Mercedes sicherte sich am Freitag in Barcelona beide Trainingsbestzeiten. Erst fuhr Valtteri Bottas schneller als die Konkurrenz, dann Lewis Hamilton. Und ausgerechnet Hauptkonkurrent Red Bull schien zu schwächeln. Das aber ist nur die halbe Wahrheit, wie die Trainingsanalyse von Motorsport-Magazin.com für den Spanien GP 2021 zeigt.

Beim Blick auf das Ergebnis ist es eindeutig: Mercedes geht als absoluter Topfavorit ins Rennen. Nicht nur aufgrund der eigenen Stärke, sondern auch dank der Schwäche des Gegners. Red Bull kam im 2. Freien Training nicht über die Plätze neun und zehn hinaus.

Max Verstappen mit Fehler auf schnellster Runde

Allerdings musste Verstappen seine schnelle Runde im FP2 abbrechen. Der Niederländer überschätzte den Grip in der umgebauten Kurve zehn etwas. Bis dahin lag er rund eine Zehntelsekunde hinter der Bestzeit von Hamilton.

Verstappen wagte nach einer Abkühlrunde noch einen zweiten Versuch auf den Soft-Pneus, seine eigene Bestzeit auf Medium konnte er damit aber nicht mehr knacken. "Der Verkehr war heute schwierig. Die Runde ist kurz und es sieht so aus, als ob Red Bull davon mehr betroffen war als wir", meint Mercedes-Ingenieur Andrew Shovlin.

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Red Bull bleibt zuversichtlich fürs Qualifiyng

Wie immer findet man bei Mercedes mahnende Worte. "Deshalb nehmen wir an, dass ihre Pace sehr nah dran sein wird und wir heute Abend noch mehr nachlegen müssen", so Shovlin. Auch wenn es von außen nicht so aussah, bei Red Bull war man durchaus zufrieden mit dem Freitag. "Wir sind noch nicht alarmiert", beruhigte Dr. Helmut Marko.

Max Verstappen ging sogar noch einen Schritt weiter: "Wir hatten einen ziemlich guten Tag und das Auto sah ziemlich konkurrenzfähig aus. Wie konkurrenzfähig wir morgen sein werden, ist ein Fragezeichen, aber von unserer Seite sind wir ziemlich glücklich."

Max Verstappen zerstört alle Frontflügel

Allerdings hatte Red Bull an anderer Front zu kämpfen: Mit den Frontflügeln. Max Verstappen überfuhr gleich zu Beginn des 1. Trainings den verlängerten Kerb in Kurve acht so unsanft, dass er sich dabei den Flügel beschädigte. Am Nachmittag legte er noch einmal nach.

Ersatz gibt es bei den Bullen nicht genug, man geht aber davon aus, die Karbonteile reparieren zu können. Wenn Verstappen so weiter macht, wird es eng. "Hier werden nicht die Runden gestrichen, da wird der Frontflügel beschädigt. Aber das sortieren wir schon aus", verspricht Marko.

Mercedes endlich hochzufrieden mit der Balance

Auch unabhängig von Red Bulls Problemen war man bei Mercedes nach dem Trainingstag zufrieden. Für Silberpfeil-Verhältnisse klangen die Stimmen regelrecht euphorisch. "Das war ein guter Start in das Wochenende. Die Strecke ist fantastisch und unsere Balance ist ähnlich wie beim letzten Rennen. Es sieht eng aus, aber ich glaube, dass wir eine gute Pace haben", so Weltmeister Hamilton.

Dabei hat Mercedes gut angefangen und besser weitergemacht, wie Hamilton verrät: "Wir haben im Laufe der Trainings einige Veränderungen vorgenommen. Ich weiß nicht, ob das Auto während der Session besser wurde, aber wir haben definitiv Fortschritte gemacht." Teamkollege Bottas klang ähnlich optimistisch. Im Gegensatz zu Red Bull hatte Mercedes keinerlei neue Teile im Gepäck. Die Bullen fahren in Barcelona mit einer neuen Bremsbelüftung.

Mercedes: Überhitzung jetzt im Griff

Was der Mercedes-Konkurrenz Angst machen dürfte: Der Benz hat keine großen Probleme mehr mit den Reifentemperaturen im letzten Sektor. "Vor dem Wochenende hatten wir Bedenken, dass es an der Hinterachse zu Überhitzungsproblemen kommen könnte. Aber das scheint unter Kontrolle zu sein, selbst unter den wärmeren Temperaturen am Nachmittag", freut sich Shovlin. Der Umbau der letzten Kurve kommt Mercedes hier entgegen.

Interessant ist es auch zwischen Mercedes und Red Bull: Charles Leclerc fuhr im 2. Training die drittbeste Zeit. Ihm fehlten nur anderthalb Zehntel auf Hamilton. Schon am Vormittag sorgten die Ferrari-Piloten für Aufsehen, als sie sich auf Medium-Reifen auf den Plätzen fünf und sechs einreihten.

