Das bevorstehende Ende der Sommerpause läutet ab dem Rennen in Spa-Francorchamps eine besonders spannende Zeit im Formel-1-Jahr ein. Ab September steht nicht nur die Entscheidung im WM-Kampf zwischen Lewis Hamilton und Max Verstappen an. Im Herbst geht auch die Transferphase in der Königsklasse in ihre heiße Phase - und die Silly Season ist für 2022 spannender als erwartet. Trotz der Wechselorgie im Vorjahr gibt es für die kommende Saison noch acht offene Cockpits.

Bei Mercedes wird mit Spannung der Showdown zwischen Valtteri Bottas und George Russell erwartet, welcher auf den Rest des Grids Auswirkungen haben wird. Alleine für Russells Nachfolge bei Williams kämen mehrere interessante Optionen in Frage. Ein Comeback von Nico Hülkenberg oder Formel-E-Champion Nyck de Vries als erster Aufsteiger aus der Elektroserie stehen zur Debatte. Und dann wäre da noch die Aktie Bottas, für die es in der F1 auch nach einem Mercedes-Aus sicher noch Bedarf gibt.

Red Bull rechnet mit baldiger Entscheidung: Perez soll bleiben

In Anbetracht der beiden für 2022 unbesetzten Cockpits bei Mercedes und Red Bull sind die Top-Teams natürlich einmal mehr das Zünglein an der Waage. Beide wollen mit der Entscheidung über den zweiten Fahrer neben ihren Nummer-eins-Piloten nicht allzu lange warten. Gegenüber Motorsport-Magazin.com kündigte Dr. Helmut Marko erst vor wenigen Tagen eine baldige Bestätigung für die Line-ups beider Red-Bull-Teams an.

"Wahrscheinlich nach Spa oder nach den ersten beiden Rennen der zweiten Saisonhälfte, wollen wir sowohl bei AlphaTauri als auch bei Red Bull Racing unsere Fahrer bekanntgeben", so der Grazer. Mit Sergio Perez wurde nach einer zweijährigen Odyssee mit Pierre Gasly und Alex Albon erst für 2021 ein neuer Partner für Teamleader Max Verstappen gefunden. Der Mexikaner lässt seine Stärken immer wieder aufblitzen, doch ganz rund lief es bisher nicht.

"Generell positiv" fällt Markos Fazit zur ersten Saisonhälfte mit dem Routinier aus. Doch wie seine Vorgänger scheint auch Perez die starke Pace von Verstappen Kopfzerbrechen zu bereiten: "Es kommt dann halt - ich würde nicht sagen das Max-Syndrom - aber Perez ist natürlich nicht zufrieden mit dem Rückstand, den er hat."

Im Qualifying beträgt der Rückstand auf Verstappen im Mittelwert 0,386 Sekunden. In den Rennen kann Perez seine erwiesenermaßen starke Longrun-Pace aufgrund des Qualifying-Defizits oft nicht wie von Fahrer und Team erhofft ausspielen. Angesichts des offensichtlichen Potentials plant Red Bull aber weiter mit ihm. "Die Intention ist da, mit den bestehenden vier Fahrern weiterzumachen", sagt Marko auch mit Blick auf AlphaTauri.

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Gasly als Teamleader bei AlphaTauri gesetzt

Dort würde sich mit Pierre Gasly die erste Alternative beinahe schon aufdrängen, sofern Perez sich am Ende doch nicht als perfekter Wingman erweist. Der Franzose rechnet selbst allerdings nicht mit einer Rückkehr ins Top-Team. "Ich denke, sie wollen bei AlphaTauri einen Teamleader der die Mannschaft antreibt und wirklich versucht, dieses Team nach vorne zu bringen", so Gasly.

Der 25-Jährige etablierte sich im Schwesterteam seit seiner Degradierung im Sommer 2019 als wichtiger Leistungsträger. Eine Fortsetzung dieser Erfolgsstory erscheint für Fahrer und Team die beste Lösung. Sein Teamkollege wird aller Voraussicht nach erneut Yuki Tsunoda heißen. Der Japaner fiel in seiner Rookiesaison zwar durch diverse Fehltritte auf, ließ aber auch sein Potential aufblitzen.

Alle Augen auf Mercedes: Russell oder Bottas 2022 neben Hamilton?

Deutlich heißer als Red Bull kocht die Gerüchteküche in diesem Jahr Mercedes auf. Kein Wunder, denn sowohl der Vertrag von Valtteri Bottas als auch der von George Russell mit Williams laufen mit der Saison 2021 aus. Schon nach den ersten Saisonrennen musste sich Mercedes-Teamchef Toto Wolff den bohrenden Fragen zum zukünftigen Hamilton-Stallgefährten stellen, lange bevor der Weltmeister Anfang Juli seinen Kontrakt um zwei Jahre verlängerte.

