Der Fahrerverschleiß an der Seite Max Verstappens bei Red Bull Racing war in den vergangenen Jahren groß. Daniel Ricciardo flüchtete noch selbst vor Red Bulls Wunderkind in Richtung Renault, danach setzten Pierre Gasly und Alexander Albon keinen Stich gegen den Niederländer. Speziell der Franzose zerbrach daran komplett und blühte erst nach einer Rolle rückwärts zu AlphaTauri wieder richtig auf. Albon lieferte 2020 trotz aller Chancen bis zum Saisonfinale nie die gewünschten und nötigen Ergebnisse für eine starke Nummer zwei.

Deshalb ersetzte Red Bull den Briten mit thailändischen Wurzeln durch Sergio Perez. Der Mexikaner hatte gerade trotz der Saison seines Lebens nach vielen Jahren sein Cockpit bei Racing Point verloren. Lawrence Stroll wollte für die Neuaufstellung des Teams als Aston Martin lieber einen Fahrer mit Prädikat Weltmeister in seinem Auto sehen und verpflichtete Sebastian Vettel.

Sergio Perez schon besser als Gasly und Albon

Parallel stellte sich für Perez die Welt auf den Kopf. Statt des bevorstehenden Karriereendes saß der Mexikaner dank der Red-Bull-Verpflichtung erstmals seit 2013 bei McLaren plötzlich im Auto eines Top-Teams. Damit nicht genug: 2021 sollte sich der RB16B noch dazu als bestes Auto überhaupt erweisen, schneller nach als der zuvor seit 2014 dominierende Mercedes. Mehr denn je brauchte Red Bull also genau das, was man in Perez sah. Endlich eine starke Nummer zwei.

Max Verstappen vs. Sergio Perez: Das teaminterne Duell bei Red Bull spricht noch immer eine deutliche Sprache, Foto: LAT Images/Motorsport-Magazin.com
Max Verstappen vs. Sergio Perez: Das teaminterne Duell bei Red Bull spricht noch immer eine deutliche Sprache, Foto: LAT Images/Motorsport-Magazin.com

Ist Perez diesen Erwartungen bislang gerecht geworden? Statistisch zieht der Mexikaner schon einmal besser aus als seine Vorgänger. Mit weniger als durchschnittlich vier Zehnteln Rückstand auf Verstappen hält sich die Differenz im Qualifying in Grenzen. Dennoch bereitet das zweitweise noch ähnliche Probleme wie mit Gasly und Albon. Weil das Mittelfeld, speziell Ferrari und McLaren, 2021 näher an die Spitze gerückt ist, bedeutet selbst der kleiner gewordene Rückstand auf Verstappen zeitweise eine deutlich schlechtere Startposition als den durchschnittlichen zweiten Platz des Niederländers.

Formel 1: Besseres Mittelfeld dämpft Perez-Stärke

Perez qualifiziert sich im regulären Qualifying im Schnitt auf Platz 5,64, muss sich im Rennen also in der Regel an ein bis zwei Autos aus dem Mittelfeld vorbeiarbeiten, ehe er Verstappen taktische Schützenhilfe im Kampf gegen Lewis Hamilton leisten kann. Oftmals ist der Zug an der Spitze bereits abgefahren, wenn Perez sich an Ferrari und Konsorten vorbeigearbeitet hat.

Die Tendenz spricht allerdings für den Mexikaner. Die Ergebnisse im Zeittraining wurden nach Anlaufschwierigkeiten zu Saisonbeginn - Ausnahme ein sensationeller zweiter Startplatz in Imola - zuletzt besser und stabiler (vgl. Diagramm). In der WM-Wertung liegt Perez mit 104 Punkten derweil zumindest auf Augenhöhe mit Mercedes' zweitem Fahrer Valtteri Bottas (108). Zweimal stand 'Checo' auf dem Podium. In Frankreich als Dritter, nur knapp hinter Hamilton, in Aserbaidschan sogar als Sieger.

