Endlich ist es beschlossene Sache: Die Formel 1 experimentiert noch in der Saison 2021 mit einem völlig neuen Format. Am Montag beschlossen alle zehn Teams in einer virtuellen Sitzung der F1-Kommission einstimmig drei sogenannte Sprintqualifyings im Saisonverlauf. Bei welchen Grands Prix dieses eigentlich kurze Rennen an den jeweiligen Samstagen steigen soll, steht offiziell noch nicht fest. Silverstone hat sich zumindest selbst bestätigt, Monza und Interlagos gelten als wahrscheinlichste Orte für die beiden übrigen Events .

Das genaue Format steht seit Montag fest. Das reguläre Qualifying mit drei Segmenten findet an den drei Wochenenden bereits am Freitag nach einem ersten Training von 60 Minuten statt. Das Ergebnis des Zeittrainings legt die Startaufstellung für das Sprintqualifying am Samstag fest. Zunächst folgt dort ein zweites einstündiges Training, dann schließt sich das neue Sprintqualifying von 100 Kilometern Länge an. Dessen Resultat definiert die finale Startaufstellung für den eigentlichen Grand Prix am Sonntag.

Formel 1: Sprintqualifying bringt neues Parc-fermé

Einig in groben Zügen präsentierte die FIA bislang die Folgen für die Parc-fermé-Regeln. Detaillierte Listen sollen erst noch folgen. Mit Start des Qualifyings am Freitag gilt eine weiche Regelung, die den Austausch größerer Komponenten verbietet. So sollen spezielle Qualifying-Autos unmöglich gemacht, die Teams entlastet und noch ausreichend Anpassungsspielraum für das zweite Training am Samstag eingeräumt werden. So darf insbesondere noch die Aufhängung angepasst werden - Sturz, Spur, Dämpfer etc.

Nach dem Sprintqualifying gilt vor dem Rennen dann das gewohnte harte Parc-fermé - mit wenigen neuen Ausnahmen. Bremsen und Bremskanäle dürfen aus Sicherheitsgründen in identer Spezifikation getauscht werden. Die Kühlung für Power Unit und Getriebe darf angepasst werden, sollte sich die Außentemperatur um mehr als zehn Grad Celsius von Sprintqualifying bis zum Rennen verändert haben. Ebenfalls neu: Bei Schäden im Sprintqualifying darf das beschädigte Teil straffrei auch durch eine andere - ältere! - Spezifikation ersetzt werden. Das ist an regulären Wochenenden nicht gestattet.

Sprintformat bringt Änderungen auch für Qualifying & Rennen

Während die Formel 1 mit der Idee vor allem darauf zielt, an drei statt zwei Tagen echte Action zu liefern - Ross Brawn: „Freitag ist im Moment nur etwas für richtige Freaks.“ - und insbesondere das Sprintqualifying an sich in diversen Kommentarspalten leidenschaftlich diskutiert wird, sind die potenziellen Folgen für die anderen beiden Schlüsselsessions, Qualifying und Rennen, ebenfalls nicht zu verachten.

Warum? Wegen der bereits definierten Reifenregeln - wenngleich auch hier weitere Anpassungen nicht ausgeschlossen wurden. Nach aktuellem Stand lautet das Reglement wie folgt: Sechs Sätze Soft, vier Medium und zwei Hard stehen jedem Fahrer an den betreffenden Wochenenden zur Verfügung. Das sind insgesamt zwölf und damit einer weniger als regulär. Für den Einsatz der jeweiligen Pneus gibt es zudem einige Vorgaben, die die Teams vor knifflige strategische Überlegungen stellen werden.

Weniger Reifensätze und möglicher Soft-Mangel

Im ersten Training muss jeder Fahrer mindestens zwei Reifensätze verwenden und einen davon am Ende der Session an Pirelli zurückgeben. Im zweiten Training dürfen beliebig viele Sätze aus dem verfügbaren Kontingent genutzt werden, allerdings mindestens einer. Im Qualifying dürfen ausschließlich Soft-Reifen verwendet werden. Bis zu fünf Sätze, wovon einer für das Q3 zurückgelegt werden muss.

Im Sprintqualifying herrscht wiederum freie Wahl. Auch wenn kein Boxenstopp verpflichtend ist, dürfen bis zu zwei Sätze - freier Wahl - eingesetzt werden. Der Satz, mit dem die meisten Runden gefahren wurden, geht zurück an Pirelli. Genau hier wird es nun erstmals spannend. Die freie Wahl impliziert bereits: Es spielt nicht länger eine Rolle, wer zuvor im bekannten Qualifying mit welchem Reifen ins Q3 gelangt ist. Das definiert nicht länger den Startreifen für die Top-10.