Seit dem neuen Deal für Hamilton blicken aber erst recht alle Augen auf den zweiten Mercedes-Fahrer 2022. Schockte Wolff das Fahrerlager im Juni noch mit einem Jux, als er eine Entscheidung erst für die Wintermonate in Aussicht stellte, sieht die Realität etwas anders aus. Ähnlich wie Red Bull wollen auch die Titelverteidiger möglichst früh für Stabilität sorgen und in den Sommermonaten das Line-up fixieren.

Hamilton brach in den vergangenen Monaten mehrfach eine Lanze für Bottas, der in der laufenden Saison mehrfach mit schweren Fehlern von sich reden machte. Dass der Finne für schwache Vorstellungen zunehmend unter Beschuss genommen wird, ist keine Überraschung. Spätestens nach seinem Auftritt als Hamilton-Ersatz 2020 beim Sakhir GP wollen viele Experten und Fans Russell mit WM-fähigem Material sehen.

Mercedes droht Russell zu verlieren

Doch der Druck der Öffentlichkeit ist nicht der Faktor, der Wolff Kopfzerbrechen bereitet. Viel mehr besteht die Gefahr, das Top-Talent an die Konkurrenz zu verlieren. Die Entscheidungsgewalt von Mercedes über die Karriere des Briten ist kein Selbstläufer. Red Bull macht kein Geheimnis daraus, dass ein Fahrer von Russells Kaliber eine interessante Option ist, die laut Marko im hauseigenen Kader der Österreicher längst im Top-Team fahren würde.

Realistisch ist eine Abwerbung durch den Erzrivalen aber nicht. "Seine Qualifying-Performances sind beeindruckend, aber der ist ein Mercedesmann", so der 78-Jährige, der ohnehin fest mit Russells Beförderung zu Mercedes rechnet: "Ich glaube, dass da eh schon alles gelaufen ist. Davon bin ich fest überzeugt", sagt er.

Da nicht nur Marko dieser Annahme ist, haben sich diverse Spekulationen zu Bottas' alternativer Zukunft entwickelt. In erster Linie scheint eine Rückkehr zu Williams eine Option, wo der Finne vor dem Wechsel zu Mercedes für vier Jahre zuhause war. Beim britischen Traditionsrennstall gibt es allerdings diverse andere attraktive Interessenten, die beim Neustart des 2020 vor der Pleite geretteten Teams dabei sein wollen.

Nico Hülkenberg jagt letzte Chance für Formel-1-Comeback

Nico Hülkenberg erklärte Mitte Juli im Interview mit der BILD, dass er nach einem Jahr Abstand mit der Formel 1 noch nicht abgeschlossen hat. "Ich bin überzeugt, dass ich da noch dazugehören kann und zwar nicht, weil ich mich zum Nullpreis anbiete, sondern die Performance stimmen würde", so der Emmericher, der auch gute Kontakte zu Alfa-Romeo-Teamchef Frederic Vasseur pflegt. Für das Nachwuchtsteam des Franzosen, ART Grand Prix, gewann Hülkenberg sowohl die Formel 3 Euroserie als auch die GP2 Serie.

Die Hinterbänkler-Teams wie Williams und Alfa Romeo sieht er als einzige Möglichkeit, zurückzukehren. "Ich denke, das kann sich jeder selber ausrechnen, wo was gehen könnte und ich mache mir auch keine Illusionen, dass bei den Top-Teams die Tür für mich zu ist", sagt er. Gleichzeitig soll es sein letzter Anlauf für ein F1-Cockpit sein: "Ich glaube, so realistisch muss ich sein. Wenn es jetzt nicht klappt, dann ist das Kapitel Formel 1 für mich abgeschlossen."

Nico Hülkenberg präsentierte sich 2020 als Ersatzfahrer in bestechender Form, Foto: LAT Images
Nico Hülkenberg präsentierte sich 2020 als Ersatzfahrer in bestechender Form, Foto: LAT Images

Talentierte Fahrer stehen bei Williams Schlange

Seine Konkurrenz im Kampf um die in Frage kommenden Plätze ist groß. Als heißer Williams-Kandidat gilt unter anderem Nyck de Vries, seines Zeichens Formel-2-Champion 2019 sowie amtierender Formel-E-Weltmeister. Der 26-jährige Niederländer wäre der erste Fahrer, dem in der siebenjährigen Geschichte der Elektrorennserie der Sprung in die Formel 1 gelingt. Durch seine Erfahrung als Simulatorfahrer bei Mercedes würde er zusätzliches Know-how mitbringen.

