Multiples Drama für Alfa Romeo Racing beim Großen Preis von Ungarn 2021: Im Formel-1-Rennen auf dem Hungaroring ließ die Sauber-Truppe aus Hinwil in der Schweiz trotz eines chaotischen Grand Prix eine exzellente Chance auf viele Punkte liegen. Antonio Giovinazzi beraubte sich wegen einer zehn Sekunden Stop/Go-Strafe für eine extrem zu schnelle Boxendurchfahrt aller Möglichkeiten selbst, Kimi Räikkönen fiel wegen zehn Sekunden Zeitstrafe für eine Unsafe Release beim Boxenstopp im ersten Rennergebnis aus den Punkten.

Noch dazu erzielte Williams mit den Rängen acht und neun einen Big Point und zog in der WM-Wertung an Alfa vorbei. Damit nicht genug: Hat Sebastian Vettels nachträgliche Disqualifikation auch nach einem möglichen Protest Aston Martins Bestand, würde der elftplatzierte Räikkönen zwar in die Punkteränge nachrücken und zumindest noch einen WM-Zähler für 10 abstauben, Williams jedoch über Gebühr mehr gewinnen. P7 und P8 bringen insgesamt zehn Punkte, P8 und P9 'nur' sechs.

Kimi Räikkönen fassungslos: Jedes Mal, wenn es Chancen gibt ...

"Also sind wir wieder am A....", funkte Räikkönen bereits während des Rennens. Gerade hatte ihn Renningenieur Julien Simon-Chautemps vor seinem Boxenstopp in Runde 16 über die Zeitstrafe von zehn Sekunden für die Unsafe Release zwölf Runden zuvor informiert. Räikkönen: "Jedes Mal, wenn wir eine Chance haben, fällt verdammt noch mal etwas vor."

Klar war Räikkönen die Strafe zu diesem Zeitpunkt ohnehin schon. Genauer gesagt wusste der Routinier bereits unmittelbar nach der Berührung mit Nikita Mazepin in der Boxengasse, was ihm dafür blühen wird. "Ich glaube wir waren zu diesem Zeitpunkt Achter und ich wusste sofort, dass wir eine Strafe bekommen würden. Das passiert eben, wenn du zum falschen Zeitpunkt freigegeben wirst. Ab diesem Punkt war das Rennen erledigt. Da hätten wir schlauer sein müssen", ärgerte sich der Finne.

Formel 1: Räikkönen in Ungarn auf Punktekurs

Die Szene ereignete sich in der Runde unmittelbar vor dem Re-Start als 14 der 15 noch im Rennen verbliebenen Fahrer die Boxengasse zum Wechsel von Intermediates auf Slicks ansteuerten. Zu diesem Zeitpunkt lag Räikkönen, nach seinem mit P13 bis dato besten Ergebnis des Jahres im regulären Qualifying und dem Chaos am Start auf P9, nach dem Re-Start wurde daraus P8. Eine Runde nach dem Re-Start wurde daraus P8 - Lewis Hamilton hatte seinen Reifenwechsel nachholen müssen.

Zuvor war der Finne einer von vielen Profiteuren der beiden Startunfällen in Kurve eins gewesen. "Die erste Kurve war natürlich hektisch, ich musste fast stehen bleiben, um den Autos auszuweichen", berichtete Räikkönen. Zu diesem Zeitpunkt habe das Rennen 'okay' ausgesehen. Doch dann begann das Drama. "Dann haben sich alle entschieden, Reifen zu wechseln und sie haben mich freigegeben, aber offensichtlich kam da noch ein weiteres Auto und das war es dann", schilderte Räikkönen.

Alfa Romeos Verkehrswarnsystem defekt: Ampel spielt verrückt

Den Finnen selbst traf keine Schuld. "Wenn das Licht grün wird, fahren wir. Wir schauen nicht, ich weiß also nicht, was passiert ist. Es ist schade, wir lagen in einer guten Position", sagte der Finne. Das bestätigen die Onboard-Aufnahmen. Als Räikkönen nach dem Reifenwechsel anfuhr, zeigte die Ampel grünes Licht. Doch das war ein trügerisches grünes Licht, wie Alfa Romeos leitender Ingenieur an der Strecke verriet.

"Während seines Boxenstopps, bei dem alle gleichzeitig reingekommen sind, hatten wir ein Problem mit unserem Verkehrssystem und so fuhr er unglücklicherweise los als Mazepin kam", berichtete Xevi Pujolar. "Es hat einfach Grün-Rot-Grün gezeigt. Es war grün für ihn, aber eigentlich hätte es rot bleiben sollen. Das System hat also nicht richtig funktioniert." Das deckt sich mit den Onboard-Aufnahmen. Nach dem Anfahren wechseln die Lichter einfach munter hin und her. Eine Irritation wegen der überfüllten Boxengasse? Nähere Angaben machte Alfa Romeo nicht. Um eine Wiederholung zu vermeiden, läuft bereits eine Analyse.

