Blickt man nur auf die Ergebnisse des Trainingstages in Imola, war der Auftakt zum Emilia Romagna GP 2021 nicht besonders aufregend. Zweimal fuhr Valtteri Bottas die Bestzeit vor Teamkollege Lewis Hamilton. Nach nur einem Rennen wieder das alte Bild mit den dominierenden Silberpfeilen?

Ergebnisse lügen nicht, aber sie erzählen manchmal nicht ganze Geschichte. Das 1. Freie Training verlief völlig kurios: Ein Kabelproblem in Imola sorgte dafür, dass zunächst alles - inklusive dem Weltbild - ausfiel. Erst nach wenigen Minuten konnten die Systemfunktionen zumindest rudimentär wiederhergestellt werden.

Erstes Formel-1-Training in Imola turbulent

Doch die Teams sahen an ihren Kommandoständen weiterhin auf dem Trockenen: GPS-Daten und Funk funktionierten das gesamte Training über nicht richtig. Deshalb kam es auch zur Kollision zwischen Sergio Perez und Esteban Ocon und der ersten Trainingsunterbrechung des Tages.

Die restlichen Minuten des Trainings verliefen ohne die gewohnten Daten weiterhin turbulent. Nicht jeder Pilot bekam eine freie Runde. Die Zeiten sind deshalb mit Vorsicht zu genießen. Dennoch trennte Spitzenreiter Bottas und Red-Bull-Herausforderer Max Verstappen nur eine halbe Zehntelsekunde.

Der Daten-Ausfall trug übrigens sonderbare Früchte. "Es war ein Alptraum, wir hatten keinerlei Daten mehr", klagte Pirellis Mario Isola. Die Italiener wussten nicht mehr, wer gerade auf welchem Reifen unterwegs war. Im Nachgang musste alles rekonstruiert werden.

So ging es auch der Rennleitung: Die musste nach dem 1. Training noch Rundenzeiten streichen. Die Live-Überwachung der Track Limits funktionierte nicht mehr. Ferrari musste einen Run von Charles Leclerc mit dem Pitboard beenden, weil man Angst um den Motor hatte. Nicht erst durch den Unfall von Nikita Mazepin wurde FP1 zu einer kuriosen Session.

Im 2. Freien Training ging es ähnlich, wenn auch nicht ganz hektisch zu Sache. Max Verstappen musste seinen Red Bull nach einem Problem an der Antriebswelle vorzeitig abstellen. Er konnte weder Long-, noch Performance-Run absolvieren. Beim Abschleppvorgang, der über öffentliche Straßen Imolas erfolgte, hatten die Fotografen einen wunderbaren Blick auf den Unterboden des RB16B.

Wegen dieser Drohung lachen Vettels Gegner: Völliger Blödsinn!: (10:00 Min.)

Keine Startübungen und gestrichene Runden

Als am Ende des Trainings auch noch Charles Leclerc abflog und auch FP2 mit Rot beendet wurde, war das Durcheinander perfekt. Weil die Boxenausfahrt für Startübungen nicht geeignet ist, hätten die Startübungen nach den Sessions auf Start- und Ziel erfolgen sollen. Dazu kam es aber nicht. Bislang wurde also keine einzige Startübung absolviert.

Die zahlreichen Zwischenfälle sorgten auch dafür, dass die in diesem Jahr auf 60 Minuten gekürzten Trainingssitzungen noch hektischer wurden. Dazu wurden auch noch Rundenzeiten gestrichen. Die Trainingsbestzeit wäre nämlich eigentlich an Charles Leclerc gegangen. Allerdings kam der Ferrari-Pilot bei seiner Runde, die etwa zwei Zehntel schneller als die Bottas-Zeit war, am Ausgang von Kurve neun etwas weit raus.

Mercedes kämpft mit den weichen Reifen

Was die Verwirrung an der Spitze perfekt macht: Valtteri Bottas fuhr seine schnellste Runde auf den Medium-Reifen. "Es ist uns noch nicht gelungen, auf dem Soft-Reifen den Grip auf der ersten Runde herauszuholen. Daran müssen wir bis morgen noch arbeiten", fordert Mercedes-Ingenieur Andrew Shovlin.

Pirelli rechnet mit einem Reifen-Delta zwischen Soft und Medium von rund sieben Zehntelsekunden. Mercedes fuhr - wenn überhaupt - nur minimal schneller. Ein Problem, das man schon aus Bahrain kennt. Auf den Medium-Reifen waren die schwarzen Silberpfeile deutlich konkurrenzfähiger. Wie dort wird aber auch in Imola der Soft-Reifen im Rennen kaum zum Einsatz kommen, wenn es die Top-Teams schaffen, sich im Q2 auf den Medium-Pneus zu qualifizieren.

Hamilton & Bottas wittern Morgenluft

Trotz der kleinen Soft-Schwäche ist man beim Weltmeister zuversichtlich. Die Aero-Updates zeigten in Kombination mit Setup-Arbeit, einer anderen Rennstrecke und kühleren Bedingungen Wirkung. "Das Auto hatte von Beginn an eine vernünftige Balance, was es einfach machte, unser geplantes Programm abzuarbeiten", so Shovlin.

Auch die beiden Piloten zeigten sich schon optimistischer als noch vor drei Wochen. "Das Auto fühlt sich besser an, obwohl wir noch immer die gleichen Probleme wie in Bahrain haben, nur eben nicht so ausgeprägt. Es ist noch nicht perfekt, aber dies ist erst das zweite von 23 Saisonrennen", meint Valtteri Bottas.

