Noch immer läuft die Sommerpause in der Formel 1. Neben den Halbzeitfazits von Motorsport-Magazin.com zur Bewertung der bisherigen Leistungen der zehn Teams und ihrer Fahrer, werfen wir zur Überbrückung der rennfreien Zeit immer wieder auch Schlaglichter auf einzelne, in der ersten Hälfte besonders auffällige Piloten und ihre spezielle Situation - etwa Daniel Ricciardos Eingewöhnungsprobleme bei McLaren oder Carlos Sainz' gegenteilig starker Einstand bei Ferrari.

Während diese beiden Phänomene wegen ihrer starken Ausprägung überraschten, verwunderte Mick Schumacher in seiner ersten Formel-1-Saison mit einem plötzlich weniger ausgeprägten, in seiner vorherigen Karriere eingefleischten Muster: Gleich in seinem ersten Jahr in einer neuen Rennserie schien es diesmal auf Anhieb besser zu laufen.

Mick Schumacher in der Formel 1 plötzlich schnell auf Pace?

Schneller Rückblick auf Schumachers Nachwuchskarriere: Sowohl in Formel 4, Formel 3 als auch Formel 2 reichte es für den Youngster im ersten Jahr nie für ein einstelliges Ergebnis im Endstand der Meisterschaft. In den jeweiligen Folgejahren fuhr Schumacher in der F4 zum Vize-Titel und in F3 und F2 sogar zum Meistertitel.

"Die Historie hat gezeigt, dass Mick ein ganz anderer Typ ist als zum Beispiel sein Vater", erinnert Motorsport-Magazin.com-Experte Christian Danner. "Michael Schumacher kam und hat die Welt aus den Angeln gehoben. Mick hangelt sich da hin. Er wird besser, schneller und sicherer. Und dann kam bisher immer der große Erfolg."

Schumacher hat Nikita Mazepin klar im Griff

2021 schien der Erfolg bislang allerdings schneller zu kommen. Schien, weil eine seriöse Bewertung der Leistung Schumachers zum Einstand schwerfällt. Schumachers Haas F1 Team entwickelte den Vorjahresboliden im Winter nicht weiter, liegt deutlich hinter allen anderen Teams zurück. Als einzige Messlatte dient somit Schumachers Teamkollege.

Vettel & Schumacher: Christian Danners Formel 1 Halbzeitbilanz (21:48 Min.)

Nikita Mazepin hat der Deutsche dabei fest im Griff. 9:2 steht es im Qualifying-Duell für Schumacher, beide Niederlagen erfolgten wegen verpasster Teilnahmen nach vorherigen Crashs im dritten Training (Monaco, Ungarn). Im Schnitt fährt Schumacher auf eine schnelle Runde fast eine halbe Sekunde schneller. Im Rennen fährt der Deutsche dem Russen in der Regel deutlich davon.

Messlatte Mazepin: Wie viel wert ist der teaminterne Sieg?

Die entscheidende Frage: Wie viel ist das wert? Oder auch: Wie gut oder schlecht ist Mazepin? Experten und Insider sind der Meinung: besser als sein Ruf. "Nikita Mazepin ist durchaus eine Messlatte", sagt Danner. "Man darf ihn nicht unterschätzen! Er hat sich in alten Formel-1-Autos von Mercedes vorbereitet und ist auch einen Test im aktuellen Auto gefahren. Die Ingenieure haben mir alle gesagt, dass er schon weiß, wie es geht. Der ist nicht langsam!" Auch Mick Schumachers Fahrercoach in der Nachwuchsakademie Ferraris sieht das so. Zuletzt gestand der erfahrene F1-Ingenieur Jock Clear, gerade zu Beginn des Jahres mit einigen Niederlagen gegen Mazepin gerechnet zu haben.

Das führte der Brite allerdings mehr auf Schumachers bislang immer längere Aufwärmphase in einer neuen Serie zurück. Doch es kam anders. "Ehrlich gesagt bin ich in diesem Jahr ziemlich beeindruckt von seinem Speed aus dem Stand", schwärmte Clear im Podcast 'Beyond The Grid'. Auch Günther Steiner staunt. "Wenn man die Zeiten ansieht, ist es verwunderlich, was man mit diesem Auto machen kann", sagt der Haas-Teamchef.

Schumacher selbstkritischer: Für eine Eins muss ich noch arbeiten

Schumacher selbst schließt sich den Lobeshymnen - zumindest auf seine Pace, in Sachen Fehlerquote gab sich Steiner zuletzt weitaus kritischer - nur bedingt an. Die Selbstbewertung seiner bisherigen Rookie-Saison fällt nur mäßig aus. "Ich glaube durchschnittlich", kommentiert Schumacher seine Leistungen in der ersten Saisonhälfte. "Ich bin nicht ganz zufrieden, wie die erste Hälfte gelaufen ist. Das gehört zu einem Rookie-Jahr aber irgendwie dazu. Meine Ambition ist natürlich, eine Eins im Schulnotensystem zu bekommen. Dafür muss ich aber noch arbeiten."

Mick Schumacher stellt Nikita Mazepin in den Schatten, Foto: LAT Images/Motorsport-Magazin.com
Mick Schumacher stellt Nikita Mazepin in den Schatten, Foto: LAT Images/Motorsport-Magazin.com

Eine diesmal zügigere Eingewöhnung spürt der Sohn von Formel-1-Rekordweltmeister Michael Schumacher allerdings durchaus auch selbst. "Ich glaube schon, dass ich mich wohl und auch recht schnell wohl gefühlt habe", sagt Schumacher. "Es hat mir natürlich geholfen, recht schnell recht gute Resultate einzufahren", ergänzt Schumacher mit Blick auf die zu Jahresbeginn noch vorzeigbarere Haas-Pace. Nach den ersten Läufen zog die Konkurrenz durch einige Entwicklungen bei Stillstand auf Seiten Haas' davon.

