Bluff bei den Testfahrten hin oder her: Mercedes ging tatsächlich als leichter Außenseiter in den Bahrain GP. Im ersten Qualifying der Formel-1-Saison 2021 brummte Pole-Setter Max Verstappen Lewis Hamilton satte vier Zehntelsekunden auf. Spätestens hier war klar, dass Red Bull tatsächlich schneller ist als Mercedes.

Und dennoch gewann am Ende wieder Lewis Hamilton. Der Weltmeister musste aber bis zur letzten Kurve um seinen Sieg zittern. Außerdem mussten mehrere Faktoren für den Silberpfeil-Sieg zusammenkommen. Motorsport-Magazin.com analysiert Erfolgsfaktoren der Wüstenschlacht.

Grund 1: Medium-Stärke

Wer die Qualifikation genau verfolgte, der sah nicht nur die vier Zehntel, die Verstappen Hamilton am Ende abnahm. Im Q2 waren beide Mercedes-Piloten schneller als Verstappen. "Verstappens Runde war nicht perfekt", schränkte Red Bulls Motorsportberater Dr. Helmut Marko ein. Trotzdem ließ sich schon erkennen, dass der F1 W12 auf den Medium-Pneus besser funktioniert als der RB16B.

Den Eindruck hatte auch Toto Wolff: "Wir wussten nach dem Qualifying, dass unser Auto vor allem auf dem Soft auf eine schnelle Runde am wenigsten glücklich ist. Wir waren auf dem Medium relativ konkurrenzfähig. Im Rennen wussten wir, dass die Balance wesentlich neutraler ist."

Weil sich Verstappen und Mercedes im Q2 auf den Medium-Reifen qualifizierten, war von Anfang an klar, dass die Soft-Reifen im Rennen gar nicht zum Einsatz kommen würden. Mercedes konzentriert sich beim Setup deshalb auf die härteren Reifen.

Grund 2: Technik-Probleme bei Red Bull

Max Verstappen klagte schon früh im Rennen über Probleme in langsamen Kurven. Red Bulls erste Analyse ergab, dass das Differenzial nicht ganz passte. Deshalb verlor Verstappen vor allem im ersten Sektor viel Zeit. Wie viel das Problem genau gekostet hat, ist unklar. Aber in diesem Rennen entschieden Nuancen.

Grund 3: Trainings-Reifen

Wie im vergangenen Jahr gibt es eine fixe Zuteilung der Reifensätze. Die Teams dürfen die Zusammensetzung ihrer 13 Reifensätze nicht mehr selbst wählen. Stattdessen erhält jeder Pilot automatisch zwei Sätze Hard, drei Sätze Medium und acht Sätze Soft.

Trotzdem gibt es im Rennen Unterschiede. Warum? Weil die Teams im Training unterschiedliche Reifen fahren. Mercedes hob sich beide Sätze Hard für das Rennen auf. Red Bull setzte einen Satz der C2-Pneus im 3. Freien Training ein. "Wir hatten nicht die Reifen, die sie hatten. Wir hatten deshalb nicht viel Flexibilität in der Strategie. Vielleicht hätten wir in den Trainings unsere Reifen besser wählen können", meinte Verstappen nach dem Rennen. Für die theoretisch beste Rennzeit hatte Red Bull noch die richtigen Reifensätze übrig. Für die richtige Reaktion auf Mercedes' Rennen aber nicht. Dazu gleich mehr.

Grund 4: Die Strategie

Hat Red Bull den Bahrain GP an der Boxenmauer verloren? "Definitiv nicht", sagte Teamchef Christian Horner zu Motorsport-Magazin.com. Doch auf der Strecke ging Hamilton schließlich nicht an Verstappen vorbei. Das Problem war, dass sich der Niederländer im ersten Stint nicht absetzen konnte. Hamilton hing ihm zwar nicht im Getriebe, aber er klebte an seinen Fersen.

Lewis Hamilton war im Rennen nie weit von Max Verstappen weg, Foto: LAT Images
Lewis Hamilton war im Rennen nie weit von Max Verstappen weg, Foto: LAT Images

Dadurch war der Brite im Undercut-Fenster. Glück für Mercedes: Alonso eröffnete im Mittelfeld die Serie der ersten Boxenstopps früh. Dadurch war der Weg für einen Mercedes-Angriff frei. Hamilton kam schon in Runde 13 zum Stopp und fiel lediglich hinter Teamkollege Valtteri Bottas und Carlos Sainz zurück, der wiederum selbst eine Runde später zum Stopp kam.

