Der Große Preis von Aserbaidschan lieferte nach seinem Debüt als Europa-GP 2016 immer spannende Formel-1-Rennen. Heute könnte es ab dem Start in Baku (ab 14 Uhr live bei Sky, F1TV, im ORF, SRF und Live-Ticker von Motorsport-Magazin.com) erneut richtig zur Sache gehen. Dafür sorgen insbesondere eine überraschende Startaufstellung, hohe Unfallgefahr und Windschattenschlachten auf 2,2 Kilometern Vollgas am Stück. Die sieben wichtigsten Schlüsselfaktoren zum Rennen.

Formel 1 Baku - Schlüsselfaktor #1: Startaufstellung

Mit Charles Leclerc als Polesitter hatte vor dem Wochenende in Baku nicht einmal Ferrari selbst gerechnet. Nach der starken Pace von Monaco erwartete die Scuderia einen Realitycheck. Dank Windschatten von Mercedes und einem erneut per Unfall abgebrochenen Qualifying reichte es dennoch zur sensationellen Pole Position für den Monegassen. Kaum weniger überraschend nach großen Problemen am bisherigen Wochenende ist der zweite Platz der Startaufstellung. Den belegt Lewis Hamilton, direkt vor seinem Titelrivalen Max Verstappen in Reihe zwei.

Diese komplettiert mit Pierre Gasly gleich die nächste Sensation im starken AlphaTauri, ehe in Reihe drei der zweite Ferrari von Carlos Sainz und der zweite Red Bull von Sergio Perez folgen. Letzterer profitierte von einer nachträglichen Strafe gegen Lando Norris. Die Stewards versetzten den McLaren-Fahrer wegen eines Vergehens unter roter Flagge um drei Plätze auf P9. Vor dem Briten starten Yuki Tsunoda im zweiten AlphaTauri und Fernando Alonso. Ein schwacher Valtteri Bottas komplettiert die Top-10.

Direkt dahinter nimmt Sebastian Vettel als erster Fahrer mit freie Reifenwahl das Rennen in Angriff. Mick Schumacher startet nach zahlreichen Unfällen im Qualifying heute recht weit vorne - von P17, direkt neben Nikita Mazepin.

Formel 1 Baku - Schlüsselfaktor #2: Start

Damit wäre die Ausgangslage geklärt. Erstmals ernst wird es dann am Start. Nur 137,8 Meter trennen in Baku die Pole vom ersten Bremspunkt. Traktionsvorteile oder Nachteile durch unterschiedliche Reifenmischungen gibt es an der Spitze nicht. Die Top-10 starten geschlossen auf weichen Reifen. Erwischt Leclerc mit gleichen Waffen einen guten Start, muss der Monegasse Windschatten für Hamilton und Verstappen wegen des kurzen Sprints also noch nicht fürchten.

Bei Mercedes kam es 2019 zu einem engen Teamduell am Start, Foto: LAT Images
Bei Mercedes kam es 2019 zu einem engen Teamduell am Start, Foto: LAT Images

Ausruhen kann sich Leclerc dennoch nicht. Die bisherigen Ausgaben des Aserbaidschan-GP haben gezeigt, dass nach der kurzen Gerade vor Kurve zwei schon dort beherzte Manöver möglich sind. Noch mehr gilt das in Kurve drei. Ihr geht die ebenfalls nicht gerade kurze Gegengerade voraus. Bei Geschwindigkeiten von bis zu 330 Stundenkilometern kommt hier schließlich doch der Faktor Windschatten ins Spiel.

Formel 1 Baku - Schlüsselfaktor #3: Windschatten

Der größten Gefahr sieht sich Leclerc allerdings erst nach rund vier Kilometern ausgesetzt - wenn das Feld erstmals auf die 2,2 Kilometer lange Vollgaspassage nach Kurve 16 zurückkehrt. Wie effektiv der Windschatten in Baku ist, erlebte Leclerc im Qualifying selbst. Dort zog ihn Bottas im letzten Sektor zur Pole. Der Finne kennt die Vorzüge seinerseits. Vor vier Jahren fing Bottas so noch auf der letzten Runde vor dem Zielstrich den Williams von Lance Stroll ab.

Der Faktor Windschatten bleibt also nicht nur auf den Start begrenzt. Profitieren könnte hier umso mehr Hamilton, Mercedes rüstete seinen W12 vor dem Qualifying auf ein besonders radikales Low-Downforce-Paket um. Im Gegensatz dazu zittert vor allem Ferrari wegen der bekannten Power-Defizite vor der Geraden. Das gesamte Rennen über wird es auf dem längsten Vollgasabschnitt des Formel-1-Kalenders zur Sache gehen. Das ist in Baku fast so garantiert wie Unfälle im engen Geschlängel des Stadtkurses - allein das Qualifying wurde von vier roten Flaggen unterbrochen.

Formel 1 Baku - Schlüsselfaktor #4: Safety Car

Ein Einsatz Bernd MayländerS ist im Rennen also auf jeden Fall einzukalkulieren. In den bisherigen vier Ausgaben des Rennens in Baku rückte das Safety Car insgesamt fünf Mal aus, verteilt auf zwei Grands Prix. Das entspricht einer SC-Quote von 50 Prozent. "Hier ist alles möglich, angefangen bei einer hohen Safety-Car-Wahrscheinlichkeit bis hin zu roten Flaggen", sagt Mercedes Chefingenieur an der Strecke, Andrew Shovlin.