Formel 1 verschärft Boxenstopp-Regeln

Bereits beim kommenden Belgien-GP gelten in der Formel 1 ohnehin verschärfte Boxenstoppregeln, um eine bessere Sicherheit zu gewährleisten. Diese beinhalten neben Anpassungen für den Reifenwechsel auch auf Reaktionszeiten bei der Freigabe des Fahrzeugs. Wenn das Auto von den Wagenhebern gelassen wurde, müssen mindestens 0,1 Sekunden vergehen, ehe die Ampel auf Grün springen darf. Eigentlich hatte die Anpassung schon in Ungarn gelten sollen - mit sogar 0,2 Sekunden. Die FIA räumte den Teams wegen der komplexen Technik allerdings zusätzliche Zeit ein, um ihre Abläufe und Systeme anzupassen.

Für Räikkönen kam all das zu spät. Zehn Sekunden Stillstand wegen der Strafe, noch dazu klemmte danach vorne links das Rad. Immerhin sein C41 hatte den Kontakt mit Mazepin ohne große Blessuren überstanden. "Es hätte sich nur etwas besser anfühlen sollen, aber ich habe das Auto noch nicht angesehen", berichtete der Finne. "Aber das spielt sowieso keine Rolle. Wir waren sowieso nicht mehr auf unserer Position. Ohne die zehn Sekunden Strafe hätten wir eine gute Chance gehabt, jede Menge Punkte zu holen. Aber wir haben sie vergeben", haderte Räikkönen.

Nikita Mazepin frustriert: Durch Alfa-Fehler ausgeschieden

Noch weitaus härter traf es den Leidtragenden der Szene. Nikita Mazepin schied mit einer gebrochenen rechten Vorderradaufhängung an Ort und Stelle aus. Schon zuvor war der Russe nicht vom Glück gesegnet. Im Trümmerfeld der ersten Runde hatte sich Mazepin einen Plattfuß eingehandelt. "Es ist einfach richtig nervig", schimpfte Mazepin. "In diesem Rennen wollte ich unbedingt sein. Nicht nur [als Lehre] für mich, sondern auch, weil dieses Rennen jede Menge Gelegenheiten bot und mein Team diese Gelegenheiten wirklich braucht. Es ist einfach unglücklich, wenn andere Teams Fehler machen ..."

Er selbst habe nichts tun können, um Räikkönen zu vermeiden. Vor ihm blockierte noch Teamkollege Mick Schumacher den Standplatz für den Stopp. "Ich darf nicht in der Boxengasse bleiben und Leute aufhalten, also musste ich irgendwo hin, ich wollte in meine Box und konnte nicht mehr später einlenken und dann kam schon der Alfa einfach raus und hat meinen Reifen erwischt", sagte Mazepin.

Antonio Giovinazzi in Boxengasse 25,6 km/h zu schnell

Während Räikkönen das Rennen danach zumindest noch auf dem elften Platz beendete, lief es für Teamkollege Antonio Giovinazzi noch schlechter. Der Italiener war allerdings selbst verantwortlich. Giovinazzi fuhr schlicht mit stark erhöhter Geschwindigkeit durch die Boxengasse und wurde mit 105,6 km/h statt der erlaubten 80 Stundenkilometer erwischt. Dafür setzte es eine zehn Sekunden Stop/Go-Strafe. Anders als Räikkönen durfte Alfa bei dieser Strafe also nicht im direkten Anschluss zumindest Reifen wechseln. Dafür musste Giovinazzi die Boxengasse ein weiteres Mal ansteuern, was den 27-Jährigen auf den letzten Platz spülte. Einmal dort angekommen sollte es auf dem überholfeindlichen Hungaroring auch dabei bleiben.

Formel 1 Chaos in Ungarn: Disqualifiziert: Vettel verliert P2! (43:43 Min.)

In der WM-Wertung liegt Alfa Romeo mit drei Punkten nun sieben hinter Williams (10) und weiterhin drei vor dem noch punktlosen Haas. Nimmt die FIA Sebastian Vettels Disqualifikation noch zurück, reduziert sich der Rückstand von sieben auf vier Punkte. Bei der bisherigen Ausbeute Alfa Romeos in der ersten Saisonhälfte ein fast schon uneinholbarer Rückstand - es sei denn das nächste Chaosrennen spielt dann doch einmal dem selbsternannten Pechvogel Räikkönen in die Karten.