Der Monaco GP am vergangenen Sonntag war wahrlich kein Leckerbissen. Das fünfte Rennen der Formel-1-Saison 2021 bot nur wenig Action. Deswegen stach das Duell zwischen Sebastian Vettel und Pierre Gasly in Runde 32 umso mehr heraus. Der Aston-Martin-Fahrer schob sich durch einen Overcut an seinem Gegner vorbei. Als er die Boxengasse verließ und auf die Rennstrecke zurückkehrte, kam es zwischen beiden Piloten zum Showdown um Platz fünf: Vettel startete mit etwas Vorsprung in den Sprint zu Kurve 3. Gasly holte auf, blieb aber hinter Vettel. Den entscheidenden Moment des Duells bekamen die Fernsehzuschauer aber nicht zu sehen. Die TV-Regie spielte stattdessen eine Wiederholung von Vettels Teamkollegen Lance Stroll ein, der in der Hafenschikane die Leitplanke leicht streifte. Dadurch wurde der Kanadier in der Zwischenzeit zum Meme-König.

Auch bei den Einblendungen haperte es stellenweise. Als Gasly und Weltmeister Lewis Hamilton im Rennen unmittelbar hintereinander auf den Plätzen sechs und sieben lagen, wurde die bisherige Saisonbilanz beider Fahrer in einer Grafik dargestellt, allerdings mit vertauschten Werten.

Der Grund für die Auffälligkeiten: Die Formel 1 ist beim Monaco Grand Prix nicht selbst für die Produktion des Fernsehsignals zuständig. Der Automobile Club de Monaco (ACM) ist der einzige Ausrichter eines Grand Prix, der selbst für die Produktion des World Feeds verantwortlich. Er beauftragt den monegassischen TV-Sender TMC damit.

"Der ACM hatte die volle Kontrolle über die Übertragung", teilte ein Sprecher des Formula One Managements auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com mit. "Wir hatten kein Mitspracherecht bei der Kameraführung. Es wird ihnen natürlich noch einmal zurückgemeldet werden."

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Früher war es üblich, dass die Fernsehbilder nicht zentral produziert wurden, sondern von den jeweiligen Anstalten in den Austragungsländern. Der Österreichische Rundfunk (ORF) sorgte schon in den 1970er Jahren für die TV-Produktion bei den Rennen am heutigen Red Bull Ring. In Deutschland produzierten in dieser Zeit das SWF für die ARD und das ZDF die Übertragung. Als RTL später die Rechte erwarb, übernahm der Privatsender diese Aufgabe. So ist zu erklären, warum die Einbildungen in historischen Übertragungen in der Landessprache erscheinen.

Bis 1996 existierte lediglich das TV-Signal der lokalen Host Broadcaster. Das änderte sich beim Deutschland GP auf dem Hockenheimring. Der Pay-TV-Sender DF1, Vorgänger des heutigen Sky, bot seinen Kunden mit den Features von F1 Digital+ eine neuartige Übertragung an. Die Zuschauer hatten Zugriff auf sechs unterschiedliche Kanäle. Dazu zählten unter anderem das offizielle Live-Timing und der Cockpit-Kanal. Weitere Pay-TV-Anbieter aus Großbritannien, Spanien, Frankreich und Italien schlossen sich später diesem Dienst an.

Formel 1 produzierte Signal für Pay-TV

Es handelte sich um aufwendige TV-Produktionen, die später zusätzliche Vorteile wie separate Fernsehgrafiken und Funksprüche beinhalteten. An den Rennstrecken wurden Rennwochenende für Rennwochenende ein großes Technikzentrum aufgebaut, das in zwei Jumbojets um die Welt geflogen werden musste. Weil die Formel 1 die Produktion steuerte, wurde landläufig von "Ecclestone TV" gesprochen. Ende 2002 wurde der Dienst eingestellt, da der Betrieb nicht rentabel war.