Red Bull in Problemen: Zuversicht bleibt dennoch

Allerdings ist auch Mercedes nicht entgangen, dass Hauptkonkurrent Red Bull einen gebrauchten Tag hatte. Bottas übt sich weiter im Tiefstapeln: "Es besteht kein Zweifel daran, dass sie schnell sein werden. Wir glauben immer noch nicht, dass wir das schnellste Auto haben, deswegen müssen wir uns am Samstag weiter steigern."

Bei Red Bull allerdings gibt man dem Kontrahenten recht. Den Kopf will beim Brausehersteller nach dem durchwachsenen Trainingstag niemand in den Sand stecken. "Es ist nicht rosig, aber wir wissen, dass wir schnell sind", sagte Motorsportberater Dr. Helmut Marko. Aber wie schnell? "Schnell genug", entgegnet der Grazer mit einem Schmunzeln.

"Das Auto hat sich im 1. Training gut angefühlt, aber es ist schwierig zu sagen, wie es im 2. Training gewesen wäre", schränkt Verstappen ein, der in Bahrain noch alle Trainingsbestzeiten für sich beansprucht hatte. Trotzdem ist der Niederländer guter Dinge: "Ich glaube nicht, dass ein verpasstes FP2 das Ende der Welt ist und wir wissen, was wir für morgen machen müssen."

Longruns: AlphaTauri zeigt auf

Das Problem an der Antriebswelle konnte schnell gefunden und für den Rest des Wochenendes behoben werden. Trotzdem fehlen den Bullen nun wertvolle Daten, zumal Perez nach dem Zwischenfall im 1. Trainings ebenfalls etwas im Hintertreffen ist.

Das zeigten auch die Longruns. Zwar war der Mexikaner nicht viel langsamer als Mercedes, allerdings ist der Dauerlauf seine Spezialdisziplin. Trotzdem fehlten ihm knapp zweieinhalb Zehntel auf Bottas und immerhin noch eine Zehntel auf Hamilton.

Schnellster auf dem Medium-Reifen war allerdings Pierre Gasly. Allerdings fuhr der Franzose nur kurz am Ende mit relativ leerem Tank auf den Mediums. Gleiches gilt für die Zeit von Charles Leclerc. Beide fuhren zuvor auf den Soft-Reifen Longruns. Die Top-Teams testeten nur den Medium-Reifen im Dauerlauf. Das verkürzte Zeittraining erschwert die Arbeit hier.

Formel 1, Imola 2021: Longruns auf Soft

FahrerReifen-AlterStint-LängeZeit
Leclerc1341:19,826
Gasly1781:20,253
Sainz20131:20,354
Tsunoda19101:20,362
Latifi19111:20,677
Norris1361:20,817
Ricciardo1031:20,904
Alonso19111:21,207
Räikkönen1681:21,267

Formel 1, Imola 2021: Longruns auf Medium

FahrerReifen-AlterStint-LängeZeit
Gasly1221:19,126
Leclerc1471:19,355
Bottas1851:19,613
Hamilton1951:19,759
Perez1891:19,853
Giovinazzi1671:20,332
Ocon19111:20,489
Stroll18111:20,771
Vettel20101:20,912
Ricciardo1321:21,028
Schumacher651:22,065

Formel 1, Imola 2021: Longruns auf Hard

FahrerReifen-AlterStint-LängeZeit
Russell19121:20,614

Auch abgesehen von den Longrun-Einschränkungen machten Ferrari und AlphaTauri einen starken Eindruck. Die eigentliche Trainingsbestzeit von Leclerc mag mit einem leichteren Auto gefahren worden sein, aber trotzdem bestätigt sich der Trend. Der Monegasse war trotz seines Unfalls am Ende sehr zufrieden mit Performance und Gefühl in seinem SF21.

Kann Ferrari im Rennen mithalten?

Die Frage ist, ob Ferrari in Imola auch im Renntrimm mithalten kann. In Bahrain war die Rote Göttin auf eine Runde deutlich besser unterwegs als dann im Rennen. Die kühlen Bedingungen könnten helfen. Auch Leclercs kurzer Run auf Soft machte einen starken Eindruck.

Hinter AlphaTauri und Ferrari ist das Kräfteverhältnis im Mittelfeld etwas ins Wanken geraten. McLaren hatte am Freitag noch mit größeren Problemen zu kämpfen. Überraschend stark zeigte sich hingegen Williams - und das ausgerechnet in Form von Nicholas Latifi. Der Kanadier erwischte einen absoluten Sahnetag und konnte nicht nur Supertalent George Russell klar hinter sich lassen, sondern auch einige Konkurrenten. Latifi landete auf Rang zwölf. Sein Longrun sah ebenfalls ordentlich aus. Gut möglich, dass Williams in Imola endgültig den Anschluss ans Mittelfeld geschafft hat.

Enttäuschend hingegen verlief es einmal mehr für Aston Martin. Sebastian Vettel freute sich zwar darüber, sich etwas wohler im AMR21 zu fühlen, in Rundenzeit konnte er dieses Gefühl aber noch nicht übertragen. Für ihn reichte es nur zu Platz 15, erneut war er deutlich langsamer als Teamkollege Lance Stroll, der immerhin Zehnter wurde. Die Longruns waren nicht vielversprechender.

Fazit: An der Spitze hat Mercedes einen Schritt gemacht. Die große Unbekannte ist aber Max Verstappen. Kann er aus den Soft-Reifen wieder deutlich mehr herausholen? Track-Position ist in Imola noch deutlich wichtiger als in Bahrain. Dahinter macht Ferrari einen starken Eindruck. Mit AlphaTauri ist ebenfalls zu rechnen. Für die positive Überraschung könnte Williams sorgen. Aston Martin scheint auch mit neuen Teilen eher am hinteren Ende des Mittelfeldes zu rangieren.