Schumacher: Formel 1 liegt mir vielleicht besser

Zurück führt Schumacher seinen vielleicht besser als erwarteten Einstand auch auf den Formel-1-Boliden als solchen. "Vielleicht liegt mir das Auto in gewisser Weise besser als der Formel 2 oder Formel 3", vermutet Schumacher. Dafür muss Schumacher nun plötzlich abgeschlagen ganz am Ende des Feldes herumfahren. Schumacher: "Aber das macht mir natürlich genauso viel Spaß - wenn nicht noch mehr!"

Noch ein Unterschied zu den Nachwuchsserien: Weitgehend gleiche Autos gibt es in der Formel 1 nicht mehr. Stattdessen verfügen die Fahrer in der Königsklasse über völlig anderes Material. "Es ist schwierig zu messen, weil nicht alle Autos gleich sind", kommentiert Schumacher deshalb seine eigenen Fortschritte. "Ich will mich weiterhin in allen Punkten verbessern", sagt Schumacher. Denn noch sei das ganz klar möglich. Potenzial geben es noch viel, so der 22-Jährige.

Schumacher sieht mehr Potenzial: Lernkurve noch steil

"Ich habe noch immer eine steile Lernkurve", sagt Schumacher. "Ich habe jetzt noch die zweite Saisonhälfte, da wird meine Lernkurve weitergehen und sich verbessern. Aber die Schritte werden kleiner, weil man alles maximiert." Die großen Themen, die Arbeitsweisen der Formel 1 kennenzulernen, das sei nun eben längst abgehandelt. "Deshalb war es Anfang des Jahres noch eine andere Herangehensweise", sagt Schumacher. "Grobkörniger. [...] jetzt versuchen wir, die Feinheiten abzuschleifen. Beim Setup, beim Fahrer, wie man da an alles herangeht."

Halbzeitfazit Haas: So schlagen sich Schumacher und Mazepin (09:32 Min.)

Dazu gehört auch Schumachers durchaus beachtliche Crash-Rate. In Imola krachte es im Rennen, in Monaco gleich zweimal im Training, in Frankreich im Qualifying und zuletzt in Ungarn wieder im Training. Nach diesem letzten Crash kritisierte Teamchef Steiner seinen Fahrer öffentlich. Schumacher müsse speziell in Sessions, in denen es um nichts gehe, weniger riskieren. Dafür seien die Unfallkosten zu hoch.

Schumacher verteidigt sich nach Crash-Kritik

Schumacher jedoch verteidigt seine Herangehensweise. "Mein mentaler Ansatz ist immer, mein Bestes zu geben. Wir sind jetzt etwas weg von allen anderen, deshalb muss ich hier und da die kleinen Dinge finden, um dann im Qualifying bereits zu sein", sagt Schumacher. In Ungarn habe er es dabei eben leider übertrieben. Doch Sinn gemacht habe sein Vorgehen grundsätzlich dennoch. "Ich hatte große Hoffnung, die Lücke zu schließen. Das Auto war im Fenster. Das Potenzial, näher an Williams zu sein war da."

Verständnis zeigt Ferrari-Teamchef Mattia Binotto. "Natürlich gibt es ein paar Fehler, aber die sind Teil des Lernprozesses. Insgesamt können wir aber zufrieden sein", sagt der Italiener über den berühmtesten Namen im Kader der Fahrerakademie Ferraris. "2021 ist für ihn ein wichtiges Jahr, um zu lernen. Er hat keinen Druck, aber wir müssen sicherstellen, dass er lernt. Wenn ich mir dieses Ziel vor Augen führe, dann macht Mick das seit Saisonstart gut. Er lernt, er macht Fortschritte. Wichtig ist für ihn jetzt, dass er sich in der zweiten Hälfte weiterentwickelt. Aber ich bin zuversichtlich, dass er das kann."

Ferrari lobt Entwicklung von Junior Schumacher

Was Schumacher dabei hilft, ist seine Arbeitsauffassung. Die adelte auch Steiner - trotz jüngster Crash-Kritik - schon mehrfach. "Seine Arbeitseinstellung und seine Arbeitsethik sind herausragend. Ich muss sagen, die ist sehr vorbildlich für einen jungen Mann", lobt Steiner. "Das ist gut für das ganze Team, denn wenn ein Fahrer so arbeitet, motiviert sich das Teams selbst auch hart zu arbeiten. Du musst in der Formel 1 intelligent sein, aber auch hart arbeiten. Wenn du nur eines von beiden hast, funktioniert hier gar nichts. Deswegen finde ich gut, dass er als Fahrer eine Führungsposition für das ganze Team einnimmt."

Eine noch ausführlichere Halbzeitbilanz zu Mick Schumachers Debütjahr lesen Sie in der nächsten Ausgabe des Printmagazins von Motorsport-Magazin.com, das ab dem 02.09.2021 im gut sortierten Zeitschriftenhandel zu finden ist. Wer nicht ganz so lang warten will oder vielleicht auch digital lesen möchte, dem sei unsere Abo-Seite wärmstens ans Herz gelegt: