Im Formel-1-WM-Kampf 2021 zählt für Lewis Hamilton und Mercedes jeder Punkt. Nie in der Hybrid-Ära war der Dauerweltmeister so unter Druck wie in dieser Saison. Alleine 14 des inzwischen 32 Punkte großen Rückstands auf Max Verstappen fing sich Hamilton am vergangenen Wochenende in Österreich ein.

Während Teamkollege Valtteri Bottas mit Platz zwei sein bestes Saisonergebnis einfahren konnte, wurde Hamilton nur Vierter. Dabei musste er im Rennen sogar für Bottas Platz machen, der in der WM bereits 90 Punkte hinter Spitzenreiter Verstappen liegt. Was war da los?

Das Problem begann im Qualifying: McLaren-Pilot Lando Norris qualifizierte sich sensationell auf Platz zwei. Hamilton nur auf vier, Bottas auf fünf. Nachdem schon Sergio Perez im Rennen an Norris verzweifelte und sich im Zweikampf ins Kiesbett verabschiedete, hatten auch die beiden Mercedes-Piloten mit dem Briten zu kämpfen.

Norris auch für heilen Hamilton eine harte Nuss

Erst in Runde 20 ging Hamilton mit einem Gewaltakt an Norris vorbei. Doch der Weltmeister konnte anschließend schneller, fuhr bis zum Boxenstopp in Runde 30 knapp fünf Sekunden heraus. Bottas biss sich derweil weiter die Zähne aus. Nur weil Norris für den Zweikampf mit Perez eine Fünf-Sekunden-Strafe aufgebrummt bekam, konnte der Finne in der Box vorbeigehen.

Nach dem Reifenwechsel sah die Welt aber anders aus. Ganz vorne blieb alles beim alten, Verstappen drehte einsam seine Kreise. Dahinter schwächelte Hamilton aber auf Platz zwei. Bottas und Norris machten von hinten Druck.

Mercedes chancenlos: Ist Verstappen noch zu stoppen? (12:22 Min.)

Schnell war klar, was Sache ist: Hamilton hat Probleme. Kurz vor dem Boxenstopp kam er in Runde 29 in Kurve zehn weit auf den Kerb. Teile des Bodyworks fielen vom Silberpfeil. "Ich glaube nicht, dass er besonders hart über den Kerb gefahren ist", verteidigt Teamchef Toto Wolff. "Das Teil ist einfach abgefallen, jetzt müssen wir verstehen, was genau passiert ist."

Schaden kostet Hamilton 30 Punkte Abtrieb

Während die Ursache noch nicht ganz geklärt ist, war die Wirkung offensichtlich. Rund 30 Punkte Abtrieb, so rechnete Mercedes vor, verlor Hamilton dadurch. "Der Downforce-Verlust betrug rund sechs oder sieben Zehntel", erklärt Mercedes-Ingenieur Andrew Shovlin.

Der Abtriebsverlust war aber nicht gleichmäßig, Hamilton verlor nur am Heck Bodenhaftung. Die Balance stimme nicht mehr, der Brite hatte sichtlich mit einem losen Heck zu kämpfen. Deshalb nahm er auch die Hinterreifen härter ran, weshalb Mercedes später einen weiteren Boxenstopp einlegen musste.

Doch vor dem Boxenstopp ging es auf der Strecke und am Funk noch heiß her. Mercedes wollte Platz zwei für Hamilton unter allen Umständen beschützen. Deshalb gab es zwischenzeitlich die Anweisung an Bottas, Hamilton nicht anzugreifen. "Wir wollten sehen, ob es möglich war, dass Valtteri ihn gegen Lando abschirmt", erklärt Wolff.

Mit seiner Beschädigung war Hamilton ein leichtes Opfer. Mercedes versuchte, Bottas als Block nach hinten einzusetzen, weil Norris nach dem Stopp am Finnen einigermaßen dranbleiben konnte und ebenfalls auf den langsameren Hamilton aufschloss.

Lange sah sich Mercedes das Spiel aber nicht an. Weil Bottas von Hamilton so stark aufgehalten wurde, dass Norris bedrohlich nahe kam, ordnete der Kommandostand einen Positionswechsel an. Hamilton, der Weltmeister und WM-Zweite, musste Teamkollege Bottas vorbeilassen. "Es war dann nur fair für Valtteri, dass er sein eigenes Rennen fahren kann, deshalb haben wir den Positionswechsel angeordnet", rechtfertigt Wolff die Entscheidung.

Eine Runde später machte dann Norris kurzen Prozess mit Hamilton. Der WM-Anwärter fiel innerhalb von zwei Runden von Platz zwei auf vier zurück, verlor somit sechs Punkte. Hamilton ärgerte sich über seinen Schaden: "Es wurde im Verlauf des Rennens immer schlimmer. Ansonsten wäre es klar Platz zwei für mich geworden." Wie stark Hamiltons Beschädigung war, zeigt die Tatsache, dass er selbst mit frischen Reifen Verstappen die schnellste Rennrunde nicht abnehmen konnte.