Lewis Hamilton hätte als WM-Leader zum Formel-1-Rennen in Frankreich an diesem Wochenende reisen können. Doch anstelle eines beruhigenden Punktepolsters bescherte Baku ihm zwei Wochen zum Nachdenken - über den Verbremser, mit dem er die Großchance gegen Max Verstappen vergab. So groß die Enttäuschung im Moment der Niederlage war, mit etwas Abstand sieht der Weltmeister keinen Anlass, sich die Schmach von Aserbaidschan als Fehler anzukreiden. Der WM-Kampf gegen Verstappen könne ihn in keine solche Situation treiben.

"Max war in dem Moment ja nicht einmal im Rennen. Ich war definitiv nicht unter Druck von Max und ich zähle das nicht einmal als Fehler", stellt der siebenfache Champion im Vorfeld des siebten Saisonrennens in Le Castellet klar. In Baku hatte er beim stehenden Restart zwei Runden vor Schluss Red-Bull-Pilot Sergio Perez überholt und sich gleich darauf bei der Anfahrt auf die erste Kurve massiv verbremst. Anstatt dem mit einem Reifenschaden ausgefallenen Verstappen die WM-Führung zu entreißen, fiel er ans Ende des Feldes zurück und ging leer aus.

Hamilton und sein Team brauchten nicht lange, um die Ursache für das Missgeschick zu ermitteln. Der Brite erklärte selbst, dass er bei einer Lenkradbewegung an einen Knopf gekommen war, der die Bremsbalance auf die Vorderachse verschiebt. Diese Einstellung soll eigentlich nur in der Einführungsrunde aktiv sein, um die Bremsen auf Temperatur zu bringen. Obwohl Hamilton den Knopf manuell betätigte und damit die Situation herbeiführte, wertet er es nicht als seinen eigenen Fehler.

Hamilton und Mercedes schirmen Knopf ab

"Ein Fehler ist, wenn du von der Strecke fährst weil du den Bremspunkt verpasst hast oder in die Wand gefahren bist, aber das war keiner", so der 36-Jährige. Der sonst als Inbegriff des Null-Fehler-Jobs geltende Brite war in Baku nicht das erste Mal in dieser Saison neben der Spur. In Imola hatte er sich aus Ungeduld beim Überrunden auf einer nassen Stelle vor der Tosa-Kurve verbremst und war ins Kiesbett gerutscht.

Aufgrund der unabhängig von seinem Malheur verursachten Rennunterbrechung kam er mit zwei blauen Augen davon. Er erhielt die Chance, sich zu entrunden und wurde schlussendlich noch Zweiter. In Hamiltons Erinnerung scheint Imola vielleicht auch deshalb ein schwarzer Fleck zu sein. "Ich weiß nicht einmal mehr, welcher mein letzter [Fehler] war", sagt er. Was in Baku geschah, hätte außerdem auch unabhängig von der Situation beim Restart eintreten können.

"Es war eine Art ungezwungener Fehler, etwas das immer schon da war und jederzeit hätte passieren können. Leider hat es uns ziemlich erwischt. Aber wir lernen daraus und schauen nach vorne", so Hamilton. Mercedes hat Maßnahmen ergriffen, damit sich die verhängnisvolle Situation nicht wiederholt.

"Wir haben ihn [Knopf] nicht versetzt, aber wir haben ihn abgeschirmt, um sicherzustellen, dass man ihn in Zukunft nicht versehentlich betätigt", erklärt Hamilton, dass es für den Moment nur zu einer Behelfslösung gereicht hat. "Kurzfristig lässt sich das Lenkrad nicht so einfach ändern, mit dem Design wie all die Knöpfe angeordnet sind. Aber wir werden uns langfristig wohl eine Lösung überlegen."

Nach dem Rennen ist vor dem Rennen

Die Knopf-Causa ist für ihn damit zwar für den Moment erledigt, doch an den Nachwehen durch den Rennausgang hatte er eine Weile zu knabbern. "Diese Pausen sind manchmal schön für uns aber manchmal wünscht man sich, dass das nächste Rennen schneller kommt. Ich will einfach wieder angreifen und es besser machen als beim letzten Rennen, hoffentlich", so Hamilton.

Aus vier Punkten Rückstand hätte er in Baku einen Vorsprung von 21 auf Verstappen zaubern können. An einem Wochenende, an dem bis zum Reifenschaden des Konkurrenten für ihn maximal Schadensbegrenzung drin war. Der Sieg über Red Bull wäre für ihn und Mercedes einem Geschenk gleichgekommen.

"Ich weiß nicht, was ich über Glück denken soll. Manche sagen, dass man sich sein Glück selbst ermöglichen muss. Es gibt diese Momente, in denen du Pech haben kannst und dann gibt es auf jeden Fall auch die, in denen du vom Pech anderer profitierst. Aber ich weiß nicht, ob das als Glück zählt", sagt Hamilton. "Es hat uns aber gezeigt, wie schnell sich die Dinge ändern können. Deshalb zählt jeder Punkt."

Hamilton erleichtert: Mercedes trotz Krise im WM-Kampf

Nachdem bei Mercedes in Monaco und Baku Krisenstimmung herrschte, versucht er der gegenwärtigen Situation in der Gesamtwertung das Positive abzugewinnen: "Zum Glück sind wir nach zwei für uns schrecklichen Rennen immer noch sehr nah dran, was den Punktestand angeht. Wir sind noch voll im Rennen."

Für Panik gibt es dementsprechend keinen Anlass. "Ich fühle keinen Druck. Ich bin ziemlich entspannt und du kannst nicht immer perfekt sein", sagt er. Doch mehr als je zuvor gilt es für ihn und sein Team nach dieser Phase, gegen die Herausforderer zurückzuschlagen: "Die letzten beiden Rennen waren für uns als Team sehr schwierig. Wir haben viel gelernt und streben weiter nach Perfektion. Wir halten zusammen und es gibt nichts, was für uns unmöglich ist, wenn wir vereint sind."