Red Bull hat eine Woche nach dem schweren Unfall von Max Verstappen beim Formel-1-Rennen in Silverstone noch lange nicht mit der Angelegenheit abgeschlossen. Teamchef Christian Horner liegt das Verhalten von Weltmeister Lewis Hamilton und dessen Mercedes-Teamchef Toto Wolff immer noch schwer im Magen. Darüber hinaus fiel der durch den Highspeed-Crash erlittene Sachschaden bei den Österreichern deutlich höher aus als zuvor angenommen.

"Es ist kein Geheimnis, dass wir das Gefühl hatten und immer noch haben, dass Hamilton für diese Art von Unfall eine schwache Strafe gegeben wurde", so Horner. Red-Bull-Berater Dr. Helmut Marko hatte am vergangenen Rennsonntag sogar eine Sperre für den siebenfachen Weltmeister gefordert. Eine härtere Sanktion zu erreichen, ist nach wie vor das Ziel.

"Angesichts der Schwere des Unfalls und der milde der Strafe überprüfen wir alle Daten und haben das Recht, eine Überprüfung anzufordern. Wir schauen uns alle Beweise an und ziehen alle unsere sportlichen Optionen in Erwägung", sagt Horner. Das Unfallchassis des RB16B von Verstappen wurde in Milton Keynes mittlerweile umfangreich begutachtet.

Die zuvor von Marko geschätzte Schadenssumme von 750.000 Euro wurde deutlich übertroffen. "Ein weiterer erheblicher Faktor ist der Faktor Budgetobergrenze in dieser Sache. Der Crash hat uns rund 1,8 Millionen US-Dollar [1,5 Millionen Euro] gekostet. Ein Unfall wie dieser hat in Zeiten der Budgetobergrenze massive Auswirkungen", klagt Horner.

Red-Bull-Teamchef von Mercedes enttäuscht

Was dem Briten ebenfalls schwer im Magen liegt, ist die Art und Weise, wie die Rivalen von Mercedes nach dem Unfall reagiert haben. Während Verstappen nach seinem Einschlag mit 51g im Krankenhaus untersucht wurde, ließ sich Hamilton für seinen Sieg vom heimischen Publikum überschwänglich feiern.

"Ich bin immer noch enttäuscht von dem Ausmaß an Feierlichkeiten, die im Zuge dieses Zwischenfalls abgehalten wurden", so Horner. "Das Mercedes-Team war sich der Schwere des Unfalls bewusst, nachdem klar war, dass Max ins Krankenhaus musste und weitere Untersuchungen notwendig waren."

Hamilton beendete mit seinem vierten Sieg in dieser Saison eine fünf Rennen lange Durststrecke. Er wehrte sich gegen Vorwürfe Horners, dass sein Sieg durch den Unfall mit Verstappen wertlos sei. Mercedes-Teamchef Toto Wolff ließ sich die Freude über den Triumph ebenfalls nicht verderben.

"Es ist unvorstellbar, seinen Fahrer nicht über diese Situation zu informieren, oder viel mehr deinen Fahrer davor zu bewahren, dass er beim Feiern nicht die nötige Zurückhaltung an den Tag legt, besonders wenn es die Konsequenz eines Zwischenfalls war, für den er bestraft wurde", kritisiert Horner vor allem das Team, das Hamiltons Partylaune keinen Riegel vorschob.

Horner verteidigt emotionale Reaktion von Red Bull

Red Bull schoss unmittelbar nach den unschönen Ereignissen in Silverstone aufs Schärfste gegen Mercedes, woraufhin Hamilton die Situation als emotional aufgeladen abtat. Wolff wiederum nahm die aus dem Ruder gelaufenen Schimpftiraden zum Anlass, zurückzuschießen. "Aus Sicht eines Konkurrenten kannst du verstehen, dass die Situation sie aufgebracht hat. Nichtsdestotrotz wurde eine Sprache benutzt, die es sehr persönlich gemacht hat", sagte der Österreicher.

Horner wehrt sich allerdings auch dagegen. "Ich möchte gerne eines klarstellen. Es war ein Zwischenfall auf der Rennstrecke, zwischen zwei der besten Rennfahrer auf der Welt. Zum damaligen Zeitpunkt, wenn du einen Fahrer im Krankenhaus hast und das Ausmaß der Verletzungen noch nicht klar ist, dein Auto schrottreif ist und die Stewards den verantwortlichen Fahrer bestraft haben, ist es normal, dass Emotionen im Spiel sind", rechtfertigt er die Reaktion seines Teams.

Horner tadelt Hamilton: Argumentation nicht gerechtfertigt

Darüber hinaus stört ihn auch weiterhin die Argumentation Hamiltons, der Verstappen für dessen Aggressivität kritisierte. "Die Wortwahl, dass Max übertrieben aggressiv war, fand ich an diesem Punkt nicht gerechtfertigt", so Horner. "Man muss sich nur einmal anschauen, dass Max null Strafpunkte auf seiner Lizenz hat und in den vergangenen Jahren nicht für Fehler auf der Rennstrecke für schuldig befunden wurde."

Dass der amtierende Weltmeister den Stil seines Herausforderers in Frage stellt, ist für Horner ein klares Zeichen: "Die Realität ist, dass Hamilton auf jemanden gestoßen ist, der ihm das Wasser reichen kann und jetzt in einem konkurrenzfähigen Auto sitzt. Ich stimme zu, dass beide Fahrer sich mit Respekt gegenüberstehen sollten. Aber Hamilton war an diesem Sonntag der Aggressor."