Ebenfalls in der Verlosung befinden sich sein Mercedes-Teamkollege aus der Formel E, Stoffel Vandoorne, sowie der ehemalige Red-Bull-Mann Daniil Kvyat. Beide haben wie Hülkenberg eine offene Rechnung mit der Formel 1 und wollen es noch einmal wissen. Bei der üppigen sowie vielversprechenden Auswahl ist es für Williams fast ärgerlich, dass für 2022 nur ein Cockpit frei ist.

Formel-E-Weltmeister Nyck de Vries bewies schon in der Formel 2 sein Formel-1-Format, Foto: LAT Images
Formel-E-Weltmeister Nyck de Vries bewies schon in der Formel 2 sein Formel-1-Format, Foto: LAT Images

Nicholas Latifi unterzeichnete im Sommer 2020 noch vor der Übernahme des Teams durch Dorilton Capital für zwei weitere Jahre. Der Paydriver aus Kanada hat unbestritten Fortschritte gemacht. Im direkten Vergleich zu Russell zeigt sich allerdings, dass er nicht das Format besitzt, Williams als Mann der Zukunft im Mittelfeld zu etablieren oder gar an die Spitze zu führen.

Dass seine Zeit in Grove aufgrund des neuen Investors hinter dem Team bald enden könnte, ließ Teamchef Jost Capito unlängst durchklingen. "Ich denke, wir sind bei Williams in einer Position, in der wir sicherlich selbst über unsere Fahrer entscheiden können und nicht wie in der Vergangenheit auf irgendwelche Fahrer angewiesen sind, die Geld mitbringen", so der Deutsche.

Formel 1 2022, Fahrermarkt: Wer fährt für welches Team? (02:00:00)

Bottas bei Alfa Romeo in der Pole Position?

In einer ähnlichen Ausgangslage befindet sich Alfa Romeo. Seit 2018 platzierte Sauber gemäß vertraglicher Vereinbarung einen Ferrari-Junior in einem seiner Autos. In Zukunft haben die Schweizer bei der Fahrerwahl für beide Cockpits wieder freie Hand. Glaubt man den Spekulationen der vergangenen Wochen, ist Bottas im Falle eines Mercedes-Aus bei Alfa Romeo in der Pole Position.

Dort ist die Zukunft von Kimi Räikkönen und Antonio Giovinazzi offen, die seit 2019 die Fahrerpaarung des Rennstalls bilden. Beim Iceman scheint sich langsam aber sicher das Karriereende abzuzeichnen. Giovinazzi hält sich einzig durch den direkten Vergleich zum abbauenden Teamkollegen im Spiel. Für viel mehr reicht es beim Italiener auch nicht, denn bisher hatte er bei Sauber nie das Material, um Ausrufezeichen zu setzen.

Giovinazzi vor Schumacher sicher

In der Leistungsgesellschaft der Formel 1 wächst der Druck auf den Ferrari-Mann ungeachtet dessen. Mit Callum Ilott und Robert Shwartzman gibt es zwei Ferrari-Junioren, die mittlerweile die Formel-1-Reife erreicht haben und eine Chance verdienen. Immerhin scheint Giovinazzi sicher davor zu sein, von Mick Schumacher ersetzt zu werden. Gerüchte über einen Wechsel des Deutschen zu Alfa Romeo hielten sich zuweilen hartnäckig.

Nachdem Nikita Mazepin seinen Kontrakt mit Haas für 2022 bereits unter Dach und Fach gebracht hatte, erklärte Günther Steiner noch vor der Sommerpause, dass auch die Verlängerung mit Schumacher lediglich Formsache sei. "Wir müssen noch ein paar Details klären, aber sonst ist alles klar. Es wird nicht lange dauern", so der Teamchef des US-amerikanischen Rennstalls.

Ähnlich wie Schumachers Bekanntgabe ist auch das letzte Fragezeichens im Grid nur eine Formalität. Als Sohn des Teambesitzers ist Lance Strolls Vertragssituation bei Aston Martin wie schon in den Vorjahren ein Selbstläufer. Es ist zu erwarten, dass der Kanadier in den kommenden Wochen wie gehabt in einem Nebensatz für 2022 bestätigt wird.

Formel 1 Fahrer und Teams: Alle aktuellen Verträge

TeamFahrerVertrag bis einschließlich
MercedesLewis Hamilton2023
Valtteri Bottas2021
Red BullMax Verstappen2023
Sergio Perez2021
McLarenLando Norrismindestens 2023
Daniel Ricciardo2023
Aston MartinSebastian Vettelmindestens 2022
Lance Stroll2021
AlpineFernando Alonso2022
Esteban Ocon2024
FerrariCharles Leclerc2024
Carlos Sainz2022
AlphaTauriPierre Gasly2021
Yuki Tsunoda2021
Alfa RomeoKimi Räikkönen2021
Antonio Giovinazzi2021
HaasNikita Mazepinmindestens 2022
Mick Schumachermindestens 2022
WilliamsGeorge Russell2021
Nicholas Latifi2022