Bernd Mayländer kommt in Baku häufig zum Einsatz, Foto: Sutton
Bernd Mayländer kommt in Baku häufig zum Einsatz, Foto: Sutton

Die größten Hoffnungen darauf setzt der bereits angesprochene Bottas. "Morgen wird ein schwieriges Rennen, aber mir ist klar, dass hier alles passieren kann. Ich war hier schon überrundet und bin noch bis an die Spitze vorgefahren", erinnert der Finne erneut an jenes Rennen vor vier Jahren. Bottas: "Hier weiß man einfach nie, was passiert und wir werden garantiert weiterhin alles geben!"

Formel 1 Baku - Schlüsselfaktor #5: Strategie

Ohne ein Safety Car geht Pirelli in der Theorie erneut von einem Einstopprennen aus. Diese Strategie führte bereits beim vergangenen Aserbaidschan-GP vor zwei Jahren Valtteri Bottas zum Sieg. 2021 soll das trotz einer Nummer weicherer Reifen weiterhin möglich bleiben. In den Top-10 erwartet Pirelli vor allem einen einzigen Wechsel von den verpflichtenden Softs am Start auf die harten Reifen. Außerhalb der Top-10 hält Pirelli Medium-Hard für eine lohnenswerte Variante, gerade wenn die Streckentemperaturen erneut so hoch ausfallen sollten wie bislang.

Diese Strategie ermöglicht zudem ein weites Boxenstoppfenster - durch einen längeren Stint auf dem Medium kann so etwa länger auf ein mögliches Safety Car gewartet werden, um dann zeitsparend zu wechseln. Darauf baut etwa der erste Fahrer mit freie Reifenwahl, Sebastian Vettel. "Wir können uns ja die Reifen aussuchen. Vielleicht kann uns das einen Vorteil bringen", sagt der Deutsche. "Es ist ein langes Rennen und hier kann viel passieren."

Auszuschließen sind auch zwei Stopps nicht ganz. Mit einer Durchfahrtszeit von 16,5 Sekunden hält sich der Zeitverlust in Baku in Grenzen. Noch dazu würde auch hier ein mögliches Safety Car durch einen noch geringeren Zeitverlust helfen. Track Position spiel in Baku unterdessen weit weniger eine Rolle - Straßenkurs hin oder her, siehe Abschnitt #3, Windschatten. Teamtaktisch hat unterdessen niemand Vorteile. Sowohl bei Red Bull, Mercedes als auch Ferrari starten die jeweiligen Teamkollegen von teils deutlich weiter hinten.

Formel 1 Baku - Schlüsselfaktor #6: Scharfe Brise

Die heißen Temperaturen sind in Baku jedenfalls auch am Rennsonntag zu erwarten. Erneut sollen im Rennen Außentemperaturen von 25 Grad Celsius herrschen. Diese erhitzten den Asphalt am bisherigen Wochenende auf bis zu 50 Grad Celsius. Das sorgte bereits in den Longruns am Freitag für enormen Reifenverschleiß. Diesen fördern bekanntlich auch Verbremser und stark rutschende Autos. Hier wiederum kommt der Faktor Wind ins Spiel. Nicht umsonst heißt Baku auch die Stadt der Winde.

Gerade bei derartig hohen Geschwindigkeiten verschiebt das die Bremspunkte je nach Windrichtig drastisch, die Gefahr für Fehler ist enorm. Im Qualifying war vor allem Kurve 15 die neuralgische Stelle. "Es gibt dort Rückenwind, es geht abwärts und es ist etwas welliger als letztes Mal hier und der Wind wird dort geradezu kanalisiert. Das macht es etwas kniffliger, denn so ist es dort auch böig", erklärt Vettel.

Formel 1 Baku - Schlüsselfaktor #7: Sieger

Track Position nicht alles entscheidend? Das heißt: Auf die Pace kommt es nicht nur im strategischen Fernduell an. Doch wer ist im Renntrimm am besten aufgestellt. Möglicherweise mal wieder Mercedes. So schlecht der W12 am Wochenende auf eine Runde ging - Ausnahme Hamiltons Qualifying - so gewohnt gut funktionierte er auf den Longruns am Freitag.

"Unsere Rennpace ist deutlich besser als auf eine Runde. Wir sollten im Rennen daher deutlich näher dran sein. Wir verstehen zwar nicht warum, aber ich denke, wir sind in einer guten Position", sagt Hamilton. "Wir haben alle Chancen und spielen vorne mit. Das ist wichtig. Bei der Pace auf den Longruns waren wir gestern gut. Wir hatten eine ähnliche Pace wie Red Bull", bestätigt Toto Wolff. Das Ziel ist jedenfalls klar. Der Sieg soll noch immer her. "Hoffentlich können wir uns morgen mit beiden Fahrern verbessern", sagt Shovlin. Zur Erinnerung: Hamilton startet von P2.

Der große Rivale sieht sich allerdings mitnichten im Nachteil. "Wir haben ein gutes Rennauto. Ich würde gerne weiter vorne starten, aber es ist noch immer Platz drei. Die Chance auf den Sieg ist noch da", sagt Verstappen.

Weniger zuversichtlich klingt ausgerechnet der Polesitter. "Es wird kein leichtes Rennen. Du kannst auf dieser Strecke überholen und Red Bull und Mercedes haben eine bessere Rennpace als wir", erinnert Leclerc. Am Freitag kämpfte der Monegasse extrem mit seinem Longrun. So schlimm werde es allerdings auch wieder nicht, hofft der Ferrari-Pilot.

Leclerc: "Es war insgesamt keine tolle Session von mir. Ich war am Anfang in der Mauer und habe auf dem Longrun einfach keinen guten Job gemacht, die Reifen zu managen. Es lag also mehr an mir als an irgendetwas anderem. Aber ich weiß, woran ich da arbeiten muss. Das wird morgen passen!"