In Monza wird es Zeit für das zweite Sprint-Qualifying der Formel-1-Saison. Bereits in Silverstone wurde das Format ausprobiert und sorgte für zum Teil kritische, aber auch positive Reaktionen, wie Formel-1-Boss Stefano Domenicali nach dem Sprint in Silverstone betonte. Monatelang, fast jahrelang wurde diskutiert, wie man ein Formel-1-Wochenende aufwerten kann. Ein Zwei-Tages-Format wurde in der vergangenen Saison in Imola getestet, die Idee von Reverse-Grid-Rennen wurde letztlich verworfen. "Wir wollen keinen künstlichen Schnickschnack", erklärt Sportchef Ross Brawn.

Das Ergebnis der jahrelangen Diskussionen ist das Sprint-Rennen. Weil man den Grand Prix am Sonntag aber nicht mit einem zweiten Rennen verwässern will, heißt das 100 Kilometer lange Rennen am Samstag offiziell Sprint-Qualifying. Die Formel 1 will inzwischen den Begriff 'The Sprint' durchsetzen. Gemeint ist aber immer das gleiche: Ein kurzes Rennen am Samstagnachmittag, das die Startaufstellung für den Grand Prix am Sonntag bestimmt.

Beim Automobilweltverband tat man sich lange Zeit schwer mit einer Revolution des Formats. FIA-Präsident Jean Todt ist heute noch kein großer Fan des Sprint-Qualifyings. Es war der kommerzielle Rechteinhaber Liberty Media, der etwas ausprobieren wollte. Fans sollen vom neuen Format angezogen werden, schlussendlich mehr Geld in die Kassen gespült werden.

"Die Intensität des Wochenendes wird gesteigert", erklärt Brawn die Vorzüge. "Gleichzeitig wird mit dem Sprint-Qualifying die Integrität des Sports bewahrt und er bleibt weiterhin eine Leistungsgesellschaft." Genau deshalb fiel die Idee mit umgekehrter Startreihenfolge bei den Kritikern durch.

So funktioniert das neue Formel 1 Sprint-Qualifying (17:06 Min.)

Beim Italien GP in Monza startet nun der zweite Versuch des neuen Formats. Später in der Saison wird es auch noch ein drittes Rennwochenende mit Sprint-Qualifying geben. Wo genau, das lässt die Formel 1 derzeit noch offen. Findet der Brasilien GP in Sao Paulo statt, wird wohl dort gesprintet.

Das 99-seitige Regelwerk musste zu einem nicht unbeträchtlichen Teil angepasst werden. Ganze 198 Mal taucht darin nun der Terminus 'Sprint Qualifying Session' auf. Motorsport-Magazin.com hat sich das Sportliche Reglement im Detail angesehen und erklärt alle Facetten des neuen Wochenendformats.

Der Zeitplan: Klassisches Formel-1-Qualifying heute

Freitag, 10. September 2021

  • 14:30 Uhr*: 1. Freies Training (60 Minuten)
  • 18:00 Uhr: Qualifikation (Q1, Q2, Q3)

Samstag, 11. September 2021

  • 12:00 Uhr: 2. Freies Training (60 Minuten)
  • 16:30 Uhr: Sprint-Qualifying (18 Runden)

Sonntag, 12. September 2021

  • 15:00 Uhr: Grand Prix (53 Runden)

* Alle Zeiten MESZ

So wird die Startaufstellung gemacht

Das Ergebnis der normalen Qualifikation am Freitagabend ist gleichzeitig die Startaufstellung für das Sprint-Qualifying am Samstag. Etwaige Startplatzstrafen werden dabei nicht berücksichtigt, sie werden erst für die Startaufstellung am Sonntag angerechnet. Die Startreihenfolge für den Grand Prix ergibt sich aus dem Zieleinlauf des Sprint-Qualifyings. Der Sieger startet von Pole, der Zweitplatzierte von P2 und so weiter.

Scheidet ein Pilot im Sprint-Qualifying aus, muss er am Ende des Feldes starten. Scheiden mehrere Fahrer aus, werden sie nach Anzahl der absolvierten Runden aufgereiht. Scheiden Fahrer in der gleichen Runde aus, entscheidet ihre ursprüngliche Qualifikations-Position darüber, wer vorne starten darf. Der Sieger des Sprint-Qualifyings geht übrigens offiziell als Pole-Setter in die Statistik ein.

Punktevergabe für das Sprint-Qualifying

Punkte am Samstag waren ein großes Streitthema. Ursprünglich sollte der Sieger des Sprints eine zweistellige Punktausbeute mitnehmen. Um das Rennen nicht zu verwässern, gleichzeitig aber noch einen Anreiz zu bieten, erhält der Sieger nun drei Punkte, der Zweitplatzierte zwei Punkte und der Drittplatzierte immerhin noch einen Zähler. Deshalb ist das Sprint-Format auch keine gute Option für die letzten Saisonrennen: Eine mögliche WM-Entscheidung soll er ist im Grand Prix fallen.

