Mercedes ist in der Formel 1 seit Jahren das Team, welches es zu schlagen gilt. 54 Siege haben Lewis Hamilton und Valtteri Bottas seit 2017 als Fahrerduo eingefahren. Bei so einer Dominanz stechen gerade schlechte Wochenenden wie zuletzt Monaco 2021 besonders hervor - wenn das Team, das sonst so perfekt agiert, plötzlich unerwartet unterdurchschnittlich wirkt.

Aber wie unterstreicht jeder in diesem Team daraufhin immer wieder? Es sind diese schmerzvollen Wochenenden, aus denen man am meisten lernt. Und man kommt immer viel stärker zurück. Wie viel stärker? Kurz vor dem nächsten Rennen in Baku daher ein Blick zurück - was auf die letzten Desaster-Wochenenden von Mercedes folgte.

Die 5 schlimmsten Mercedes-Rennen seit 2017

Österreich 2018: 0 Punkte
Deutschland 2019: 2 Punkte
Brasilien 2019: 6 Punkte
Sakhir 2020: 7 Punkte
Monaco 2021: 7 Punkte

Österreich 2018: Das letzte Mercedes-Doppelaus

Das Desaster: 2018 befanden sich Mercedes und Lewis Hamilton in einem engen WM-Kampf mit Ferrari und Sebastian Vettel. Mit 23 respektive 14 Punkten reisten sie nach Österreich, eröffneten das Wochenende ganz nach Maß mit einer silbernen ersten Startreihe (Bottas vor Hamilton), und beim Start übernahm Hamilton die Führung vor Bottas.

Der entspannte Nachmittag war in Runde 14 vorüber: Bottas rollte mit Hydraulik-Defekt aus, konnte nicht mehr schalten. Sein Auto wurde unter Virtual Safety Car geborgen, welches die Hamilton-Box verpennte - Hamilton stoppte nicht, die Konkurrenz schon. Als Mercedes später stoppte, fiel man auf P4 zurück. Chefstratege James Vowles persönlich entschuldigte sich noch im Rennen per Funk bei einem stinksauren Hamilton: "Ich habe den Sieg heute weggeworfen."

Am Ende spielte es keine Rolle. Das Desaster ging weiter - Reifen zwangen Hamilton erneut zum Stopp, dann ein Verlust des Benzindrucks zur endgültigen Aufgabe. Die Führung in beiden WM-Wertungen war verloren.

Bottas' Ausfall in Österreich löste eine Kettenreaktion aus, Foto: Sutton
Bottas' Ausfall in Österreich löste eine Kettenreaktion aus, Foto: Sutton

Was folgte: Toto Wolff definierte die Doppel-Null damals als sein schlimmstes Formel-1-Wochenende. Ausfälle mit technischen Defekten seither? Zwei. So eine Defekt-Blamage gab es nie wieder. Mit dem Zurückschlagen wurde es allerdings beim nächsten Wochenende in Silverstone nichts, auch wenn Hamilton die Pole holte.

Beim Start aber ging Vettel im Ferrari vorbei, Hamilton wurde nach drei Kurven von Kimi Räikkönen torpediert. Bei einer späten Safety-Car-Phase stoppte Mercedes wieder nicht - so übernahm Bottas zwar die Führung, konnte einen frisch bereiften Vettel aber nicht halten. In dem Fall aber strategisch kaum ein Fehler: Wäre er gestoppt, hätte Bottas nie die Führung übernommen. Hamilton kämpfte sich auf P2 zurück. Ein Vorgeschmack auf die nächsten sieben Rennen: sechs Siege, ein zweiter Platz, die WM vorab entschieden.

Deutschland 2019: Horrorshow beim Mercedes-Jubiläum

Das Desaster: 2019 wäre Hockenheim gar nicht im Kalender gestanden, aber Mercedes half als Titel-Sponsor - denn man wollte das 125-Jahr-Jubiläum gebührend feiern. Inklusive Sonder-Lackierung, historischer Kleidung und dergleichen. Man hatte sich vor dem Rennen Sorgen gemacht, bei hohen Temperaturen zu langsam zu sein, doch dieses aus den Frühsommer-GPs bekannte Problem schien sich dank eines Upgrades verflüchtigt zu haben. Hamilton holte die Pole.

Am Sonntag kam der Regen. Kein Problem eigentlich für Hamilton, bekannt als Regenmeister, auch wenn er gesundheitlich angeschlagen war. Er und Bottas fuhren erst dem Feld davon. Dann begann die Strecke aufzutrocknen, und Chaos brach los: Hamilton kam für Slicks an die Box, just als es wieder anfing zu regnen. Charles Leclerc flog zugleich ab, das Safety Car kam. Hamilton, noch im Renntempo unterwegs, kopierte den Ferrari-Piloten in der gleichen Kurve, rutschte durch die Auslaufzone, fuhr sich den Flügel ab, überraschte eine unvorbereitete Boxencrew, stand 50 Sekunden lang, und bekam auch noch eine Strafe.

Das Rennen endete übelst: Bei Mischbedingungen warfen sowohl Hamilton mit Dreher, dann Bottas mit vollwertigem Crash das Auto weg. Bottas war zuvor rundenlang nicht am Racing Point von Lance Stroll vorbeigekommen. Hamilton quälte sich auf P11 ins Ziel, fragte schon, ob er aufgeben solle. Nur dank zweier Disqualifikationen vor ihm bekam er noch zwei WM-Punkte.