Perez überzeugt: Pace besser als sie aussah

Perez selbst ist damit nicht vollends zufrieden. "Was das Gesamtbild angeht, wäre ich gerne größer. Was Punkte angeht, Siege und Podien", bilanziert der Mexikaner seine erste Saisonhälfte für Red Bull Racing. "Aber generell denke ich, dass ich sehr gut in das Team hineingewachsen bin. Die ersten paar Rennen, die ersten zehn Rennen, war es das Ziel, einander und das Auto kennenzulernen. Insgesamt waren einerseits die Ergebnisse nicht großartig, andererseits war die Pace besser als sie aussah", meint Perez. So argumentierten schon seine Vorgänger - bei allerdings schlechterer Realausbeute.

Oftmals fehlen schlicht nur kleinere Dinge an verschiedenen Stellen. "Wenn wir die finden können, kann sich das ganz plötzlich in Ergebnisse übertragen", sagt Perez. Der Mexikaner kämpft mitunter damit, das Wochenende vollständig zusammen zu bekommen und insbesondere zügig auf Pace zu kommen. Ein roter Faden, der sich in der Formel-1-Saison 2021 durch die Debütjahre verschiedener Fahrer zieht, die im Winter das Lager wechselten. Die nur dreitägigen Wintertestfahrten, die verkürzten Freitagstrainings und die ihren Teamkollegen schon bekannten, weil weitgehend homologierten Boliden, erschwer(t)en Sebastian Vettel, Daniel Ricciardo und Co das Leben.

Red-Bull-Konzept: Perez muss sich für Red Bull umstellen

Perez: "In der Hinsicht ist es echt gut, wir sind ein paar Punkte von P3 in der WM weg. Wir können also Positives mitnehmen. Aber wir sind erst zehn Rennen in der Saison, die nächsten zehn sind wichtiger, denke ich."

In der zweiten Saisonhälfte will Perez nun nämlich seine in der ersten Hälfte geleistete Aufbauarbeit und Eingewöhnungszeit in regelmäßig bessere Ergebnisse ummünzen. Insbesondere die speziellen Eigenarten des Red Bull im Vergleich zu seinem vorherigen Racing Point will Perez nun allmählich besser verstanden haben. "Es ist so ein anderes Auto und auch eine andere Philosophie mit dem High-Rake-Konzept. Da kann ich viel über das Auto lernen und kennenlernen", sagt Perez. Racing Point setzt anders als Red Bull auf einen flacheren Anstellwinkel.

Perez sieht Fortschritt, baut dennoch auf Umsturz 2022

Dieser Herausforderung nahm der Mexikaner allerdings an. "Das erweitert einfach dein Arbeitsfenster", sagt Perez. Einzig der Zeitfaktor sei eben ein Problem und sorge dafür, dass eine vollständige Eingewöhnung Zeit brauche. "Wir haben nur begrenzte Zeit und verschiedene Bedingungen über jede einzelne Session hinweg, da ist es schwer, das Auto zu erkunden, aber das gehört einfach dazu", sagt Perez. "Mit der Zeit werde ich mich mehr zuhause fühlen. Nächstes Jahr fängt sowieso wieder jeder von null an. Das bringt uns wieder alle in die gleiche Lage."

Bis dahin muss Perez allerdings noch eine Lösung für den kniffligen RB16B finden. "Wir wissen, dass es nicht leicht ist, dieses Auto komplett im Griff zu haben", erinnert Perez an die großen Probleme eines Gasly oder Albon. "Aber ich spüre ganz klar, dass ich das Auto verstehe und entdecke. Jetzt kann ich das Team immerhin schon in gewisse Richtungen leiten und spüre, was ich über das Wochenende hinweg will", ergänzt Perez.

'Max-Syndrom' auch bei Perez?

