Aller Anfang ist schwer: Das gilt in der Formel-1-Saison 2021 gleich für eine ganze Reihe erfahrener Piloten. Sebastian Vettel, Sergio Perez, Daniel Ricciardo und Carlos Sainz wechselten das Lager, Fernando Alonso kam sogar nach zwei Jahren F1-Pause zurück in die Königsklasse. Was sie alle eint, sind Eingewöhnungsprobleme in ihren neuen Teams und Arbeitsgeräten. Selbst ein viermaliger Weltmeister wie Vettel tut sich seit Saisonbeginn schwer, mit Lance Stroll mitzuhalten, der zuvor Sergio Perez klar unterlag.

Noch am besten in Fahrt ist bislang Carlos Sainz gekommen. Selbst auf ein Kaliber wie Charles Leclerc fehlten dem Spanier bislang im Schnitt nur zwei Zehntel im Qualifying, jener Disziplin, in welcher der Monegasse regelrecht als Killer gilt. Nach seinem ersten Podium für die Scuderia in Monaco verrät der Spanier nun in Baku, mit welchen Mitteln er diese etwas bessere Frühform als die meisten Team-Novizen erreichte.

Detailarbeiter Carlos Sainz

Warum er sich leichter tue als die anderen, könne er natürlich nicht sagen, so Sainz. Immerhin kennt der Spanier nicht das Programm von Ricciardo, Vettel & Co. "Ich kann nur sagen, was ich getan habe - und das funktioniert", sagt Sainz. Perfekt integriert sei allerdings auch er noch nicht. "Fertig bin ich noch nicht ganz. Es gibt noch paar Dinge zu verbessern und ein paar Dinge, in denen ich noch besser werden kann", ergänzt Sainz.

Die Basis stimmt jedoch. Warum? "Ich denke, es geht einfach darum, viel Zeit in der Fabrik zu verbringen. Ich versuche jedes einzelne Detail des Autos zu verstehen: Wie ich es fahren muss, warum Charles im Qualifying so schnell ist und versuchen herauszufinden, was er tut, um so schnell zu sein und daraus lernen", sagt Sainz.

Anpassungsbereitschaft unabdingbar

Viel Einsatz sei angesichts der heute sehr komplexen Formel-1-Autos einfach gefragt, so Sainz. "Da gibt es so viele Dinge, die du da als Fahrer im Cockpit anstellen kannst. Einstellungen ändern und damit spielen. Das ist derart komplex, dass du viel Zeit und Hingabe investieren musst", sagt der Spanier. Der einzige Grund sei das allerdings nicht, so Sainz. "Gleichzeitig ist es unmöglich, dich anzupassen, wenn dir als Fahrer die Fähigkeit dafür fehlt", ergänzt der Ferrari-Fahrer.

Hinzu kommt die Bereitschaft, sich an das Auto und nicht nur sich selbst an das Auto anzupassen. "Ich muss meinen Fahrstil anpassen und offen dafür sein, dass das, was ich im McLaren gemacht habe, im Ferrari vielleicht nicht funktioniert", schildert Sainz. "Da muss ich ein paar meiner Fahrtechniken ändern. Das ist komplex und würde hier noch mehr Zeit brauchen, wenn man es ganz genau erklären will. Und darunter sind auch ein paar vertrauliche Sachen, über die ich nicht sprechen kann ..."

Sainz hat Erfahrung: Vier Teams binnen fünf Jahren

Die letzten Geheimnisse will der Spanier also nicht verraten. Dafür gibt Sainz noch einen letzten Aspekt an. Erfahrung mit Teamwechseln. 2021 fährt Sainz nach Toro Rosso, Renault und McLaren bei Ferrari für sein bereits viertes Team in der Formel 1. "Ich habe eine gewisse Übung darin, nachdem ich jetzt innerhalb von fünf oder sechs Jahren in vier verschiedenen Teams war. Das hat mir dieses Bewusstsein [dass jedes F1-Auto heute doch sehr anders ist] gegeben", erklärt Sainz.