Der Undercut ist in Bahrain traditionell sehr wirkungsvoll. Hamilton lag in Runde 12 nur 1,7 Sekunden hinter Verstappen. Red Bull hatte nun die Wahl: Entweder kommt Verstappen eine Runde später und riskiert dennoch, die Position zu verlieren, oder er bleibt länger. Das Problem: Wäre Verstappen sofort gekommen, hätte er später größere Probleme mit den Reifen bekommen. Im Gegensatz zu Hamilton konnte er aber nicht zweimal Hard fahren. Red Bull war in der Zwickmühle.

Die Strategen entschieden sich gegen die Position auf der Strecke. Stattdessen ließ man Verstappen länger draußen. Der Niederländer kam erst vier Runden später. Aus 1,7 Sekunden Vorsprung wurden so 6,6 Sekunden Rückstand. Warum ließ man Verstappen dann noch so viele Runden draußen, in denen er so viel verlor? Um das Reifen-Delta zu vergrößern. Sprich: Damit Verstappen später, wenn er wieder auf Hamilton trifft, bessere Reifen hat.

Der Plan ging aber nicht auf. Denn sobald sich Verstappen zurückgekämpft hatte und seinerseits in Hamiltons Undercut-Fenster lag, holte Mercedes den Weltmeister rein. "Wir sind schon einen kurzen ersten Stint gefahren und dann einen noch kürzeren zweiten. ich dachte nicht, dass ich mit diesen Reifen durchkommen würde", so Hamilton.

Und wieder ließ Red Bull Verstappen draußen, diesmal sogar elf Runden länger, in denen er wieder deutlich Zeit verlor. Aus zwei Sekunden Rückstand wurde so wieder acht Sekunden. Der Grund war derselbe wie zuvor: Das Reifen-Delta sollte, wenn sich beide auf der Strecke treffen, so groß wie möglich sein. Aber Hamilton musste mit dem Reifensatz nicht von Anfang an attackieren, weil er schon vor Verstappen lag. Stattdessen konnte er sich den Reifensatz einteilen.

Verstappen lief am Ende zwar noch auf Hamilton auf, doch die einzige Chance zum Überholmanöver konnte er nicht legal nutzen. Track Position hatte gewonnen. "Sobald du 1,5 Sekunden hinter dem anderen bist, bringt dir der bessere Reifen nicht mehr viel", erklärte Verstappen. Red Bulls Strategie war kein klarer Fehler, aber am Ende hätte man wohl die Track Position vorziehen sollen.

Grund 5: Turn 4

Es war ein verdammt enger Zweikampf zwischen Hamilton und Verstappen. Da machen sich auch Kleinigkeiten bemerkbar. Mercedes instruierte die Piloten, am Ausgang von Kurve vier die Strecke zu verlassen. Schließlich hatte Rennleiter Michael Masi angekündigt, im Rennen Vergehen dort nicht zu bestrafen. Runde um Runde nutzten Hamilton und Bottas den Freibrief - bis Red Bull bei der Rennleitung anfragte. Erst dann wurde Masi tätig und drohte Mercedes mit einer Strafe.

Red Bull Teamchef Christian Horner glaubt, dass der Trick bis zu 0,2 Sekunden pro Runde brachte. Red Bull hat es verschlafen, die Event-Notizen und die schwache Leitung des Renndirektors für sich zu nutzen. Bis Mercedes mit der Strafe gedroht wurde, hatten Hamilton und Bottas schon viel Zeit gewonnen.

Grund 6: Hamilton

Am Ende darf man nicht vergessen, dass Verstappen eine Chance auf den Sieg auf der Strecke liegen ließ. Der Niederländer wusste, dass er nicht neben der Strecke überholen darf. Während Hamilton - bis auf einen Mini-Ausritt in Kurve zehn - völlig fehlerlos blieb, muss sich Verstappen Ungeduld in dieser Situation ankreiden lassen. Denn die Möglichkeit war auf jeden Fall da.