Steht dem Mexikaner dabei das typische Ego eines Formel-1-Fahrers im Weg? Immerhin verzweifelten schon seine Vorgänger daran, den Rückstand auf Verstappen nicht deutlich drücken zu können. Ähnliches, wenngleich weniger ausgeprägt, will Dr. Helmut Marko bereits beobachten haben. Generell, so der Grazer im Exklusivinterview mit Motorsport-Magazin.com, sei Perez' erste Saisonhälfte positiv gelaufen. "Aber dann kommt halt ... ich würde nicht sagen das Max-Syndrom, aber Perez ist natürlich auch nicht zufrieden mit dem Rückstand, den er hat", sagt Marko.

Marko Interview: 3 Mio. Schaden! Formel 1 muss Strafen ändern! (30:57 Min.)

Deshalb habe Perez den Versuch gestartet, eigene Wege zu beschreiten, statt die Vorgabe Verstappens zu übernehmen. So verfuhr Perez noch zu Saisonbeginn. Er müsse sich mehr anpassen, sagte der Mexikaner Anfang des Jahres noch. Mit etwas mehr Routine wagte Perez daraufhin eine eigene Marschrichtung. Für Marko nachvollziehbar, aber mit weniger als Erfolg als es Perez selbst darstellt. "Er versucht mit der Fahrzeugabstimmung eigene Wege zu gehen anstelle das zu nehmen, was Max verwendet, das zwar erprobt, aber fahrtechnisch wahrscheinlich nicht leicht ist", berichtet der Motorsportberater der Bullen.

Marko: Schnelles Auto anders abstimmen nicht gescheit

"Den Max stört es nicht, wenn das Auto übersteuert, auch bei sauschnellen Kurven. Aber alle unsere zweiten Fahrer haben damit Probleme. Das ist bei ihm [Perez] jetzt auch aufgetreten. Dann hat er es halt mit einer eigenen Fahrzeugabstimmung versucht und das ist nicht geglückt", schildert Marko. Ein wenig sei es gewesen wie bei Gasly. "Pierre war da extrem", erinnert sich der Österreicher. "Ich glaube, wenn man ein Auto mit einer schnellen Abstimmung hat, dann ist es nicht gescheit, sich technisch irgendwo in eine andere Richtung zu entwickeln."

Verzweifelt auch Sergio Perez an Ausnahmekönner Verstappen?, Foto: LAT Images
Verzweifelt auch Sergio Perez an Ausnahmekönner Verstappen?, Foto: LAT Images

Mit Perez zeigt sich Red Bull dennoch deutlich zufriedener. Der Dreher im Sprint von Silverstone sei Perez einziger echter Fehler gewesen, so Marko. "Das war ein völliges Desaster", bestätigt Perez. "Wenn es nicht das schlechteste Wochenende der Saison war, dann war es sehr nah dran." Ansonsten sei die Saison allerdings gut gelaufen. "Silverstone war ein Ausreißer", sagt Perez. Zuvor hatte sich der Mexikaner nach seinem bislang besten Qualifying des Jahres in Imola im Rennen gleich mehrere Fehltritte geleistet - das allerdings bei regnerischen Bedingungen.

Neuer Vertrag: Perez erwartet Formel-1-Zukunft bei Red Bull

Unter dem Strich ist Perez' Standing bei Red Bull Racing also klar besser als das seiner Vorgänger. Vielleicht am besten führt das eine bereits in Kürze erwartete Verlängerung seines Einjahresvertrags vor Augen. "Wir prüfen die ganzen Fakten und wahrscheinlich werden wir in Spa oder den beginnenden Rennen der zweiten Saisonhälfte sowohl bei AlphaTauri als auch Red Bull unsere Fahrer bekannt geben", berichtet Marko im MSM-Interview. Dabei beobachte man auch externe Piloten. "Aber die Intention ist, mit den eigenen Fahrern weiterzumachen", sagt Marko.

Perez selbst fühlt sich ohnehin sicher. "Ich bin in einer komfortablen Situation. Ich muss mich wegen meiner Zukunft um nichts sorgen", versichert der Mexikaner. Anders als 2020 müsse sein Management nicht sämtliche Optionen prüfen. Im Gegenteil. Perez: "Bis Belgien werde ich meine Zukunft kennen. Es gibt keinen Grund, mich woanders umzuschauen."