Bist du erst in Barcelona gut, dann bist du fast überall gut. Diese Richtlinie gilt seit Jahren in der Formel 1. Der Circuit de Barcelona wird oft als Benchmark-Strecke zitiert, weshalb er in der Vergangenheit auch so ein beliebter Wintertest-Ort war. Layout, Asphalt und Bedingungen lassen in der Regel Aussagen für den Rest der Saison zu.

Sind das also schlechte Nachrichten für Red Bull? Im Qualifying war Max Verstappen lediglich auf Augenhöhe mit Lewis Hamilton unterwegs, und im Rennen durften sich die Mercedes über einen klaren Pace-Vorteil freuen. Wie aber schon vor einer Woche nach Portimao mahnen die WM-Führenden zur Vorsicht. Aus gutem Grund: Barcelona ist nicht mehr die Benchmark, die sie vorzugeben scheint.

Barcelona-Upgrades in der Formel 1 nicht mehr "in"

"Man muss ein bisschen vorsichtig sein, da was hineinzulesen", bremst Mercedes-Chefingenieur Andrew Shovlin. "Historisch gesehen sagt man das, weil Barcelona jenes Rennen war, wo jeder große Upgrades gebracht hat. Heutzutage aber hat man die Kosten-Obergrenze, und muss über komplett neue Regeln für nächstes Jahr nachdenken. Und man ist bei der Windkanal-Zeit schwer eingeschränkt."

Früher war das anders: "Hier sah man jedes Auto, nachdem ein ordentlicher Batzen Entwicklung reinfloss, auf deren Basis man den ganzen Saison-Mittelteil absolvierte." So läuft das 2021 nicht. Viele Teams brachten stattdessen über die letzten vier Rennen hinweg nach eigenem Gutdünken dann neue Teile, wenn es ihnen in den Fahrplan für die eigene Saison passte. Das Upgrade-Rennen Barcelona gibt es nicht mehr.

Barcelona mit modernen Formel-1-Autos nicht mehr eindeutig

Obendrauf verliert Barcelona aufgrund der modernen Formel-1-Autos Aussagekraft. "Als die Autos noch weniger Grip hatten, und als die Autos und Reifen nicht so breit waren, war es ein toller Kurs mit einer Mischung aus schnellen und langsamen Kurven", erklärt Shovlin. Grenzwertige Highspeed-Kurven erlauben es gut, die Balance von Autos zu vergleichen. Nur das beste Auto kann kritische Kurven mit Vollgas durchfahren.

Inzwischen haben die Autos, besonders seit der Verbreiterung von 2017, aber immer bessere Kurvenhaftung. Für Barcelona praktisch zu gut: "Jetzt gehen die schnellen Kurven besonders im Qualifying praktisch mit Vollgas. So siehst du keinen Unterschied zwischen den Teams mehr."

So weigert sich Mercedes weiter beharrlich, sich selbst als bestes Team zu sehen. Sicher nicht basierend auf der Pole und dem Sieg von Lewis Hamilton. Nur dass sie einen Schritt nach vorne gemacht haben, gestehen sie ein: Sorgen mit überhitzenden Reifen, wie man sie in Bahrain hatte, sind inzwischen hinfällig. "Und wir haben wohl Fortschritte beim Verstehen unseres Pakets gemacht", glaubt Shovlin. Die Entwicklungen gehen in die richtige Richtung.

Mercedes glaubt weiter an enge Formel-1-WM 2021

"Aber ich glaube nicht, dass das für die Zukunft was aussagt", meint Shovlin. Viele unterschiedliche Strecken kommen. "Und Red Bull ist in Wahrheit nie so anders als wir. So läuft das dieses Jahr - im Qualifying hätte es in jedem Rennen jedermanns Pole sein können. Abgesehen von Bahrain, wo wir nicht wettbewerbsfähig waren."

Formel 1, Spanien 2021: Hat Red Bull den Sieg weggeworfen? (18:28 Min.)

Für das nächste Rennen in Monaco soll daher alles offen sein: "Auf dem Papier würde ich sagen, dass es Red Bull besser passt. Denn wir fahren schon mit unserem Flügel für maximalem Abtrieb. Auf ihrem Auto haben wir den am Freitag gesehen, aber sie sind das Rennen nicht damit gefahren. Also können sie ein bisschen mehr Abtrieb draufpacken."

"Aber wir waren in Barcelona auch gut in den langsamen Kurven, und das ist ein guter Indikator für Monaco", ergänzt Shovlin. Die Wahrheit dürfte sein: Erst in Monaco wird man sicher urteilen können, ob Mercedes oder Red Bull schneller sind. Die WM 2021 ist eng - auch wenn es drei zu eins für Mercedes und Lewis Hamilton steht.