Großes Pech für Lando Norris bei seinem Heimrennen in Silverstone: Beim Großen Preis von Großbritannien der Formel 1 lag der Brite nach einem Positionsgewinn gegen Valtteri Bottas direkt beim stehenden Re-Start in Runde vier lange Zeit auf Podestkurs, dann beraubte ein langsamer McLaren-Stopp aller Möglichkeiten, sich auch in der zweiten Rennhälfte gegen den eigentlich schnelleren Mercedes zu behaupten. Das Ergebnis frustriert den nach Silverstone dennoch wieder WM-Dritten nicht, nur die verpasste Chance. Daniel Ricciardo feiert sein bestes Ergebnis als McLaren-Fahrer.

"Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Es war noch immer ein sehr gutes Rennen, P4 zuhause, ein gutes Ergebnis nach P5 gestern. Aber hier wollte ich einfach dieses kleine Bisschen mehr", hadert Norris. Zunächst sah es sogar danach aus. Einen Platz bekam Norris durch den Unfall von Lewis Hamilton und Max Verstappen (Ausfall) sofort am ersten Start geschenkt. P4. Auf den dritten Rang arbeitete sich der Youngster beim stehenden Restart 40 Minuten später vor. Valtteri Bottas beschleunigte der McLaren noch vor Kurve eins konsequent aus.

Lando Norris hält schnelleren Bottas-Mercedes in Schach

Diese Position verteidigte Norris gegen den schnelleren Mercedes souverän. In Runde 21 kam McLaren einem Undercut Bottas' zuvor, doch beim Reifenwechsel am MCL35M klemmte es hinten rechts. Stolze 6,09 Sekunden dauerte der Service. Zu lang, um die Position gegen Bottas zu halten. Der Finne kam eine Runde später, stand nur 2,28 Sekunden und verwandelte so einen Rückstand von 1,5 Sekunden auf Norris in einen ebenso großen Vorsprung.

"Den ganzen ersten Stint habe ich P3 gehalten. Ich hatte die Pace, um sie hinten zu halten. Nicht unbedingt, um sie einzuholen, aber mit dem Boxenstopp hatte ich nie die Chance, vorne zu bleiben und mich so lange wie möglich zu verteidigen", ärgert sich Norris. "Es wäre schön gewesen, diese Gelegenheit zu bekommen. Aber P4 und P5 sind noch immer ein gutes Ergebnis für das Team. Deshalb bin ich nicht wirklich genervt, nur genervt, dass ich nicht die Chance hatte, ein bisschen zu kämpfen und eine gute Show zu liefern."

McLaren-Boxenstopp kostet Norris P3, aber auch Endresultat?

Am Ergebnis hätte ein Rennen ohne Patzer allerdings nichts geändert, vermutet Norris. Im zweiten Stint auf harten Reifen hätte Bottas ihn wohl bekommen, glaubt der Brite. Teamchef Andreas Seidl schätzt es ähnlich ein. "Wenn wir einen normalen Boxenstopp gehabt hätten, hätte Valtteri seinen Stint sicher ausgedehnt, um am Rennende ein Reifen-Delta zu kreieren. Schwer zu sagen, ob es dann eine Chance gegeben hätte, ihn zu halten. Aber wir müssen realistisch sein. Er wäre wohl einfach vorbeigefahren", sagt der Deutsche.

Dafür spricht der offensichtliche Pace-Unterschied auch ohne größeres Reifendelta. 17 Sekunden fuhr Bottas dem McLaren in der zweiten Rennhälfte weg. Das entspricht etwa einer halben Sekunde pro Runde - in Silverstone nicht zwingend ein Vorteil, der zu einem Überholmanöver reichen muss. Umso ärgerlicher bleibt der Boxenstopp. Vor allem, weil McLaren - seit Jahren mit Problemen auf diesem Gebiet - hier zuletzt eigentlich nachgelegt hatte. Nach noch schwächeren ersten drei Saisonrennen wechselte McLaren seit dem Spanien-GP im Schnitt immer deutlich in unter drei Sekunden die Pirelli-Reifen.