Q2-Reifen egal, immer freie Reifenwahl am Start

Und das gilt auch für das Rennen am Sonntag. Am Start herrscht für alle Piloten vollständig freie Reifenwahl. Im Rennverlauf müssen einzig und allein weiter zwei verschiedene Reifenmischungen mindestens eine Runde gefahren werden, außerdem zwei von Pirelli definierte Sätze - in der Regel je ein Satz Medium und ein Satz Hard - zurückgelegt werden.

Alles zusammengenommen macht es nun nicht unbedingt langweiliger (immerhin ist ja der Nervenkitzel, wer es vielleicht auf Medium nicht in Q3 schafft, weggefallen), sondern vielleicht sogar spannend. Denn die neue Regelung bringt Teams und Fahrer in potenziell knifflige Situationen. Vor allem die sechs Sätze Soft stechen hier ins Auge, geht man davon aus, dass die meisten das kurze Sprintqualifying mit dieser Mischung bestreiten wollen.

Fünf Soft-Sätze für Qualifying = einer für den Rest?

Dann bleiben für beide Trainings, das Rennen und das Qualifying nur noch fünf weiche Sätze übrig - die für letztgenannte Session eigentlich vollständig vorgesehen sind. Für Teams, die in der Regel in Q1, mit Abstrichen auch Q2, ausscheiden, ist das kein Problem. Sie brauchen im Qualifying ohnehin nicht alle fünf Sätze, können diese für Sprintqualifying und Rennen sparen - oder sie im Training testen.

Genau das wird für die Teams an der Spitze und im vorderen Mittelfeld jedoch kaum bis gar nicht möglich sein. Mercedes und Red Bull etwa können halbwegs sicher davon ausgehen, im Q1 und Q2 mit je nur einem Satz Soft auszukommen, alle folgenden Teams haben es da schon schwieriger. Die Folge: Auf Probeläufe mit Soft im ersten Training muss vielleicht verzichtet werden - zumal dort ohnehin eher die härteten Mischungen präferiert werden, um ein grundlegendes Setup zu erarbeiten.

Keine Qualifying-Generalprobe mehr?

Weil vor dem Qualifying keine weitere Trainingssession ansteht, ist nicht auszuschließen, dass mancher Fahrer ohne Runde auf Soft - geradezu blind au diese Mischung - ins Qualifying gehen wird. Eine Generalprobe wie sonst im FP3 dürfte für Teile des Feldes entfallen. Auch das hilft der stets angestrebten Unvorhersehbarkeit. Die allerdings könnte wiederum nur den Nervenkitzel im Q2 kompensieren. Dort fällt immerhin das Element weg, dass ein Fahrer unbedingt versuchen will, mit dem Medium ins Q3 zu gelangen, weil er auf jeden Fall auf dieser Mischung starten will.

Im Rennen muss der Wegfall der Q2-Reifen-Regelung unterdessen keine Langweilige bedeuten. Strategische Vielfalt kann am Start dennoch erwartet werden. Schon in der Vergangenheit waren sich die Teams hier schlicht uneinig, was der bessere Reifen sei. Es ging nicht immer nur um die Frage, was überhaupt für den Q3-Einzug reichen wird. Bessere Traktion am Start oder mehr Langlebigkeit im ersten Stint? Auch diese Fragen spielten schon immer eine Rolle.

Rennen mit freier Reifenwahl: Trotzdem Vielfalt?

Noch dazu muss irgendein Reifen auch im FP2 gefahren werden. Der knappe Soft erscheint hier eher unwahrscheinlich, also muss es eher eine der härteren Mischungen sein. Gut möglich, dass die Teams hier wieder intern splitten - was dann im Rennen folgen haben kann, steht dort neben den zurückgelegten Reifen mindestens eine der härteren Mischung nur noch in gebrauchter Form zur Verfügung. Hier geht es vor allem daran, die richtigen Reifen für das Rennen zu sparen. In Monza und Interlagos könnte das gut und gerne auch der Soft sein, im die Reifen sehr strapazierenden Silverstone eher nicht. Eine Entscheidung, die umso schwieriger fallen wird, weil sich die vielleicht besten Schlüsse erst aus dem Sprintqualifying - im Grunde irgendwie eine Rennsimulation - ziehen lassen werden.

Das neue Format bringt für die Teams als umfangreichere Änderungen mit sich als nur die reine Einführung eines zusätzlichen, knackigen, Sprintrennens. Wie genau sie jedoch reagieren, welche unterschiedlichen Ansätze wir sehen und welche Konsequenzen sich daraus ergeben werden, wird bei aller Theorie final erst die erste Ausführung Silverstone vom 16. bis 18. Juli zeigen.