Ferrari war in den letzten Rennen der Formel-1-Saison 2021 die große Überraschung. Erst im negativen Sinne, als Charles Leclerc und Carlos Sainz mit Reifenproblemen in Frankreich desaströs aussahen. Doch dann folgten plötzlich drei herausragende Renn-Leistungen, die in Leclercs sensationellem Silverstone-Sonntag gipfelten, wo er den Großteil des Rennens anführte, Lewis Hamilton rundenlang abwehren konnte und beinahe siegte.

Die Ferrari-Renaissance ist also voll im Schwung. Im Kampf gegen McLaren um Platz drei in der Team-WM hat das Team aufgeschlossen, mit zwei Podien und zwei Poles feierte man schon starke Einzelleistung. Vor Ungarn, wo nun wieder viel Abtrieb gefragt ist, stellt sich gar wieder die Frage nach mehr - schließlich hatte Leclerc nicht nur in Silverstone, sondern auch auf der High-Downforce-Strecke Monaco schon eine Hand am Sieg. Und der Ferrari ist mit viel Abtrieb besonders gut.

Ferrari-Sensation: In Silverstone im Siegkampf

Wobei es in Silverstone nicht einmal das brauchte. Die starke Leistung überraschte das Team selbst. Eigentlich hatte man sich Sorgen gemacht, da der Kurs ähnlich wie Frankreich die Vorderreifen besonders hart rannimmt. Gut ist der Ferrari SF21, dessen Stärken bei Richtungswechsel und Traktion liegen, vielmehr in langsamen Kurven mit viel Abtrieb - also auf einer ganz anderen Art von Strecke.

Trotzdem war Leclerc so schnell, dass er am Samstag im Sprint Anschluss an Mercedes halten konnte und am Sonntag Platz zwei einfuhr. Sainz steckte nach schlechten Startplätzen zu lange im Verkehr fest. Wie viel schneller er konnte, zeigte er zum einen in den wenigen Runden, in denen er freie Fahrt hatte - und zum anderen, indem er sich unter Rennbedingungen von Platz 18 zurück auf Platz sechs kämpfte. Auf einer Strecke, wo Überholen schwierig ist, scheiterte er nur am Topspeed-starken McLaren von Daniel Ricciardo.

Und auch das nur, weil die Box den Boxenstopp verhaute. Denn eigentlich hatte sich Sainz davor sogar ein Overcut-Fenster aufgefahren, und wäre vor Ricciardo wieder auf die Strecke gekommen. Auf alten Medium-Reifen hatte er in freier Luft sogar schnellste Rennrunden fahren können.

Ferrari von Silverstone nicht beflügelt: Und die Reifen?

Das illustriert: Ferrari hatte den Medium-Reifen gut aussortiert. Nicht aber den Hard, mit dem das Rennen beendet wurde. Sainz blieb hinter Ricciardo stecken, und Leclerc meldete, dass in den Luftverwirbelungen der Überrundeten der Grip am Heck übermäßig abnahm. So musste er Lewis Hamilton kurz vor Rennende fast kampflos ziehen lassen, nachdem er ihn in der Startphase noch hinter sich hatte halten können.

Leclerc duellierte sich mit Hamilton in Silverstone um den Sieg, Foto: LAT Images
Leclerc duellierte sich mit Hamilton in Silverstone um den Sieg, Foto: LAT Images

So ganz hat Ferrari das Vertrauen in die Reifen noch nicht gefunden. "Wir waren hier viel besser, aber ich denke nicht, dass es daran lag, dass wir die ganzen Antworten auf Frankreich gefunden haben", meint Leclerc. Die Bedingungen dürften geholfen haben. Hier war es heißer, und die Abnutzung war höher.

Ferrari: Rennpace nach Problem-Analysen stark verbessert

In Maranello laufen die Untersuchungen und die Reifen-fokussierten Simulator-Sessions weiter. Leclerc glaubt: "Sobald wir ganz verstanden haben, warum wir in Frankreich so langsam waren, dann bin ich mir ziemlich sicher, dass wir einen großen Schritt als Team machen werden, um Leistungen wie heute zu wiederholen."

Teamchef Mattia Binotto ist mit den Zwischenergebnissen aber zufrieden: "Nach Pace, wenn man sich Österreich als Vergleich anschaut, dann hatte [McLaren-Pilot Lando] Norris auf dem Podium fantastische Pace, aber seine Rennpace war ähnlich der unseren. Nur mussten wir im Verkehr starten. Dass wir hier ganz vorne losgefahren sind, war der Schlüssel, im Rennen die richtige Pace fahren zu können."

Nach einer Schwächephase im Qualifying hatte Leclerc das nämlich in Silverstone wieder aussortiert. Nur 60 Minuten Trainingszeit davor schienen Ferrari zu helfen, sie waren gut vorbereitet und von Beginn an schnell. Mit Startplatz vier legte Leclerc den Grundstein für das restliche Wochenende. Je länger die Saison dauert, desto besser versteht das Team den SF21, der kaum mehr entwickelt wird. Hauptziel ist nämlich, alle auftauchenden Probleme und ihre Ursachen zu erkennen. Die Prozesse dafür scheinen, so das Zwischenfazit, tadellos zu funktionieren.

Ferrari zweifelt an Ungarn: Nicht mehr wie Monaco

Mit diesem Aufschwung geht es nun nach Ungarn - einer High-Downforce-Strecke, die langsam ist und oft mit Monaco verglichen wird. "Kein Sieg, ein Doppelsieg!", scherzt Binotto in Silverstone schon zu den Zielen, denn viele erwarten, dass Ferrari wie schon in Monaco in Ungarn überdurchschnittlich abliefern könnte. Erst recht nach den jüngsten Fortschritten beim Verständnis des SF21.

Leclerc vergab einen realistischen Monaco-Sieg im Qualifying, Foto: LAT Images
Leclerc vergab einen realistischen Monaco-Sieg im Qualifying, Foto: LAT Images

Nicht aber Ferrari selbst. "Ein Sieg scheint ein bisschen optimistisch", ist Leclercs ernste Antwort. "Realistisch gesehen wären wir happy, einfach hinter den beiden Topteams anzukommen."

Sainz erklärt warum: "Budapest ist inzwischen eine mittelschnelle bis schnelle Strecke mit diesen Autos. In Monaco und Baku hast du viele Kurven im zweiten, dritten Gang. In Budapest hast du mit diesen Autos einen Mittelsektor, wo du immer im vierten und fünften Gang bist." Das würde, so glaubt er, Red Bull und Mercedes wieder bevorteilen, die mehr Abtrieb und Leistung ins Feld führen.

Ferrari schon mit mehr Punkte als 2020: Comeback auf Kurs

Unabhängig davon ist es für Ferrari schon ein Erfolg, mit McLaren um den dritten WM-Platz zu kämpfen. "Wir hatten jetzt drei Rennen in Folge gute Rennpace, das war zu Beginn unsere Schwäche", meint Binotto. "Das zeigt, dass wir als Team Fortschritte machen, was wichtig für den Rest der Saison ist."

Ferrari hat in zehn Rennen bislang 148 Punkte eingefahren. Im Vorjahr beendeten Leclerc und Sebastian Vettel die 17 Rennen lange Saison mit 131. Für Binotto der Beweis: Ferrari hat die Wende geschafft. 2021 hält nur das eingefrorene Reglement den Fortschritt auf. Weshalb auch der Entwicklungs-Fokus schon auf 2022 liegt.