Leclerc & Alpine überraschen

Nach seinem durchwachsenen Qualifying in Portimao packte sich Leclerc an der eigenen Nase. Er stellte seine Herangehensweise um und versucht nicht mehr, bei 100 Prozent zu beginnen. Stattdessen steigert er die Pace kontinuierlich.

Dazu waren auch Alpine und AlphaTauri überraschend stark. AlphaTauri zeigte freitags bereits mehrfach gute Leistungen, bei Alpine scheint sich der Aufwärtstrend seit Portimao fortzusetzen. Die Franzosen brachten ein paar Neuerungen mit nach Barcelona, die sich ebenfalls auszuzahlen scheinen.

Bei den Longruns zeigt sich erneut, wie eng das ganze Feld 2021 zusammenliegt. Leider ermöglicht die auf 60 Minuten verkürzte Trainingssitzung in dieser Saison nicht mehr so viele Longruns. Viele Teams konzentrieren sich nur auf einen Reifen.

In Barcelona ist das vor allem der Soft-Gummi. Der Spanien GP ist normalerweise ein Zwei-Stopp-Rennen. Der harte Reifen spielt dabei kaum eine Rolle. Stattdessen wollen die Teams herausfinden, wie lange der Soft-Reifen hält. Einige Teams teilten die Arbeit zwischen Soft und Medium auch auf.

Spanien GP 2021, 2. Training - Longruns auf Soft

FahrerReifen-AlterStint-LängeZeitGefahren gegen
Leclerc1221:23,230Anfang
Perez16101:23,322Anfang
Hamilton1671:23,326Anfang
Bottas1671:23,359Anfang
Verstappen16101:23,615Anfang
Alonso22151:23,851Gesamt
Gasly20131:24,084Anfang
Norris1021:24,164Anfang
Tsunoda1791:24,176Anfang
Sainz20121:24,227Anfang
Ricciardo1561:24,500Gesamt
Russell18121:24,778Gesamt
Giovinazzi19121:24,781Gesamt
Schumacher1561:25,234Ende
Mazepin1241:26,089Ende

Die beste Soft-Zeit ging an Charles Leclerc im Ferrari. Allerdings fuhr er nur zwei Runden bei seinem Run mit mehr Benzin an Bord. Dahinter zeigt sich aber, dass man Red Bull nicht abschreiben darf: Sergio Perez, Lewis Hamilton und Valtteri Bottas fuhren auf Soft quasi zeitgleich. Der Alonso-Longrun bestätigt den starken Eindruck von einer Runde.

Auf den Mediums liegt Max Verstappen vorne. Eigentlich wollte Red Bull drei gezeitete Runden auf dem Medium drehen. Nach Frontflügel-Wechsel und einem Umbau am Setup blieb aber nur Zeit für eine Runde. Aber auch dabei zeigt sich, dass der RB16B prinzipiell konkurrenzfähig auf dem Circuit de Barcelona-Catalunya ist.

Spanien GP 2021, 2. Training - Longruns auf Medium

FahrerReifen-AlterStint-LängeZeitGefahren gegen
Verstappen1011:22,549Ende
Hamilton1671:22,735Ende
Bottas1691:22,952Ende
Gasly1211:23,104Ende
Sainz1011:23,133Ende
Leclerc1681:23,404Ende
Norris18111:23,786Ende
Ocon23141:24,095Gesamt
Tsunoda1331:24,611Ende
Vettel22151:24,623Gesamt
Stroll21131:24,634Ende
Räikkönen23111:25,125Gesamt
Latifi20111:25,577Gesamt
Schumacher1561:25,683Anfang
Mazepin1551:27,073Anfang

Die richtige Longrun-Bestzeit auf Medium gehen - wenig überraschend - an Mercedes. Das Weltmeisterteam fuhr mit beiden Piloten Longruns auf Soft und Medium. So ausgeglichen testete sonst nur Haas. Die Datenlage auf Medium ist deshalb nicht besonders gut.

Interessant: Leclerc liegt zwar deutlich hinter den Mercedes-Zeiten, aber auch relativ deutlich vor McLaren. In Portimao hatte Ferrari noch deutliche Probleme auf der mittleren Reifenmischung. Am Vormittag investierte die Scuderia einen Medium-Satz mehr als die Konkurrenz. Das scheint sich ausgezahlt zu haben. Dafür haben Leclerc und Sainz nur noch einen Satz Medium für das Rennen übrig.

Fazit: Bei Red Bull sieht es auf den ersten Blick schlechter aus, als es tatsächlich ist. Zwischen die beiden Top-Teams scheint auch in Barcelona kein Blatt Papier zu passen. Ferrari ist die große Überraschung. Allerdings zeigt Maranello am Freitag meist schon etwas mehr als die Top-Teams. Der Medium-Longrun zeigt auch, dass Leclerc und Sainz noch nicht ganz vorne mitspielen können. Aber Best of the Rest ist durchaus möglich. McLaren ist das große Fragezeichen im Mittelfeld. Am Freitag war die Mannschaft von Andreas Seidl oftmals noch nicht ganz vorne dabei. Gegen ein stärkeres Alpine könnte es eng werden.