Silverstone: Hardware-Problem liefert schlechten McLaren-Stopp

Ausgerechnet beim Heimrennen erfolgte ein Rückfall. Auch Daniel Ricciardo wurde in 2,84 Sekunden nicht herausragend schnell abgefertigt. Bei Norris allerdings zeichnete kein menschlicher Fehler verantwortlich. "Es war ein Hardware-Problem. Das hatte nichts mit der Leistung der Crew zu tun", berichtet Seidl. "Die haben in den letzten zwei Monaten tolle Leistungen gezeigt, da haben wir gute Fortschritte gezeigt. Es war ein Hardware-Problem mit der Radmutter. Etwas, dass wir lange Zeit nicht gesehen haben."

Dafür könne man sich bei Norris jetzt nur entschuldigen und alles analysieren, um eine Wiederholung in Zukunft zu vermeiden. Seidl sieht sogar noch das Gute. "Es war ein langsamer Boxenstopp, aber immerhin kein völlig katastrophaler Boxenstopp wie wir es in der Vergangenheit schon erlebt haben", sagt der McLaren-Leiter. "Wir wollen natürlich nicht, dass es passiert, aber zumindest war es sicher und wir sind im Rennen geblieben."

Daniel Ricciardo in Silverstone verbessert

Platz vier genügte Norris ohnehin, um in der WM-Wertung nach vorne zu springen, vorbei am in Silverstone punktlosen Sergio Perez (104) auf Rang drei mit 113 Punkten. Dazwischen liegt noch Bottas (108). In der Konstrukteurswertung büßte McLaren allerdings vier Punkte auf Verfolger Ferrari ein - obwohl Daniel Ricciardo mit Platz fünf ein starkes Teamergebnis abrundete und sein bestes Resultat in orangenen Farben einfuhr. Grund dafür ist schlicht der überragende zweite Platz von Charles Leclerc.

Daniel Ricciardo zeigte in Silverstone einen klaren Aufschwung - auch schon im Qualifying, Foto: LAT Images
Daniel Ricciardo zeigte in Silverstone einen klaren Aufschwung - auch schon im Qualifying, Foto: LAT Images

Den zweiten Ferrari allerdings hielt McLaren - oder besser gesagt Ricciardo - allerdings in Schach. "Daniel ist ein guter Schritt nach vorne gelungen", lobt Seidl. "Er hat unnachgiebigem Druck von Carlos über mehr als die Hälfte des Rennens widerstanden." Darüber freut sich auch der Australier. Nicht jedoch über seine erste Rennhälfte vor der Verteidigung gegen Sainz. "Im ersten Stint hatte ich zu kämpfen und war nicht schnell genug, da habe ich den Anschluss verloren", sagt Ricciardo selbstkritisch. "Da hatte ich einfach das Gefühl, nicht mehr machen zu können. Es gibt also noch immer Bereiche, an denen ich an mir arbeiten muss, damit das Auto mir besser passt."

Ricciardo stoppt Sainz, Ferrari holt dennoch auf

Im zweiten Stint gelang es immerhin, Sainz - zuvor ebenfalls Opfer eines extrem langsamen Boxenstopps - zu stoppen. "Dann hatte ich das ganze Rennen Carlos hinter mir. Er hat mich so schnell eingeholt, dass ich nicht dachte, ihn halten zu können, aber ich bin sauber geblieben und durchgekommen", berichtet Ricciardo. Mit dem Resultat zeigt sich der Australier zufrieden. Immerhin hatte er nach dem Sprint genau dieses erste Top-5-Ergebnis als McLaren-Pilot von sich selbst gefordert. Jetzt will Ricciardo gleich mehr. "Da muss ich beim nächsten Mal wohl mehr fordern! Ein Top-3 wäre gut", flachst der Australier. "Aber es war okay, auf dem Papier besser als zuletzt, Punkte sind gut."

In der WM-Wertung verbesserte sich Ricciardo (P8, 50 Punkte) mit den zehn Zählern für Platz fünf zwar um keine Position, schüttelte allerdings seinen Verfolger Pierre Gasly (P9, 39 Punkte) deutlich ab. Auf Sainz vor ihm fehlen dem 'Honigdachs' 18 Punkte. In der Teamwertung rangiert McLaren trotz der vier verlorenen Punkte auf Ferrari mit 163 zu 148 Zählern weiter auf dem dritten Rang.