Mit der 2004 gänzlich erneuerten TV-Präsentation kehrten viele Features zurück - allerdings waren sie nicht mehr nur den zahlenden Zuschauern vorbehalten. Für die breite Öffentlichkeit wurden erstmals Mitteilungen der Rennleitung, Flaggensignale und Rundenzähler eingeblendet. Ohne diese Features ist heute keine Motorsportübertragung mehr vorstellbar - nicht einmal in Nachwuchsrennserien. Zur selben Zeit produzierte die Formel 1 das Weltsignal selbst. 2004 begann man mit vier Rennen. In den darauffolgenden Jahren wurde das Pensum schrittweise erhöht. Bis einschließlich 2011 war der Japan GP neben dem Rennen in Monaco das einzige Event, bei dem das TV-Signal von einem lokalen Fernsehsender produziert wurde.

Foto: LAT Images
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In den vergangenen Jahren baute die Produktionseinheit des Formula One Management (FOM) ähnlich wie zu Zeiten von F1 Digital+ ein Broadcasting-Zentrum auf, in dem alle Fäden in der zentralen Regie zusammenliefen. Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie wird der Komplex nicht mehr an den Rennstrecken aufgebaut. Er wurde in das Technologie-Zentrum der Formel 1 integriert. Es ist am Flughafen London Biggin Hill stationiert und bereit unter anderem Wiederholungen sowie Funksprüche für die TV-Übertragung auf. Dort werden auch die in Kooperation mit AWS gesammelten Performance-Daten analysiert und visualisiert. Die Expertise dafür fehlt lokalen Host Broadcastern, sodass die zentrale Produktion der Fernsehbilder sinnvoll ist, um die datenbasierten Features anbieten zu können.

Zudem ist die Formel 1 inzwischen selbst zu einem großen Content-Anbieter geworden. Sie betreibt nicht nur den eigenen kostenpflichtigen OTT-Dienst, über den alle Sessions aus unterschiedlichen Perspektiven übertragen werden, sondern produziert auch frei zugängliche Formate, die beispielsweise auf der Plattform Youtube zu finden sind.

Formel 1 verschweigt Protestaktion

Die Formel 1 ist im Sport mit ihrer Inhouse-Produktion nicht alleine. Auch bei anderen Großereignissen wie den Olympischen Spielen, der Fußball-Europameisterschaft und der -Weltmeisterschaft werden die TV-Bilder von den Rechteinhabern selbst produziert. Das soll eine gleichbleibende Qualität der Übertragungen sicherstellen. Zugleich erhalten die jeweiligen Ausrichter die Hoheit über das, welche Szenen ausgestrahlt werden.

Foto: Sutton
Foto: Sutton

In der Formel 1 gab es derartige Fälle bereits, bei denen die TV-Zuschauer nicht alles zu sehen bekamen. 2013 protestierte Greenpeace beim Belgien GP gegen Shell, den Hauptsponsor des Rennens. Pünktlich zur Siegerehrung betätigten die Aktivisten eine Fernsteuerung, mit der sie ein Banner auf dem Podium entfalteten, und seilten sich vom Dach des Boxengebäudes ab. Die Botschaft war für den Bruchteil einer Sekunde im TV zu sehen, ehe der Regisseur auf eine Kamera schaltete, die ausschließlich Rennsieger Sebastian Vettel zeigte. Die Zuschauer sahen lediglich, wie das Publikum und die Fahrer verwundert nach oben schauten und hörten dabei Pfiffe.

Im vergangenen Jahr kritisierte Daniel Ricciardo die Bildregie beim Bahrain GP. Nach Romain Grosjeans schwerem Unfall wurde die Wiederholung der Ereignisse häufig gezeigt. "Für mich fühlte es sich so an, als ob es alles war, was wir sehen mussten, als wir das erste Mal gesehen haben, dass er rausgesprungen ist und ins Medical Car eingestiegen ist. Ich fand es seiner Familie gegenüber rücksichtslos", sagte der damalige Renault-Fahrer.