Barcelona ist bei normalen Bedingungen nicht unbedingt für Formel-1-Klassiker bekannt. Die 4,675 Kilometer lange Strecke zeichnet sich eher als Test-, denn als Rennstrecke aus. Überholmanöver sind meist Mangelware. Aber auch beim vierten Lauf zur Formel-1-Weltmeisterschaft 2021 ist die Ausgangslage an der Spitze so gut, dass der Spanien GP jede Menge Spannung verspricht.

Zum 100. Mal in seiner Karriere geht Lewis Hamilton von der Pole Position aus ins Rennen. Dahinter folgt aber schon Titelrivale Max Verstappen. Mercedes und Red Bull trennten gerade einmal 0,036 Sekunden. Die beiden Autos sind quasi gleich schnell. Trotz der knapp verpassten Pole Position ist das für die Bullen ein Erfolgserlebnis. "Zum ersten Mal seit zehn Jahren starten wir hier wieder aus der ersten Reihe", freut sich Teamchef Christian Horner.

Formel 1 Barcelona: Red Bull holt sieben Zehntel auf

Barcelona zeigt die Stärken und Schwächen der Autos besonders. Sind die Abstände groß, setzte sich im Normalfall das beste Auto, nicht der beste Fahrer durch. Deshalb war Mercedes hier fast ein Jahrzehnt lang fast konkurrenzlos. Red Bull hat binnen eines Jahres sieben Zehntelsekunden vom Rückstand abgeknabbert.

Das reichte, um immerhin einen Silberpfeil zu schlagen: Valtteri Bottas verpasste die Pole durch einen kleinen Fehler in Kurve zehn. Er geht von Platz drei aus ins Rennen. "Heute haben wir den Vorteil, dass unsere beiden Autos von der sauberen Seite losfahren", weiß auch Mercedes Motorsportchef Toto Wolff.

Alles für Track Position: Start unbedingt auf Soft

Mit 579 Metern von Pole bis zum ersten Bremspunkt ist der Sprint in die erste Kurve besonders lang. Der Start ist sogar so entscheidend, dass sich selbst die Topteams auf Soft-Reifen für Q3 qualifizierten. "Am Start machen die Reifen sechs Meter Unterschied", rechnet Hamilton vor.

Weil Überholen so schwer ist, will niemand am Start Positionen verschenken. "Und es gibt auch keinen Vorteil", wirft Hamilton ein. "Wenn man mit dem Medium vorne bleibt und das Auto dahinter auf Soft ist und sie an die Box kommen, dann kommt man selbst auch zum Stopp. Man hat also nichts vom Medium-Reifen und man gibt eine extra Möglichkeit auf."

Hamilton auf leicht älteren Soft-Reifen

Im Gegensatz zur Verstappen und Bottas startet Hamilton auf älteren Reifen. Das ist allerdings nur ein kleiner Nachteil. Hamilton fuhr auf den Soft-Pneus nur eine Outlap im Q1. Seine erste Runde im Q1 war nicht schnell genug, deshalb ging der Brite noch mit einem frischen Satz raus. Allerdings war am Ende seiner Outlap klar, dass er die Runde nicht mehr braucht. Also ging Hamilton sofort wieder an die Box.

Obwohl alle Piloten in den Top-10 auf Soft starten, hat Mercedes auch neben der sauberen Seite noch einen zusätzlichen Vorteil. Sergio Perez patzte im Qualifying nach körperlichen Problemen und startet nur von Platz acht. Selbst wenn sich der Mexikaner im Rennen nach vorne kämpfen kann, bis er an der Konkurrenz vorbei ist, dürfte vorne der Zug schon abgefahren sein.

Barcelona: Mercedes im strategischen Vorteil

Mercedes ist - wie in den vergangenen Jahren soft oft - strategisch durch Überzahl im Vorteil. "Das gibt uns strategische Möglichkeiten, aus denen wir im Rennen das Beste herausholen müssen", fordert Wolff.

Und Mercedes hat noch einen weiteren Vorteil: Im Gegensatz zu Red Bull haben die Silberpfeile noch zwei Sätze Medium für das Rennen übrig. Die müssen nicht zwingend genutzt werden, gibt aber größeren Spielraum bei der Strategie. Red Bull muss bei einem aggressiven Undercut stärker aufpassen, weil man bei einer Zweistopp-Strategie zweimal auf Soft fahren muss. Mercedes kann hier theoretisch auch zweimal Medium wählen.

Perez das heimliche Red-Bull-Ass?

Ein Ass könnte Red Bull aber tatsächlich noch im Ärmel haben: Reifenflüsterer Sergio Perez. Die Experten rechnen mit einem relativ klaren Zweistopp-Rennen. Der Verlust in der Boxengasse ist nicht ganz so groß wie noch in Imola oder Portimao, die Strecke ist zudem deutlich aggressiver zu den Reifen.

Während die Top-Piloten im vergangenen Jahr auf zwei Stopps gingen, kam Perez im Racing Point mit einem Reifenwechsel durch. Perez startete auf Soft und fuhr den zweiten Stint mit den Medium-Pneus zu ende. Er beendete das Rennen auf Rang fünf. Bei den Longruns am Freitag kristallisierte sich allerdings noch kein klarer Favorit heraus. Das Bild ist nach wie vor diffus.

Fazit: Auf dem Papier hat Mercedes die besseren Karten: Die besseren Startpositionen, mehr Strategieoptionen und zwei Fahrer vorne. Allerdings liegt die Performance zwischen Red Bull und Mercedes so eng zusammen, dass Verstappen trotzdem Chancen auf den Sieg haben dürfte, sobald er die Trackposition hat. Denn die ist in Barcelona wichtiger als alles andere.