Das bisherige Wochenende gestaltete sich für Lewis Hamilton wie eine Berg und Talfahrt. Hatte Mercedes am Freitag noch große Probleme mit der Pace des W12, konnte der Rennstall durch radikale Setup-Änderungen noch viel Zeit finden und so die Lücke zu Red Bull und Co. schließen.

Dabei bestach der Bolide des Briten durch sehr flache Flügel, was sich vor allem auf der langen Start-Ziel-Geraden bezahlt gemacht hat. Auch der Windschatten von Teamkollege Valtteri Bottas half Hamilton letztlich, seinen Renner auf Startplatz zwei zu stellen und WM-Rivalen Max Verstappen auszustechen. "Wir haben das definitiv nicht erwartet. Das ist ein monumentales Resultat", so Hamilton.

Mercedes-Poker vor Qualifying geht auf

Das Wochenende begann für Mercedes alles andere als nach Plan. Bereits am Freitag hatte das Werksteam mit der Pace auf einer Runden zu kämpfen, was für viele Fragezeichen in der Mercedes Garage sorgte. "Wir waren dieses Wochenende die ganze Zeit außerhalb der Top-10 und haben Probleme gehabt, das Ganze zu verstehen und das Maximum aus dem Auto herauszuholen", erklärt Hamilton.

Mercedes steckte in der Folge allerdings nicht die Köpfe in den Sand, wie Lewis Hamilton nach dem Qualifying festhält: "Ich bin sehr stolz auf die ganze Crew. Wir blieben für vieles offen und haben einige Änderungen vorgenommen. Auch in der Fabrik wurde über Nacht viel gearbeitet."

Mit diesen Änderungen spricht der amtierende Weltmeister vor allem das Flügelwerk des W12 an. Im Vergleich zum Fahrzeug von Valtteri Bottas entschied sich Mercedes dazu, Hamilton im Qualifying mit sehr flachen Flügeln auf die Strecke zu schicken. Davon profitierte Hamilton vor allem auf der langen Start-Ziel-Geraden. Mercedes wollte damit auch der fehlenden Shortrun-Pace entgegenwirken.

"Im Fp3 waren wir immer noch ein ziemliches Desaster. Wir haben am Ende der Session beim Auto aber noch etwas gefunden. Danach haben wir in diese Richtung gepusht und es hat sich ausgezahlt. Der Schritt vom FP3 zum Qualifying war also der größte, den wir in dieser Zeit machen konnten", erklärt Hamilton am Samstagnachmittag.

Valtteri Bottas für Lewis Hamilton geopfert?

Dass der Poker schlussendlich aber aufging, hat Hamilton auch seinem Teamkollegen zu verdanken. Der Finne gab Hamilton auf seiner ersten Q3-Runde einen Windschatten, der dem Briten zusätzliche Geschwindigkeit auf der Start-Ziel-Geraden gab.

Durch seine Hilfe blieb Bottas aber zunächst ohne Rundenzeit, was diesem schließlich zu Verhängnis wurde, da sein schneller Lauf im Q3 durch eine rote Flagge infolge des Crashs von Yuki Tsunoda verhindert wurde. Mercedes-Teamchef Toto Wolff betont allerdings, den Finne nicht für Hamilton geopfert zu haben: "Wir haben ihn nicht geopfert. Wir haben die Regel, dass sich beide Fahrer von Strecke zu Strecke abwechseln. Heute war Lewis dran, auszuwählen, wer vorne fährt."

Lewis Hamilton selbst glaubt zudem, dass trotz des Windschattens eine bessere Zeit drinnen gewesen wäre: "Ich war in meiner ersten Runde etwas zu nah an Bottas dran. Dadurch war ich im Mittelsektor etwas hinten. Es wäre also mehr drinnen gewesen, für Leclerc hätte es aber nicht gereicht."

Hamilton mit realistischer Siegchance am Sonntag

Durch das radikale Setup von Lewis Hamilton könnte sich für das morgige Rennen ein weiterer Vorteil ergeben. Der zusätzliche Top-Speed könnte Hamilton helfen, etwaige Gegner schneller zu überholen. Andere Piloten hingegen könnten Schwierigkeiten bekommen, dem Briten in schnellen Abschnitten zu folgen.

Lewis Hamilton und Valtteri Bottas waren am Freitag nur in Sachen Longruns bei der Musik, Foto: LAT Images
Lewis Hamilton und Valtteri Bottas waren am Freitag nur in Sachen Longruns bei der Musik, Foto: LAT Images

Hinzukommt, dass sich die Rennpace von Mercedes am Freitag durchaus sehen lassen konnte. Das ist auch Lewis Hamilton nicht entgangen: "Unsere Rennpace ist deutlich besser als auf eine Runde. Wir sollten im Rennen daher deutlich näher dran sein. Wir verstehen zwar nicht warum, aber ich denke, wir sind für morgen in einer guten Position."

Teamchef Wolff unterstreicht die Aussagen Hamiltons. "Wir haben alle Chancen und spielen vorne mit. Das ist wichtig. Bei der Pace auf den Longruns waren wir gestern gut. Wir hoffen, dass das auch morgen so bleibt", zeigt sich der Österreicher zuversichtlich.