"Zum ersten Mal habe ich das erlebt, als ich von Toro Rosso zu Renault gewechselt bin. Da habe ich gedacht: 'Okay, diese beiden Autos sind völlig verschieden, aber vielleicht ist es eine Ausnahme'", erinnert sich Sainz. "Aber als ich dann von Renault zu McLaren bin, war es wieder ganz anders und genauso von McLaren zu Ferrari. Das hat mir die Augen geöffnet, wie anders bei diesen vier Teams alles ist und wie sehr du dich anpassen musst."

Auch Vettel, Ricciardo & Alonso waren wechselfreudig

Dass diese Erfahrung mit Teamwechseln allein nicht alles sein kann, verdeutlichen die Beispiele der anderen Fahrer. Sergio Perez verfügt mit Stints bei Sauber, McLaren und Force India/Racing Point vor seinem Wechsel zu Red Bull zumindest über dieselbe Erfahrung wie Sainz. Sebastian Vettel kommt mit BMW-Sauber, Toro Rosso, Red Bull, Ferrari und nun Aston Martin sogar auf einen Wechsel mehr als der Spanier. Für Daniel Ricciardo gilt mit HRT, Toro Rosso, Red Bull, Renault und nun McLaren dasselbe. Von Fernando Alonso (Minardi-Auszeit-Renault-McLaren-Renault-Ferrari-McLaren-Auszeit-Alpine) ganz zu schweigen.

Letztendlich gehe es vor allem um die Details, so Sainz. "Mit Renault war ich im ersten Rennen in Austin gleich auf Pace, aber die letzten zwei Zehntel fehlten mir, weil mir die Werkzeuge wie Differential-Mapping, Motorbremse und das letzte bisschen Fahrstil dafür fehlten. Dasselbe galt bei McLaren und gilt jetzt vielleicht auch bei Ferrari", sagt der 26-Jährige. "Es geht da mehr um die Setup-Optionen am Auto und wie du sie je nach Strecke einsetzt. Um die Aerodynamik oder Mechanik geht es da weniger. Da brauchst du vielleicht jahrelange Erfahrung mit dem Auto, in welche Richtung etwas liegt oder ob es nur an der Strecke liegt."

Sainz hat Spaß an Challenge Ferrari

Ein ebenfalls nicht zu unterschätzender Faktor: Sainz hat sogar Spaß an der Herausforderung, sich umzustellen. Die Brechstange lässt der Spanier im Geräteschuppen. Auch, wenn das in manchen Momenten schwierig erscheint. "Die Herausforderung selbst macht Spaß. Es macht aber keinen Spaß, wenn dir auf der Strecke zwei oder drei Zehntel fehlen und du dich selbst herausfordern musst, um die zu finden. Denn das erfordert, dass du aus deiner Komfortzone kommst", berichtet Sainz.

"Du denkst, du bist echt schnell und dann fährt Charles eine Runde, die dich aus deiner Komfortzone bringt. Da musst du dann offen dafür sein, was er macht und deinen Stil etwas ändern. Der ganze Prozess macht aber Spaß. Nur diese Momente, die dich aus deiner Komfortzone zwingen, machen keinen Spaß. Komfortzone macht einfach mehr Spaß." Besonders, wenn das am Ende zu einem Podium in Monaco führt. Den Ärger um den verpassten Sieg hat Sainz inzwischen überwunden. "Nach ein paar Tagen Reflexion war auch ich dann etwas stolzer und zufriedener", sagt der Spanier.

Ferrari: Baku kein zweites Monaco

In Baku erwartet Ferrari nach dem Formhoch in Monaco nun einen Rückfall in gewohntere Gefilde. "Das wird knifflig. Du hast diese zwei Kilometer lange Gerade und Beschleunigung und Topspeed sind nicht gerade unsere Stärken", sagt Sainz. "Deshalb werden wir wieder etwas hintendran sein. Aber wenn wir das Auto wie in Monaco in den langsamen Kurven zum Arbeiten bringen, können wir noch immer ein ordentliches Ergebnis einfahren. Nicht wie in Monaco, das war ein Ausreißer. Aber gute Punkte können wir holen!"