sich die Fakten anschaut, die Ergebnisse in all den Jahren, in denen Valtteri zusammen mit Lewis für Mercedes gefahren ist, was das Team mit diesen zwei Fahrern erreicht hat - das kann man nicht schlagen, das ist unglaublich, das ist brillant", sagte Häkkinen im Interview mit RTL.

Häkkinen: Bottas wird zu viel kritisiert - viel zu viel

Zur Einordnung: Häkkinen ist in das Management seines Landsmanns involviert, führt mitunter zu diesem Zweck gemeinsam mit seinem ehemaligen Manager Didier Coton und Toto Wolff die Rennfahrer fördernde Firma 'Aces Management'.

Schon mehrfach hatte Häkkinen Bottas über den Klee gelobt. So auch jetzt. Ein brillanter Fahrer sei Bottas, so der ehemalige Rivale von Michael Schumacher. "Er wird viel zu viel kritisiert - viel zu viel", kritisierter Häkkinen die Kritiker. Mercedes-intern sehe das sowieso anders aus, glaubt der Finne. Häkkinen: "Teamintern bin ich sicher, sagen sie: Valtteri: Du bist ein fantastischer Rennfahrer."

Häkkinen an Russell: Talentiert und schnell zu sein, reicht nicht

Neben Hamilton zu fahren, sei noch dazu kein Kinderspiel, so Häkkinen. Das müsse man erst einmal lernen, so Häkkinen mit einem Gegenargument für eine Verpflichtung Russells. "Talentiert und schnell zu sein, reicht nicht. Die Erfahrung, die diese Leute haben, ist unglaublich. Das lernt man nicht im Internet oder aus Büchern", sagte der Weltmeister von 1998 und 99.

Deshalb empfiehlt Häkkinen - auch philosophisch - Mercedes schlicht keinerlei Anpassungen. "Wenn du eine Uhr hast, die läuft, mach sie nicht auf und versuche sie besser zu machen. Lass sie einfach laufen", argumentierte der 52-Jährige.

Völlig anders schätzt der sehr viel neutralere Ralf Schumacher die Lage ein. "Ich gehe fest davon aus, dass George Russell das nächste Jahr im Mercedes sitzen wird. Alles andere wäre für die Zukunft überhaupt nicht nachvollziehbar", sagte Schumacher bei Sport1. "Lewis ist 36, zwei, drei Jahre noch, dann wird der Käse gegessen sein. Er hat ja auch viele andere Möglichkeiten und Ideen, sei es Musik oder Mode. Mercedes muss sich auf die Zeit nach Lewis vorbereiten. Max Verstappen ist jetzt erstmal kein Thema mehr."

Ralf Schumacher sicher: Mercedes holt George Russell

Der Niederländer hatte sich vertraglich langfristig an Red Bull gebunden. Noch dazu erklärte Vater Jos Verstappen nach den Vorfällen in Silverstone - Mercedes feierte nach dem Rennen den Sieg Hamiltons, obwohl der zuvor Verstappen abgeschossen hatte - nun brauche sich Teamchef Toto Wolff nicht mehr bei ihm melden, um ein Cockpit anzubieten. Zuvor hatte es schon seit Jahren Gerüchte um dementsprechende Kontakte zwischen den Verstappens und Wolff gegeben.

Formel 1 2022, Fahrermarkt: Wer fährt für welches Team? (02:00:00)

Für Schumacher müsse Mercedes Russell allerdings nicht nur befördern, um den Briten aufzubauen. Der Nachwuchsstar könne Hamilton auch besser antreiben als Bottas. "Russell wird Lewis mehr Druck machen. Ich fand seinen Auftritt im Mercedes vergangenes Jahr in Bahrain schon unglaublich. George passte wegen seiner Größe gar nicht richtig ins Auto. Und obwohl er nicht in die Möhre passte, hätte er gewonnen, wenn das Team nicht den Fehler beim Boxenstopp gemacht hätte", sagte Schumacher. "Das war schon eine großartige Leistung."

In Bahrain hatte Russell Hamilton ersetzt, der sich mit dem Coronavirus infiziert hatte. Der starke Auftritt Russells sei auch Hamilton nicht entgangen. "Deshalb ist er in Abu Dhabi wieder ganz schnell zurückgekommen", sagte Schumacher. Das allerdings legt auch wieder die vielleicht einzige Befürchtung Mercedes' nahe: Gefährdet eine Verpflichtung Russells den teaminternen Frieden?