George Russell hat es schon wieder geschafft: Im Qualifying zum Großen Preis von Portugal 2021 pilotierte der Brite seinen Williams diesmal allerdings nicht nur einfach in Q2, sondern machte auch dort weiter richtig Druck. Am Ende qualifizierte Russell sich für den elften Platz in der Startaufstellung des Formel-1-Rennens in Portimao am Sonntag - nun 0,057 Sekunden fehlten für ein Top-10-Resultat. Für das Rennen schmiedet Williams nun Angriffspläne auf die Punkte - mit Russell. Denn Nicholas Latifi ging einmal mehr im Q1 unter- weil diesmal der Kanadier das nächste Opfer Nikita Mazepins wurde.

Wirklich gerechnet hatte bei Williams im Qualifying kaum jemand mit der nächsten Russell-Gala. Nach einem sensationellen siebten Platz im ersten Training am Freitag ging es für die Truppe aus Grove Session für Session zurück. Im dritten Training am Samstagvormittag war der Tiefpunkt erreicht. Nur wenige Stunden später folgte urplötzlich der Höhepunkt - das beste Qualifying-Resultat seit Monza 2018.

Russell gelingt Williams-Trendwende

„Im ersten Training waren wir sehr schnell, aber seitdem hatten wir nur zu kämpfen“, erinnert Russell. „Im Qualifying wurde alles wieder lebendig. Ich hatte jede Menge Vertrauen und wir haben einen fantastischen Job gemacht, uns auf P11 zu qualifizieren. Nach heute Morgen habe ich Q2 nicht erwartet, ganz zu schweigen von P11 in der Startaufstellung. Wir waren da, als es zählte. Das ist unsere beste Qualifying-Platzierung in drei Jahren, darauf bin ich wirklich stolz.“

Über das nur knapp verpasste Q3 herrscht durch das schnelle Comeback im Qualifying plötzlich sogar fast ein wenig Ärger. „Das wäre natürlich noch ein toller Auftrieb für alle gewesen. Wir waren auch sehr nah dran, das ist schon etwas enttäuschend“, hadert Williams-Ingenieur Dave Robson. Gab am Ende Lando Norris den Ausschlag? „Lando ist in die Box, so hatte George keinen Windschatten. Das hätte den Unterschied machen können“, sagt Robson. Bei keinen sechs Hundertstelsekunden, die fehlten, durchaus realistisch.

Latifi schimpft auf 'Vollpfosten' Mazepin

Unter dem Strich überwiegt dennoch klar die Freude - nur nicht bei Nicholas Latifi. Der Kanadier schied bereits im Q1 vorzeitig aus und verpasste die zweite Session deutlich, einmal mehr mit einem großen Rückstand von einer halben Sekunde auf Russell. P18, nur vor den beiden Haas. Allerdings kam Latifi diesmal jemand in die Quere. Nämlich einer dieser Haas-Piloten. Nikita Mazepin stand erneut im Weg. Nach Sebastian Vettel in Bahrain und Antonio Giovinazzi in Imola war Latifi nun bereits das dritte Opfer des Russen im dritten Qualifying des Jahres.

Was war passiert? Bei der Vorbereitung auf ihre letzten Runs im Q1 stand zunächst Latifi Mazepin im weg. Unabsichtlich, das Team hatte ihn - seinem Boxenfunk zufolge - nicht rechtzeitig informiert. Kaum war das passiert, fürchtete der Kanadier bereits um eine Retourkutsche. „Er wird mit mich vielleicht blockieren“, funkte Latifi. Und die sollte kommen. Latifi: „Jep, er hat mich blockiert. Was ein ... ich wurde blockiert. Natürlich. Von diesem Idioten. Ich habe es nicht mit Absicht gemacht. Er ist ein Vollpfosten. Dieser Kerl ist ein verdammter Idiot, ich habe ihn nicht gesehen!“

Mazepin verteidigt: Mache nichts absichtlich

Mazepin weißt die Vorwürfe entschieden zurück. „Ich denke immer an meine Mitstreiter. Wir leben nicht in einer Welt, in der alle happy sind. Ich mache nie etwas absichtlich, um jemandem die Runde zu versauen“, verteidigt sich der Russe. „Ich muss mir aber nochmal die Onboard ansehen. […] Ich werde das analysieren. Hoffentlich passiert das nicht wieder. Es tut mir sehr leid, dass es ihn geärgert hat.“

Latifi hilft das nicht. Sein Tag war ruiniert. „Ich hatte sowieso auch noch mit der Balance und der Streckenoberfläche zu kämpfen, alle sind ja rumgerutscht. Es war ein frustrierender Tag“, klagt der Kanadier. „Aber morgen ist erst das Rennen, darauf müssen wir uns jetzt konzentrieren.“

Russell will Punkte: Freie Reifenwahl & Topspeed als Asse

Der Hauptfokus dabei liegt allerdings klar auf Russell. Im Rennen will Williams unbedingt das nachholen, was dem Team im Qualifying noch so knapp verwehrt blieb: einen Platz in den Top-10 erstreiten. Helfen soll dabei die freie Reifenwahl – immerhin ist es auch ein Vorteil, die Top-10 knapp verpasst zu haben.

„Wir sind morgen am Start auf den Medium-Reifen. Die Gegner vor uns werden auf den Softs sein, was kein guter Rennreifen ist. Wir sind also in einer großartigen Position“, sagt Russell. „Wir brauchen einen guten Start und eine gute erste Runde.“ Dann könne der FW43B ohnehin seine Stärken ausspielen: „Wir haben ein gutes Rennauto, es ist schnell auf den Geraden. Die Leute hinter uns werden Probleme haben, uns zu überholen. Deshalb müssen wir die Augen nach vorne richten und voll angreifen. Schauen wir, was wir ausrichten können!“

Williams hofft: Vettel im Aston Martin leichtes Opfer

Darauf baut auch Robson. „Wir nehmen es pragmatisch. P11 ist mit der freien Reifenwahl ein guter Startplatz. Wir sind verdient da vorne, also haben wir auch morgen eine gute Chance“, sagt der Brite. Gerade Sebastian Vettel unmittelbar vor Russell könne man eventuell ganz leicht überwinden. Robson: „Wir waren schon gestern schnell auf den Geraden, wie schon in Bahrain und Imola. Das ist ein gutes Feature dieses Autos. Das wird uns hoffentlich helfen, auch, um anzugreifen. Da haben wir eine gute Chance. Die Aston Martin waren gestern recht langsam auf den Geraden. Gegen Vettel vor uns haben wir also definitiv eine Chance.“

Gelingt Russell tatsächlich die Punktejagd, wäre es seine ersten WM-Zähler für Williams. In bislang 39 Starts für das Team aus Grove war das dem Briten bislang noch nie gelungen. Zuletzt war es Robert Kubica, der in einem turbulenten Deutschland Grand Prix 2019 glücklich einen WM-Punkt für Williams erkämpfte.