Die Formel 1 ist in der Sommerpause: Nach elf von 23 geplanten Rennen zieht Motorsport-Magazin.com ein erstes Fazit. Für Ferrari ein durchweg erfreuliches: Das Formtief ist überwunden, das Schiff wieder auf Kurs, und mit Neuzugang Carlos Sainz und Fixgröße Charles Leclerc führt die Scuderia vielleicht sogar das beste Duo ins Feld.

Ziel vs. Realität:
Ausgegeben wurde wenigstens eine Rückkehr an die Spitze des Mittelfeldes, nachdem Ferrari 2020 mit P6 die schlechteste Hersteller-Platzierung seit 1973 eingefahren hatte. Dass es nur ein halber Neustart werden würde, war klar - zu viele Beschränkungen limitierten die Entwicklung des Vorjahresautos, und der Design-Fokus liegt schon auf 2022. Bisher wurde der Fahrplan aber erfolgreich umgesetzt: Mit Leclerc und Sainz am Steuer optimiert das Rennteam seine Wochenendarbeit, alle Einsatzprozesse, und lernt Rennen für Rennen dazu. Alles Vorbereitung, um 2021 wieder um Siege zu kämpfen.

Entwicklung:
2018 war Ferrari schon an der Spitze angelangt. Der Motor-Eklat von 2019 erzwang dann eine neue Power Unit, und gepaart mit einem desolaten Chassis resultierte daraus das Desaster 2020. Dem Technik-Stab in Maranello ist es im Winter aber trotz starker Einschränkungen gelungen, den lahmenden SF1000 in den verlässlichen SF21 zu verwandeln. Es mutet wie das Optimum an, da man einige Problemstellen, vor allem an der Front, regelbedingt kaum angreifen konnte. Mit ein Beweis, dass das Team, das jetzt voll an 2022 arbeitet, durchaus die Fähigkeiten hat, das Comeback mit einem Siegerauto zu finalisieren.

Höhepunkt:
Überraschend boten sich Ferrari mehrere Siegchancen, die meisten durch Glück. Die Ausnahme war Monaco. Dort fuhren Leclerc und Sainz legitim auf Augenhöhe mit Max Verstappen, und Leclerc stellte den SF21 auf Pole - crashte dann aber im letzten Q3-Run, und als Spätfolge ging eine nicht getauschte Antriebswelle auf dem Weg in die Startaufstellung kaputt. Der Sieg wäre absolut realistisch gewesen. Sainz, im Qualifying nur knapp von Verstappen und Valtteri Bottas geschlagen, rettete die Ehre und brachte P2 knapp hinter Verstappen ins Ziel.

Tiefpunkt:
Frankreich zeigte grobe Probleme an der Vorderachse auf, als Leclerc und Sainz die Vorderreifen innerhalb weniger Runden auffraßen und sich auf P16 und P11 ins Ziel quälten. Der einzige Auftritt ohne Punkte trat eine Analyselawine los, und am Ende zeigten sich alle glücklich: Man habe die Probleme verstanden, auch wenn es der Entwicklungsstopp für 2021 nicht ermöglicht, sie zu lösen - aber man kann sie in Zukunft abschwächen. Und Teamchef Mattia Binotto sieht es als Beweis, dass die internen Prozesse jetzt bestens funktionieren.

Charles Leclerc:
Zwei opportunistische Poles und regelmäßige Auftritte als bester Nicht-Mercedes/Red Bull sprechen für seinen Ruf als einer der besten Qualifier im Feld, und auch im Rennen und beim Reifenmanagement zählt er mittlerweile zur Spitze. In Silverstone rettete er beinahe einen Sieg gegen Lewis Hamilton über die Linie. Aber die Alles-oder-Nichts-Mentalität des Vorjahres ist er noch immer nicht ganz los, und gelegentlich schleichen sich Unfälle ein. Die drücken die Note schließlich hinunter. Aber nicht weit.
Gesamtnote MSM-Fahrerranking: 2,29 (P4)

Das Teamduell Leclerc vs. Sainz nach dem Ungarn-GP, Foto: LAT Images/Motorsport-Magazin.com
Das Teamduell Leclerc vs. Sainz nach dem Ungarn-GP, Foto: LAT Images/Motorsport-Magazin.com

Carlos Sainz:
Selbstkritisch sieht er sich noch nicht auf dem Level, auf dem er im Vorjahr McLaren verlassen hat. Noch hat sich Sainz nicht perfekt ins Ferrari-Gefüge eingearbeitet, und tendiert dazu, an jedem Wochenende Schwächephasen zu durchleben. So unterliegt er Leclerc meist im direkten Duell, und Fehler sind häufiger. Was aber auffällt: Viel Zeit fehlt nie. Und nach Punkten führt er sogar, dank zweier Podien. Die Lücke kann er, wenn er sich in Ferrari vollends eingelebt hat, noch verkleinern. Und muss nicht unbedingt eine Nummer zwei sein.
Gesamtnote MSM-Fahrerranking: 2,4 (P5)

Ausblick:
Ferraris einziger Gegner heißt momentan McLaren, beide kämpfen um den dritten Platz in der Team-WM. McLaren zu biegen wäre erfreulich, und mit zwei Fahrern auf hohem Niveau hat Ferrari alle Chancen dazu, auch wenn das Team das nicht als Ziel nennen möchte. Wer sich aus dem Fenster lehnen will, könnte außerdem prognostizieren: An einem Punkt sind Leclerc oder Sainz endlich zur richtigen Zeit am richtigen Ort, um den Sensationssieg abzustauben. Ein zweites Monaco, wo Ferrari vom Start weg die Pace hat, dürfte keines mehr kommen, aber Leclercs Beinahe-Sieg in Silverstone zeigt: Das Paket braucht nur ein bisschen Glück. Das Können seiner Fahrer tut den Rest.