Lewis Hamilton und Mercedes haben beim Großen Preis der Steiermark in Spielberg die nächste empfindliche Niederlage im WM-Rennen gegen Max Verstappen und Red Bull kassiert. Zum vierten Mal in Folge ging der Sieg nun bereits an die Bullen, Hamilton rutschte in der WM-Wertung ganze 18 Punkte hinter Verstappen, Mercedes sogar 40 hinter Red Bull zurück.

Gleichzeitig war diese Schlappe besonders bitter. In Monaco und Baku konnte Mercedes die Niederlagen noch auf die Streckenlayouts schieben, in Frankreich entschied Verstappen das Rennen zumindest erst in der vorletzten Runde für sich. Doch in Österreich war der Niederländer plötzlich unantastbar. Mit zwei Zehnteln Vorsprung sorgte Verstappen im Qualifying für die erste Machtdemonstration, die zweite ließ er im Rennen folgen.

Formel 1 Spielberg: Hamilton chancenlos gegen Verstappen

Eine realistische Chance auf den Sieg hatte Lewis Hamilton zu keinem Zeitpunkt. 17 Sekunden hatte der Weltmeister in den ersten 69 Rennrunden auf Verstappen verloren, ehe er zum Angriff auf die schnellste Rennrunde zu einem späten Reifenwechsel in die Boxengasse abbog, sich so zumindest noch den Sonderpunkt sicherte, aber die Zielflagge nun stramme 35 Sekunden nach Verstappen sah.

Die Hoffnung stirbt dennoch auch bei Mercedes zuletzt. Neue Teile will man trotz Forderungen Hamiltons 2021 zwar nicht mehr an den W12 schrauben, die Entwicklung für das neue Reglement 2022 geht vor. Doch setzt Mercedes darauf, mit besserem Verständnis des bisherigen Pakets noch mehr herauskitzeln zu können.

Mercedes bringt keine Updates mehr: Setup letzte Chance

"Setup-Arbeit, Reifen, optimiertes Running, das wird ein sehr wichtiger Teil", sagt Teamchef Toto Wolff. "Es wird keinen Sinn machen, eine oder zwei Wochen zurück zum alten Auto zu switchen, weil du da lange nicht so viel gewinnst [wie für 2022]", erklärt Wolff.

Hamilton verzweifelt: Keine Updates mehr für Mercedes F1-Auto: (15:56 Min.)

Vor allem das Setup soll es nun also richten. Darauf ruht nun bereits für das zweite Rennen in Österreich eine große Hoffnung. Ist eine schnelle Besserung möglich? Andrew Shovlin macht Mut. Mercedes habe am Sonntag nämlich vielleicht auch deshalb gelitten, weil man ein Experiment gewagt hatte, aber dessen Folgen nicht vollständig zu antizipieren wusste.

Mercedes-Ingenieur: Radikaler Ansatz in Spielberg

"Wir haben mit dem Setup eine ziemlich verrückte Richtung eingeschlagen, eine radikale Herangehensweise, die meiner Meinung nach auf eine Runde vielleicht etwas besser war", berichtet Mercedes' leitender Ingenieur an der Strecke. Im Rennen könne sich das allerdings negativ ausgewirkt haben. "Die Frage, die bleibt, ist, ob wir damit unseren Reifenabbau getroffen haben", grübelt Shovlin.

Festlegen will der Brite sich darauf noch nicht, das gelte es in den nächsten zwei Tagen bis zum zweiten Rennen in Spielberg nun erst zu analysieren. "Aber wir sind gewissermaßen weiter gegangen als je zuvor und verstehen gerade erst, welche Auswirkungen das wirklich hatte", sagt Shovlin. "Mercedes versucht es zu hart, und sie sind etwas gestolpert", analysiert F1-Sportchef Ross Brawn in seiner Kolumne auf F1.com.

'Interessante Richtung' von Hamilton als Problem-Trigger?

Auslöser des Experiments war Lewis Hamilton persönlich. "Lewis hat jede Menge im Simulator gearbeitet, bevor er hierherkam und das schien eine interessante Richtung zu sein", verrät Shovlin. Genau solche Ansätze brauche es nun, so der Brite. Shovlin: "Für uns ist es dieses Jahr ein wichtiger Teil, uns gut auf jede Strecke einzustellen. Dafür müssen wir ein bisschen mutig und originell sein, was die Setup-Richtung angeht."

