Lewis Hamiltons Sieg beim Großen Preis in Silverstone sorgt weiter für Diskussionen. Obwohl Hamilton Max Verstappen abschoss und dafür auch bestraft wurde, konnte er das Rennen fortsetzten. Allerdings nur dank der roten Flagge.

Hamilton: Unterbrechung rettet Rennen

Denn, wie Mercedes-Ingenieur Andrew Shovlin mitteilte, hätten eigentlich auch die Schäden von Lewis Hamilton ausgereicht, um sein Rennen zu beenden. Doch dank der Rennunterbrechung hatte das Team genügend Zeit, den Unfallschaden wieder herzurichten und den Mercedes W12 wieder auf Vordermann zu bringen. So konnte Hamilton ironischerweise dank der Unterbrechung, die er selbst ausgelöst hat, das Rennen fortsetzen.

Ohne die rote Flagge hätte Hamilton diese Gelegenheit nicht mehr bekommen. Die Formel-1-Regeln sind an dieser Stelle ziemlich offen, verglichen mit anderen Rennserien. In der nordamerikanischen NASCAR-Serie ist es beispielsweise verboten bei einer Unterbrechung auch nur die kleinsten Änderungen am Wagen vorzunehmen, selbst wenn dieser offensichtliche Schäden aufweist.

Was ist unter roter Flagge erlaubt? Ein Blick ins Regelbuch

Vollkommen anders ist das jedoch in der Formel 1. Unter Artikel 4.14.4, Absatz b ist geregelt, welche Änderungen am Fahrzeug unter einer roten Flagge vorgenommen werden dürfen, sobald ein Wagen auf der Boxengasse in der 'Fast Lane' zum Stillstand gekommen ist.

In dieser Liste aufgeführt sind beispielsweise das Starten des Motors beziehungsweise damit verbundene Vorbereitungen, Änderungen an den Lufteinlässen der Bremsen und des Kühlungssystems, Änderungen zum Komfort des Fahrers und Aerodynamik-Anpassungen am Frontflügel.

Allerdings wird in dieser Aufzählung auch Schadensbehebung gelistet. Wortwörtlich wird es folgendermaßen definiert: "Reparatur von echten Unfallschäden, einschließlich des Austauschs von Baugruppen, die solche beschädigten Teile enthalten." Genau von diesem Paragraphen konnte Mercedes in Silverstone profitieren. Ursprünglich rief das Team Hamilton an die Box, wies in kurz vor der Boxeneinfahrt dennoch dazu an, auf der Strecke zu bleiben.

Sobald die rote Flagge ausgerufen wurde, konnte dann das Team den Schaden ausmerzen, der neben der Felge auch einen Reifentemperatur-Sensor umfasste. "Das unwichtigste Teil am Frontflügel", wie Andrew Shovlin feststellte.

Reifenwechsel unter Rot sorgen für Frust

In der Vergangenheit wurde diese Unterbrechungs-Regel häufig kontrovers diskutiert, allerdings aufgrund eines anderen Punktes. Denn unter Punkt vii. wird in derselben Regel auch aufgeführt, dass Reifenwechsel unter rot erlaubt sind. Und das stellte in der Vergangenheit bereits häufiger ein Rennergebnis auf den Kopf. Zuletzt kam diese Regel beim Großen Preis von Italien im letzten Jahr zu prominenter Anwendung. Damals bekam Lance Stroll durch die rote Flagge praktisch gratis einen Boxenstopp geschenkt, da er als einziger noch nicht die Boxengasse aufgesucht hatte.

Die Folge davon: Stroll nahm beim Restart hinter Lewis Hamilton (der noch eine Strafe absitzen musste) Platz 2 ein, und hielt somit praktisch die Führung. Ein verpatzter Restart kostete dem Kanadier wieder seine gute Ausgangslage, dennoch sicherte sich der Racing-Point-Pilot sein zweites Formel-1-Podium - ohne diese für ihn vorteilhafte Regelsituation kaum denkbar. Lando Norris meinte nach dem Italien-GP frustriert: "Stroll hat sich diesen Podestplatz nicht verdient".

Boxengasse schließen: Keine gute Lösung

Aber auch ansonsten erwies sich diese Regel häufig als Spannungskiller, da durch eine rote Flagge alle vorher erarbeiteten strategischen Vor- und Nachteile durch einen Gratis-Stopp eliminiert werden. Eine Regeländerung würde allerdings gleichzeitig neue Probleme schaffen.

Denn wenn man beispielsweise die Boxengasse unter roter Flagge schließt oder Reifenwechsel während eines Abbruchs oder eines Safety Cars anderweitig bestraft, fallen Fahrer, die noch nicht die Box angesteuert haben, automatisch an das Ende des Feldes zurück.

Einige krasse Beispiele hierfür lieferte die DTM, wo Reifenwechsel unter Gelb oder rot nicht als Pflichtboxenstopp gewertet werden. Pascal Wehrlein büßte aufgrund einer solchen Situation 2018 am Hungaroring durch eine 30-Sekunden-Führung ein und landete nur noch im hinteren Feld. Auch in der Indycar-Serie wurden in der Vergangenheit häufig Rennen auf den Kopf gestellt, weil während einer Boxenstopp-Phase plötzlich das Rennen neutralisiert und die Boxengasse deshalb geschlossen wurde.