Die Highspeed-Kollision zwischen Lewis Hamilton und Max Verstappen im Formel-1-Rennen in Silverstone erhitzte die Gemüter am Sonntag wie lange nicht mehr. Red Bull kritisierte den Weltmeister für sein aggressives Manöver gegen ihren Fahrer aufs Allerschärfste. Doch Hamilton lassen die Anschuldigungen völlig kalt. Der Mercedes-Pilot sieht Verstappen ebenfalls in der Verantwortung für den Unfall. Von einem faden Beigeschmack seines Sieges will er nichts wissen.

"Ich glaube nicht, dass ich meinem Verständnis nach in einer Position bin, mich für irgendetwas entschuldigen zu müssen. Was wir dort draußen machen, ist Racing", zeigt sich Hamilton angesichts des Zwischenfalls in der ersten Runde des Rennens ohne Reue. Nachdem er und Verstappen sich unmittelbar nach dem Start und beim Run auf Brooklands hart duelliert hatten, kam es in der ultraschnellen Copse-Kurve zum folgenschweren Kontakt.

Hamilton versuchte es innen, woraufhin sein linkes Vorderrad das rechte Hinterrad Verstappens berührte. Der Niederländer flog dadurch mit hoher Geschwindigkeit in die Streckenbegrenzung und musste nach dem Einschlag mit 51g ins zur Untersuchung ins Krankenhaus gebracht werden. Hamilton kam mit einer 10-Sekunden-Strafe davon und feierte am Ende einen wichtigen Triumph für die Weltmeisterschaft.

Hamilton widerspricht FIA und Red Bull

"Ich stimme mit der Entscheidung der Stewards nicht überein, aber ich nehme die Strafe hin und mache weiter meine Arbeit. Ich werde deshalb nicht rumheulen. Es hat sowieso jeder eine andere Meinung und es interessiert mich auch nicht wirklich, was andere Leute denken", ließ Hamilton die Sanktion durch die Offiziellen eiskalt abperlen, ebenso wie die Kritik von Red-Bull-Teamchef Christian Horner.

Der Brite sprach von einem wertlosen Sieg Hamiltons. Der lässt das nicht auf sich sitzen. "Es fühlt sich nicht wertlos an. In diesem Team arbeiten 2000 Menschen unglaublich hart, es geht nicht nur um mich", so Hamilton, der über den Rennverlauf selbstverständlich nicht glücklich war: "Natürlich ist es sehr schade und nicht die Art und Weise, wie ich ein Rennen erleben will. Aber ich denke, wir sollten alle etwas Abstand nehmen. Die Emotionen kochen da gerade hoch."

Hamilton wütend über Verstappens aggressiven Stil

Auch bei Hamilton selbst war der Kragen nach diesem Sonntag etwas dicker als sonst. "Es war eine emotionale Achterbahn und ich hatte nach dem Crash mit Max eine ziemlich große Wut", sagt er am Mikrofon von Sky Sports F1. Diese Wut war nicht seiner eigenen Rolle in der unschönen Szene geschuldet. Der 36-Jährige findet, dass sein Rivale es nicht so weit hätte kommen lassen sollen.

"Ich habe einfach das Gefühl, dass er nicht so aggressiv sein muss, wie er ist. Als wir auf Kurve sechs [Brooklands] zufuhren, berührte er meine Räder. Klar, das ist cool, denn es gibt all die Aufnahmen von der Formel 1 mit den großartigen Fahrern von früher, die auf der Geraden mit den Rädern zusammenstoßen", so Hamilton. Die Kampfeslust seines Gegners sieht er jedoch auch als entscheidenden Faktor im verhängnisvollen Unfall der beiden.

"Ich habe versucht ihm Platz zu geben und war am Eingang von Kurve neun innen ziemlich weit drin, aber keiner von uns hat nachgegeben. Und das war dann das Resultat", sagt der siebenfache Weltmeister. In dieser Saison steckte er schon mehrfach zurück, wenn Verstappen kompromisslos hineinstach.

Alphatier Hamilton unterwirft sich Verstappen nicht

So ließ der Mercedes-Pilot seinen Herausforderer in Imola und Barcelona jeweils in Kurve eins gewähren, in dem er die Lenkung aufmachte und ihm den nötigen Platz einräumte. "Wir hatten dieses Jahr schon einige Kämpfe, in denen er sehr aggressiv war und meistens musste ich zurückstecken und einen Unfall vermeiden, damit wir den Kampf später im Rennen noch austragen konnten", so Hamilton gegenüber Motorsport-Magazin.com.

Doch nachdem er in den direkten Aufeinandertreffen bisher aus Vernunft nachgab, war er im zehnten Saisonrennen nicht mehr bereit, klein beizugeben. "Ich fahre gerne gegen ihn Rennen und erfreue mich daran, aber ich werde vor niemandem kuschen. Und ich werde mich ganz sicher auch nicht dazu nötigen lassen, weniger aggressiv zu sein", stellt Hamilton klar, dass er seinem Rivalen nicht die Vorherrschaft in diesem Duell überlassen wird.

Silverstone die Gelegenheit zur Revanche

Nach fünf Rennen ohne Sieg sah er in Silverstone den richtigen Moment, sein Revier zu verteidigen. "Ich denke, wir haben die Punkte an diesem Wochenende dringend gebraucht. Da war eine Lücke, weil er eine Lücke gelassen hat und ich habe es durchgezogen", sagt er. "Ich konnte am Samstag sehen, dass sie zu schnell sind, wenn sie vorne fahren. Und wenn eine Möglichkeit da ist, werde ich sie ergreifen. Deshalb sind wir dort draußen und fahren Rennen."

Sein Move war von langer Hand geplant, nachdem er Verstappen im Sprintrennen beim Duell in der ersten Runde unterlegen war. "Am Samstag hatte ich es auf der linken Seite versucht und wirklich bereut, dass ich nicht die Lücke auf der rechten genutzt habe. Deshalb habe ich eine Finte geschlagen. Ich bin erst nach links gefahren und dann nach rechts in die Lücke, die er zum Glück nicht schließen konnte", erklärt er.

Hamilton appelliert an Fairplay: Genug Platz für alle

Dabei erwartete er aber offenbar, dass Verstappen genauso mitspielen würde, wie er selbst es in der Vergangenheit tat. "Leider war die Aggressivität von ihm die übliche und wir sind kollidiert. Ich konnte sehen, dass er nicht zurückstecken wird", so Hamilton, der in der Sturheit Verstappens ein grundsätzliches Problem sieht.

"Ich fände es toll, wenn es möglich wäre, dass wir Rennen fahren und einander Platz lassen. Es ist genug Platz auf der Rennstrecke, damit wir beide durch die Kurve kommen", fordert er mehr Fairplay vom 23-Jährigen. "Ich habe es lange Zeit geschafft, ohne mit jemandem aneinanderzugeraten. Aber wenn du einfach zu aggressiv bist, müssen diese Dinge früher oder später passieren."