Formel 1: Hamilton ratlos, Verstappen dominiert in Spielberg: (30:00 Min.)

In anderen Worten: Mercedes riskierte in Spielberg etwas, und das ging offenbar etwas daneben. "Ein großer Bereich ist, die Setup-Ausfahrt zu verstehen, die wir genommen haben, und ob dies den Hinterreifen das Leben im Longrun erschwert hat oder nicht", gesteht Shovlin. "Das können wir zum Teil einfach mit den Daten erledigen. Aber wir werden erst sehen, ob wir diese Arbeit auf den Freitag des Rennwochenendes übertragen können."

Österreich II: Mercedes vor erschwerter zweiter Chance

Das Problem dabei: Am zweiten Wochenende muss sich Mercedes zusätzlich auf eine Inkonstante einstellen. Pirelli bringt eine Stufe weichere Reifen, C3-C5 statt C2-C4. Noch dazu muss am Freitag in beiden Sessions eine neue, verstärkte Konstruktion für Pirelli getestet werden. Das raubt zusätzliche Zeit in den 2021 schon um eine halbe Stunde verkürzten Sitzungen.

"Das kann eine Herausforderung sein, wenn es hier sehr heiß ist", fürchtet Shovlin mit Blick darauf, den weichsten Pneu ins Arbeitsfenster zu bekommen. Hoffnungsvoll stimmt den Briten allerdings, dass Mercedes auch keine Welten finden müsse. "Wir suchen nicht nach massiven Unterschieden. Wir waren im Rennen um ein paar Zehntel zurück, und es gab etwas Reifenabbau", sagt der Brite. Und das könne zusammenhängen, sich also mit einer Lösung allein beheben lassen.

Zwei Probleme, eine Lösung?

Shovlin: "Wir werden einfach versuchen, die Hinterräder etwas kühler laufen zu lassen und etwas besser auf den Gummi zu achten. Auf diese Bereiche werden wir uns konzentrieren und dann geht es nur darum, ob wir in ein paar Tagen so etwas stärker zurückkommen können."

Upgrades wird es in den wenigen Tagen bis Österreich II sicher keine geben. Und danach? Die Konkurrenz kauft Mercedes nicht ab, keine Neuerungen mehr zu bringen. "Ich kann nicht glauben, dass sie das ganze restliche Jahr absolvieren ohne eine einzige neue Komponente ans Auto zu bringen", sagt Red-Bull-Teamchef Christian Horner.

Red Bull glaubt Mercedes nicht: Gar kein Upgrade mehr?!

Derart viel wie bei Red Bull wird es jedenfalls kaum werden, hört man nur zu, wie sich Toto Wolff über die Entwicklungsstrategie der Bullen wundert. "Red Bull hat am Donnerstag und Freitag Trucks oder Vans mit neuen Teilen gebracht", sagt der Mercedes-Leiter. "Aber das ist eine Strategie. Und zugegeben, es ist auch eine, die sich als erfolgreich erweist, weil sie so ziemlich in ihrer eigenen Liga waren", gesteht Wolff.

Weitermachen könne Red Bull so allerdings auf keinen Fall. "Wir können dagegensetzen, sie werden auch nicht bis September Teile bringen. Wenn das so wäre, würden sie im nächsten Jahr mit zwei Sekunden hinten sein", warnt Wolff - offenbar mit gewissem taktischen Kalkül - den eigenen Gegner. "Deswegen würde ich sagen, die meisten Teams sind 100 Prozent auf 2022 und dann gibt's wahrscheinlich Ausreißer wie Red Bull, die noch Teile bringen und das noch ziemlich substanziell. Aber das wird nicht ewig so gehen und am Ende des Tages ist die Meisterschaft noch lange nicht verloren!"

Ganze LKW-Ladungen neuer Teile erwartet auch Ex-Mercedes-Lenker Ross Brawn nicht. "Ich denke nicht, dass wir noch große Upgrades oder Änderungen an diesem Auto sehen werden", sagt der Brite. "Sie müssen einfach etwas mehr Saft aus der Zitrone pressen, ohne zu viele Ressourcen zu investieren, was nächstes Jahr negativ beeinflussen könnte."