Das erste Formel-1-Rennen 2021 in Bahrain wurde durch den Kampf von Max Verstappen und Lewis Hamilton bestimmt. Red Bull zeigte sich inmitten der Kontroverse um Track Limits als fairer Verlierer. Es überwog die Erleichterung darüber, Mercedes endlich mit einem siegfähigen Auto die Stirn geboten zu haben. F1-Promoter Liberty Media ist heilfroh, dass der Niederländer und sein Team der FIA gehorchten. Dabei hätte Verstappen das offenbar gar nicht gemusst.

"Wenn Verstappen die Position nicht zurückgegeben hätte, wäre er maximal mit einer 5-Sekunden-Strafe belegt worden", erklärt FIA-Steward Emanuele Pirro in der italienischen Sportzeitschrift Corriere dello Sport. Der 37-malige Grand-Prix-Teilnehmer sowie fünffache Sieger der 24 Stunden von Le Mans fungierte beim Auftakt auf dem Bahrain International Circuit als Fahrer-Steward in der Rennleitung.

Er und seine Kollegen mussten sich das gesamte Wochenende über mit den Track Limits in Kurve vier auseinandersetzen, doch im entscheidenden Moment wurde ihnen die Arbeit abgenommen. Als Verstappen in der 53. Runde an Hamilton vorbeiging, schaltete sich Rennleiter Michael Masi ein und kontaktierte Red Bull. Das Team instruierte Verstappen daraufhin, die Position zurückzugeben, was dieser auch umgehend umsetzte.

FIA-Rennleiter ohne Befugnis für Anweisung

Doch laut Pirro war dies überhaupt nicht notwendig. "Ein Rennleiter kann niemals etwas anordnen, weil er dazu keine Befugnis hat. Er kann nur eine Empfehlung aussprechen", so der Italiener. "Verstappen hat den Platz zurückgegeben, so dass wir [Rennleitung] uns mit dem Fall gar nicht erst befassen mussten."

Der australische Rennleiter schaltete sich allerdings nicht nur in dieser Renn-entscheidenden Szene ein. Als die Mercedes-Piloten in der ersten Rennhälfte die Auslaufzone von Turn vier exzessiv nutzten, ermahnte er den Kommandostand des Weltmeisterteams, der daraufhin seine Piloten informierte.

"Hamilton ist etwas zu häufig über die Track Limits hinausgefahren, wodurch er sich wiederholt einen Vorteil verschaffte", so Pirro. Insgesamt nutzte der Weltmeister seine Eigeninterpretation der Ideallinie für 30 Runden, bis sich der Rennleiter einschaltete. "Deshalb hat Masi, der als einziger die Autorität besitzt, direkt mit den Teams in Kontakt zu treten, sich bei Mercedes gemeldet."

Formel 1: Wurde Verstappen der Sieg vom Rennleiter gestohlen? (14:04 Min.)

Hamilton darf Vorteil behalten: Red Bull will klare Verhältnisse

Auch hier gab es laut Pirro nur einen Warnschuss: "Er hat sie gewarnt, dass Hamilton die schwarz-weiße Flagge sieht, wenn er es noch einmal macht. Das hätte für ihn dann eine Strafe bedeuten können." Da Hamilton sofort reagierte und im weiteren Rennverlauf nicht weiter von der Nutzung der Auslaufzone profitierte, wurde er nicht belangt.

Im Gegensatz zu Verstappen musste er den gewonnenen Vorteil auch nicht rückgängig machen. "Du darfst nicht überholen, indem du die Track Limits missachtest. Verstappen hat das getan, wenn auch nicht absichtlich. Er ist einfach weit gegangen", so die Erklärung Pirros. Bei Red Bull ist man mit dieser Argumentation nicht einverstanden.

"Du kannst nicht sagen, dass es okay ist sie [Auslaufzone] im Rennen zu nutzen, aber dass das Überholen dort draußen nicht möglich ist. Es sollte schwarz oder weiß sein, und keine Grauzone", so Red-Bull-Teamchef Christian Horner. Trotz des Ärgers vertrat die Teamführung die Ansicht, dass Verstappen im Sinne des Sportsgeist richtig gehandelt habe.

F1-Promoter Liberty Media von Verstappen-Fairplay erleichtert

Bei F1-Rechteinhaber Liberty Media war die Erleichterung darüber groß. Sportchef Ross Brawn lobte Verstappen für sein Verhalten. "Ich denke, Red Bull hat richtig entschieden, Verstappen anzuweisen, die Position an Hamilton zurückzugeben, nachdem er bei seinem Überholmanöver weit gegangen war", so der Brite.

Verstappen war unmittelbar nach dem Rennen nicht glücklich mit seiner Entscheidung. Er erklärte, dass er lieber eine Zeitstrafe in Kauf genommen und es darauf ankommen gelassen hätte, den Sieg am grünen Tisch zu verlieren. "Wenn Verstappen nach dem Regelverstoß einen ausreichenden Vorsprung herausgefahren hätte, hätte das einen bitteren Beigeschmack gehabt", so Brawn. "Wir wollen nicht sehen, dass Rennen auf diese Art gewonnen werden."

Red Bulls Fairplay ersparte der Formel 1 auch den anderen möglichen Ausgang des Rennens mit negativer Publicity. 2019 wurden innerhalb der ersten Saisonhälfte gleich mehrere Grands Prix durch die Rennleitung entschieden. In Montreal musste Sebastian Vettel aufgrund einer umstrittenen Strafe den Sieg nach der Zieldurchfahrt an Hamilton abgeben.

Ein Rennen zuvor hatten Hamilton und Verstappen in Monaco den halben Grand Prix über um den Sieg gekämpft, obwohl Letzterer längst mit einer Strafe belegt war. In der letzten Runde kollidierte er in der Hafenschikane sogar mit dem Mercedes-Fahrer. Da dessen Auto dabei nicht beschädigt und der Rennausgang nicht beeinflusst wurde, blieb das Auslösen einer Kollision für Verstappen ohne Strafe.

Kurz nach Montreal wurde Verstappens Abdrängen von Charles Leclerc in Spielberg ebenfalls nicht geahndet, wodurch die Reihenfolge der Sieger bei der Zieldurchfahrt bestehen blieb. Der Red-Bull-Pilot war dem Monegassen ins Auto gefahren und hatte diesen von der Strecke bugsiert. Nach einem stundenlangen Entscheidungsprozess teilte die Rennleitung mit, dass keine Strafe ausgesprochen wird.