Endlich ein ebenbürtiger Gegner für Lewis Hamilton und Mercedes. Nach den Testfahrten und dem Formel-1-Saisonstart 2021 in Bahrain freute sich bereits die halbe F1-Szene, in dieser Saison keinen Sololauf des Briten und Mercedes’ zu erleben. Obwohl die Weltmeister Max Verstappen und Red Bull zum Auftakt niederrangen, schien selbst eine Wachablösung denkbar.

Nur wenige Wochen und weitere drei Rennen später blickt Hamilton zurück auf den mit 94 WM-Punkten statistisch besten Saisonstart seiner gesamten Formel-1-Karriere - besser als in jedem Jahr seiner sieben WM-Titel. In der WM-Wertung führt der Brite mit 14 Zählern Vorsprung auf Verstappen, Mercedes liegt 29 Punkte vor Red Bull. Insbesondere zuletzt in Barcelona zeigten die Titelverteidiger ihren Herausforderern, wen es in der Formel 1 noch immer zu schlagen gilt.

Formel 1 2021: Kann Verstappen Hamilton wirklich schlagen?

Spätestens der Spanien-GP führt nun zu einem Sinneswandel in der Formel 1. Sind Red Bull und Verstappen Mercedes und Hamilton 2021 wirklich gewachsen? Oder haben sich zahlreiche Experten, Beobachter und manche Fans zu früh gefreut? Genauso klang es nach dem Rennen bereits bei Verstappen selbst durch, nun schließen sich auch andere an.

„Beide sind auf Augenhöhe gestartet. Ich glaube auch, weil Mercedes Schwierigkeiten hatte“, erinnert etwa Ralf Schumacher in einem Pressegespräch von Sky Sport F1. „Was jetzt passiert ist, ist, dass Mercedes unglaublich konstant ist und keine Fehler gemacht wurden - bis auf den kleinen von Lewis Hamilton in Imola, bei dem er am Ende des Tages auch wieder sehr viel Glück hatte.“

Ralf Schumacher schwindet die Hoffnung: Red Bull klar zu langsam

Abseits dieses Zwischenfalls habe Mercedes seine Probleme schnell ausgeräumt. „Auto-technisch ist Mercedes trotz dieser Rake-Geschichte [Mercedes und Aston Martin sehen sich wegen ihrer weniger angestellten Autos von den Regeländerungen im Winter härter getroffen] zumindest auf den schnelleren Kursen im Moment eine Bank. In Barcelona ist der [Hamilton] teilweise fast eine Sekunde schneller gefahren, wenn er nochmal Gas gegeben hat“, sagt Schumacher. „Das war schon faszinierend, fast beängstigend zu sehen.“

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So beängstigend, dass Schumacher Red Bull fast schon abschreibt. „Max Verstappen mit Red Bull - auch wenn Max jetzt wieder ein besseres Wochenende hatte - waren einfach deutlich zu langsam. Langsam schwindet mir etwas die Hoffnung, Red Bull muss schon einen großen Schritt nach vorne machen“, sagt der sechsfache GP-Sieger und heutige TV-Experte.

Verstappen senior: Red Bull braucht schnell großen Schritt

So sieht es auch Verstappen senior. „Wir sehen, wie getrieben alle sind - aber im Moment ist das nicht gut genug“, sagt Jos Verstappen der niederländischen Zeitung ‚De Telegraaf’. „Sie müssen einen weiteren Schritt machen - am besten so schnell wie möglich. Die Lücke darf nicht zu groß werden.“

Nach den Tests und auch dem ersten Rennwochenende in Bahrain habe noch alles nach einem sehr guten Red Bull ausgesehen. „Aber Mercedes hat das Ruder schnell herumgerissen“, sagt der 49-Jährige. „Wir dürfen nicht vergessen, wie überlegen sie vergangenes Jahr waren. Ja, es gab aerodynamische Änderungen, aber insgesamt bleibt der Mercedes ein sehr gutes Auto.“

Red-Bull-Teamchef Horner: Mercedes lagen die Strecken besser

Christian Horner erteilte derartigen Einschätzungen bereits in Spanien eine Absage. „Wir wussten, dass die letzten beiden Kurse zu ihren Stärken passen würden“, sagte der Red-Bull-Teamchef. „So war es auch, aber wir waren sehr viel näher dran als wir es zuvor waren. Wenn wir nur noch etwas mehr Rennpace finden, dann ist es noch immer sehr, sehr eng zwischen den beiden Autos.“

Red Bulls vermeintliche Stärke könne auch auf seinen Sohn zurückzuführen sein, entgegnet nun Verstappen senior: „Vielleicht sollte ich es nicht sagen, aber: Das Auto sieht durch Max besser aus, als es in Wirklichkeit ist.“ Das begründet der ehemalige Teamkollege von Michael Schumacher mit gleich drei Argumenten. „Man kann auch sehen, dass Mercedes gerade viel weniger Reifenverschleiß hat als wir. Max muss mehr am Limit fahren, um mit Mercedes mitzuhalten. Deshalb beansprucht er die Reifen sehr viel mehr“, sagt Verstappen senior zum einen.

Vater Jos: Max Verstappen muss mehr ans Limit

Das führe zum anderen auch zu Fehlern wie den Track-Limit-Vergehen von Imola und Portimao - wobei Verstappen diese nicht einmal als Fehler kategorisiert: „Er will manchmal einfach mehr, als im Auto steckt. Das sind aber keine Fehler. Man kann sehen, dass Max einfach alles tut, was er kann.“ Noch dazu seien bis dato sämtliche Teamkollegen bei Red Bull immer weit hinter Max Verstappen zurückgeblieben, schließt Jos Verstappen.

Diesen Punkt teilt Ralf Schumacher. „Der Teamkollege hat in den letzten Jahren gefehlt, nicht nur Max, sondern auch dem Team“, sagt der 180-malige GP-Starter. Das sei allerdings nicht alles. „Das ganze Team ist insgesamt nicht so weit wie Mercedes“, kritisiert Schumacher. „Das ist eine Einheit, wie ein funktionierendes Getriebe. Dann gibt es diesen genialen Strategen, der mit Lewis meistens die Kohlen aus dem Feuer holt. Das ist etwas, das dem Team [Red Bull] fehlt.“

Schumacher: Red Bull auch als Team hinter Mercedes

Anders als Verstappen senior sieht Schumacher dabei ein - natürliches - Defizit auch bei dessen Junior. Schumacher: „Da Max noch sehr jung ist und noch nicht mit vielen Erfahrenen zusammengearbeitet hat, kann er das [eine Symbiose wie Hamilton/Vowles/Bonnington] dem Team noch nicht geben. Das ist dann schwer und du verlangsamt den Prozess etwas.“

Einen zumindest möglichen Vorteil für den diesjährigen WM-Ausgang sieht Schumacher bei Red Bull: die Doppelentwicklung für 2022. Motorsportberater Dr. Helmut Marko hatte bei Motorsport-Magazin.com bereits angekündigt, Red Bull werde noch bis zu Sommerpause weiter am aktuellen Boliden arbeiten. „Wir sind sicher nicht BMW, wo sie [2008] gesagt haben, dass es ihr Plan ist, erst im nächsten Jahr Weltmeister zu werden“, erklärte der Grazer im MSM-Interview.

Ist das länger als bei Mercedes? „Ich bin gespannt, was Red Bull macht“, sagt Schumacher. Doch auch Mercedes dürfe man nicht unterschätzen. Schumacher: „Mercedes weiß, worauf man sich da einlässt. Ich glaube, die haben auch noch genug im Gepäck.“

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