Mercedes 2019 in Hockenheim im Throwback-Design, Foto: LAT Images
Mercedes 2019 in Hockenheim im Throwback-Design, Foto: LAT Images

Was folgte: Eine spektakuläre Netflix-Episode - ausgerechnet bei diesem GP hatte Mercedes der Doku-Serie Zugang gewährt. Toto Wolff verfluchte das Verkleidungsspiel und das ganze Drumherum zum Jubiläum: Ja, er glaube an Karma. "Das zeigt, dass du mit solchen Dingen nicht herumspielen sollst." Man gab sich selbst die Schuld. Ein zu verspieltes Wochenende.

In Ungarn war der Mercedes wieder klassisch-silberfarben, und Hamilton mit einem Sieg wieder obenauf. Einem sensationellen noch dazu: Hinter Max Verstappen gestartet, manövrierte er dessen Einstopp-Strategie mit einem fulminanten Zweistopper aus und überholte den Red Bull in der Schlussphase. Verkleidungen kehrten nie mehr zurück.

Brasilien 2019: Schwacher Abtritt ohne WM-Druck

Das Desaster: In Brasilien war die WM dann ohnehin schon entschieden, aber um Siege kämpft man immer. Verstappen und Hamilton duellierten sich in der Anfangsphase, Hamilton übernahm dank Undercut die Führung, verlor die später auf der Strecke wieder. Dann der Schreck: Valtteri Bottas rollte in Runde 52 mit Ölverlust aus und verursachte ein Safety Car. Der erste Defekt-Ausfall seit dem schicksalshaften Österreich-GP.

Unter Safety Car stoppte Verstappen, Hamilton nicht. Wieder ging der Red Bull nach dem Restart vorbei. Dann folgte noch ein Safety Car. Diesmal stoppte Hamilton - was ihn auf den vierten Platz zurückwarf. Schluss-Sprint? Mitnichten. Beim Angriff auf Alexander Albon verschätzte sich Hamilton, drehte den Red Bull, bekam eine Strafe, scheiterte beim Schluss-Spurt den Berg hoch gegen Pierre Gasly, und aus seinem dritten Platz wurde ein siebter.

Beim letzten Restart in Brasilien war Hamilton zu weit zurückgefallen, Foto: Red Bull
Beim letzten Restart in Brasilien war Hamilton zu weit zurückgefallen, Foto: Red Bull

Was folgte: Das Eingeständnis eines Strategie-Fehlers. Man hatte sich verrechnet und übersehen, wie weit Hamilton beim Boxenstopp zurückfallen würde. Unter dem Druck, nur mehr zwei Runden bis ins Ziel zu haben, gab sich Hamilton mit seiner schlecht eingeschätzten Attacke gegen Albon den Rest.

"Es war einfach nur dumm", so Cheftechniker James Allison, der an dem Wochenende zum ersten und einzigen Mal Toto Wolff als Teamchef vertrat, zur Strategie. Mercedes und Hamilton bügelten es beim folgenden Saisonfinale in Abu Dhabi mit einem Grand Slam - Pole, Sieg, schnellste Runde, immer geführt - aus. Bottas musste den Motor wechseln, kämpfte sich zurück auf P4.

Sakhir 2020: Aus George Russells großer Stunde wird nichts

Das Desaster: Auch beim vorletzten GP von 2020 war der WM-Titel längst entschieden. Dann die Bombe: Lewis Hamilton am Coronavirus erkrankt! George Russell darf ins Cockpit! Trotz dieser Ausgangssituation hatte Mercedes alles unter Kontrolle, Bottas holte Pole vor Russell, und Russell dominierte nach dem Start das Rennen locker vor Bottas.

So lief es bis zu einer späten Virtual-Safety-Car-Phase, dann kam das Desaster kurz und knackig: Mercedes holte beide Fahrer zum Sicherheits-Doppelstopp für frische Reifen rein, aber verwirrte sich selbst und holte die falschen Reifen. Russell bekam Bottas' Reifen, musste noch einmal stoppen und zurücktauschen. Bottas bekam gar keine Reifen. Russells Rest-Chance zerfiel mit einem plötzlichen Reifenschaden dann endgültig. Er holte P9, Bottas P8.

Chaos in der Box bei Mercedes in Sakhir, Foto: LAT Images
Chaos in der Box bei Mercedes in Sakhir, Foto: LAT Images

Was folgte: Die Erkenntnis, dass das eigene Funk-System einen falschen Funkspruch vor dem Boxenstopp priorisiert hatte. Hätte bei jedem Rennen passieren können, meinte Mercedes, und machte sich auf die Suche nach der Lösung. In der nächsten Woche hielt man sich schadlos, wenngleich man chancenlos gegen Max Verstappen war. Bottas holte P2, ein zurückgekehrter und gesundheitlich noch angeschlagener Hamilton P3. Einem traurigen Russell blieb die Chance auf Vergeltung verwehrt.

Fazit: Mercedes' Desaster-Wochenenden blieben bisher Einzelfälle. Die gleichen Ursachen hatten sie nie - nur eine Tendenz, sich strategisch gelegentlich in Extremsituationen zu verstolpern, kann ihnen nachgesagt werden. Geht technisch etwas schief, bekommen sie das aber sofort in den Griff. Und noch nie - weder im WM-Kampf noch abseits davon - kamen sie durch ein Horror-Wochenende aus dem Tritt.