Distanz und Dauer der Sprint-Qualifyings

100 Kilometer schreibt das Reglement vor. In Monza entspricht das 18 Runden. Normalerweise ist der Sprint damit in rund 30 Minuten vorbei. Safety-Car-Phasen und Rote Flaggen können das Samstagsrennen aber verzögern. In diesem Fall gilt: Maximal 60 Minuten reine Fahrzeit, maximal 90 Minuten inklusive Unterbrechungen. Wird nicht die volle Distanz gefahren, gelten die üblichen Regeln: Bei weniger als zwei Runden gibt es keine Punkte, bis 75 Prozent der Renndistanz immerhin halbe Punkte.

Die Reifen-Regeln am Sprint-Wochenende

Normalerweise erhält jeder Pilot 13 Sätze Slicks am Wochenende. An einem Sprint-Wochenende sind es nur zwölf Sätze. Sechs davon der weichsten Sorte, vier Mediums und zwei harte Sätze. Ein Satz muss nach dem 1. Freien Training zurückgegeben werden. Im Freitags-Qualifying dürfen dann nur die weichsten Reifen eingesetzt werden. Ein Satz ist dabei fix für Q3 reserviert.

Die Fahrer haben an Sprint-Wochenenden einen Satz Reifen weniger, Foto: LAT Images
Die Fahrer haben an Sprint-Wochenenden einen Satz Reifen weniger, Foto: LAT Images

Zwei weitere Reifensätze müssen nach dem 2. Freien Training zurückgegeben werden. Im Sprint-Qualifying gilt: Alles kann, nichts muss. Die Startreifen dürfen frei ausgesucht werden, Boxenstopps sind nicht Pflicht. Nach dem Sprint-Qualifying muss der Reifensatz mit den meisten absolvierten Runden zurückgegeben werden.

Eine Besonderheit gilt auch für den Grand Prix am Sonntag: Weil im Freitags-Qualifying nur Soft-Reifen benutzt werden dürfen, gibt es keine Pflicht für die Top-10, auf den Q2-Reifen zu starten. Stattdessen dürfen sich alle Piloten den Startreifen frei aussuchen. Allerdings müssen im Rennen mindestens zwei unterschiedliche Reifenmischungen benutzt werden. Weiterhin gilt ebenfalls, dass je ein Satz Medium und ein Satz Hard für das Rennen reserviert sind.

Ablauf vor dem Rennen

30 Minuten vor dem Samstags-Rennstart öffnet die Boxengasse. Damit ist der Vorlauf zum Sprint-Qualifying kürzer als der zum Grand Prix. Nur fünf Minuten bleibt die Boxengasse geöffnet. Statt unbegrenzt Sichtungsrunden in dieser Zeit ist lediglich die eine Runde in die Startaufstellung erlaubt. Wer danach wieder an die Box abbiegt, muss aus der Boxengasse starten. Das Prozedere in der Startaufstellung bleibt identisch.

Ablauf nach dem Rennen: Siegerehrung?

Eine klassische Siegerehrung wird es nicht geben. Auch hier will man einer Verwässerung des Grand Prix vorbeugen. Stattdessen gibt es für den Gewinner des Sprint-Qualifyings einen Siegerkranz. Dabei dürfen sich die drei Erstplatzierten auf eine ganz besondere Ehrenrunde freuen. In Silverstone wurde diese in einem blauen mit 'Crypto'-Logos Truck durchgeführt.

Parc fermé und Sperrstunden

Die Sperrstunde von Freitag auf Samstag für die Mechaniker entfällt. Grund: Der Parc fermé beginnt schon früher. Mit dem Start der Qualifying-Sitzung am Freitagabend sind die Autos eingefroren. Setup-Änderungen sind dann nur noch in sehr beschränktem Maße zulässig. Reifendrücke und Frontflügel-Flaps dürfen beispielsweise justiert werden. Feder, Dämpfer, Bodenfreiheit, Aero-Konfiguration und Co. dürfen nicht mehr angepasst werden.

Schon am Freitag befinden sich die Autos im Parc fermé, Foto: LAT Images
Schon am Freitag befinden sich die Autos im Parc fermé, Foto: LAT Images

Es gibt aber Ausnahmen: Wird ein Bauteil beschädigt, darf es mangels Ersatzteile auch durch Bauteile anderer Spezifikationen ersetzt werden. Diese müssen aber im Saisonverlauf schon einmal eingesetzt worden sein. Außerdem dürfen während des Parc fermé an einem Sprint-Wochenende auch noch Bremsmaterialien, Auspuffsysteme, Ölfilter, Luftfilter und Zündkerzen gewechselt werden. Die Kupplung darf revidiert werden.

Geld für die Sprint-Rennen

Finanziell bringt ein Sprint-Wochenende zwei Probleme mit sich: Einerseits kostet das Sprint-Qualifyings die Teams mehr Geld. Das soll durch die gesteigerten Einnahmen der Kommerziellen Rechteinhabers kompensiert werden. Liberty Media nimmt vom Veranstalter eine höhere Gebühr, die dann wiederum über den festen Verteilungsschlüssel zu einem gewissen Prozentsatz an die Teams ausgeschüttet wird. Am Ende sollen die Rennställe finanziell profitieren.

Mehr Geld ist gut, nicht aber, wenn man es gar nicht ausgeben darf. Die Top-Teams haben mit der Budgetobergrenze so knallhart kalkuliert, dass es keinen Raum für die zusätzlichen Ausgaben gibt. Deshalb sind 250.000 US-Dollar pro Sprint-Rennen von der Budgetobergrenze ausgenommen.