Der Bahrain GP war ein Kracher: Der Auftakt zur Formel-1-Saison 2021 blieb bis zur letzten Kurve der letzten Runde spannend. Max Verstappen hatte Lewis Hamilton eigentlich schon auf der Strecke überholt, doch der Niederländer musste die Position wieder zurückgeben. Der Grund: Beim Überholmanöver hatte Verstappen die Strecke mit allen vier Rädern verlassen.

Die Mercedes-Fahrer fuhren an der fraglichen Stelle fast das gesamte Rennen über von der Strecke - und wurden dafür nicht bestraft. Entsprechend groß war die Aufregung später über das rennentscheidende Manöver.

Streckenbegrenzungen sind in der modernen Formel-1-Welt immer wieder ein leidiges Thema. In Bahrain ist diese Thematik eigentlich gut gelöst, nur in Kurve vier gibt es immer wieder Probleme. Denn dort geht es am Ausgang auch rüber auf die andere Streckenvariante. In diesem Jahr wurde der Kerb verlängert, aber ganz kann man die Strecke dort nicht abgrenzen.

Am Ausgang von Kurve vier geht es auf andere Streckenvarianten, Foto: LAT Images
Am Ausgang von Kurve vier geht es auf andere Streckenvarianten, Foto: LAT Images

Die Posse um die Track Limits begann schon vor dem 1. Freien Training: Rennleiter Michael Masi verkündete am Donnerstag vor dem Rennwochenende in seinen Event-Notizen, dass die Track Limits in Kurve vier nicht überwacht werden. "Der Kunstrasen und das Kiesbett bestimmen dort die Grenzen", schrieb Masi in Punkt 21.1.

Nach dem 1. Freien Training wurde es dem Renndirektor schon zu bunt. Noch vor dem 2. Freien Training änderte er Artikel 21, der auf die Track Limits eingeht, in seinen Event Notizen.

FIA: Unterschiedliche Regeln für Rennen und Qualifying

Damit begann die große Verwirrung: Im Training und Qualifying werden Rundenzeiten, die mit Überfahren der weißen Linie in Kurve vier erzielt wurden, gestrichen. Das besagte der neue Artikel 21.1. Neu war auch Artikel 21.2, der sich speziell um das Rennen drehte. Darin hieß es: Rundenzeiten im Rennen, die durch das Verlassen der Strecke erzielt werden, werden nicht gestrichen. Soweit Punkt a) von 21.2.

Dann gab es auch noch Punkt b) zu Artikel 21.2. Der besagte: "Die Fahrer werden in allen Fällen im Rennen an Artikel 27.3 des Sportlichen Reglements erinnert." Darin wiederum heißt es unter anderem, dass ein 'bleibender Vorteil', der durch Verlassen der Strecke erzielt wurde, auf Anweisung des Rennleiters zurückgegeben werden muss.

Die Änderungen der Event-Notizen kommunizierte Rennleiter Masi am Freitagabend im Fahrer-Briefing. Im Klartext sahen die Regeln nun so aus: Im Training und Qualifying werden Rundenzeiten gestrichen, im Rennen ist das Verlassen der Strecke erlaubt - solange man dadurch keinen bleibenden Vorteil erlangt.

Doch auch so einfach war es nicht: Während die Mercedes-Piloten die Auslaufzone in Kurve vier im Rennen ständig in ihre Ideallinien miteinbezogen, verzichteten viele Piloten darauf. Red Bull wies daraufhin Verstappen an, ebenfalls den zusätzlichen Raum zu nutzen - schwärzte aber gleichzeitig Mercedes bei der Rennleitung an.

Red Bull: Mercedes-Linie bringt zwei Zehntel

"In einem so engen Kampf ist das ein Vorteil von zwei Zehntel", rechnete Red Bull Teamchef Christian Horner nach dem Rennen vor. "Wenn das erlaubt ist, wollten wir das auch machen. Dann hat der Renndirektor aber gesagt, dass sie die Track Limits respektieren sollen, sonst würde es die schwarz/weiße Flagge geben", so Horner.

"Ich bin genauso verwirrt", meint Mercedes Motorsportchef Toto Wolff. "Zu Beginn des Rennens hieß es, die Track Limits in Kurve vier würden nicht sanktioniert werden. Und dann im Rennen haben wir plötzlich gehört, dass wenn wir so weitermachen und raus fahren, es als Vorteil angesehen und möglicherweise zu einer Strafe führen würde. Wir haben darüber mit dem Renndirektor diskutiert, aber wir konnten nichts machen."

FIA Rennleiter Masi weist jegliche Kritik zurück: "Während des Rennens hat sich überhaupt nichts geändert." Wolff fordert jedenfalls Änderung: "Die Regeln müssen so sein, dass sie jeder einfach verstehen kann und man kein Dokument ins Auto mitnehmen muss, um nachzulesen, was erlaubt ist und was nicht."

Nachdem es zwischen FIA, Mercedes und Red Bull das ganze Rennen über schon Ungereimtheiten über die Auslegung der Track Limits gab, eskalierte die Situation in Runde 53 mit dem Überholmanöver von Verstappen.

Verstappen-Entscheidung richtig?

Die Rennleitung wies Red Bull sofort an, die Position zurückzugeben, Red Bull gab die Anweisung an Verstappen weiter. Auf der Gegengeraden ließ der Niederländer den Weltmeister wieder vorbei und konnte ihn in den letzten drei Runden nicht mehr überholen.

Formel 1: Wurde Verstappen der Sieg vom Rennleiter gestohlen? (14:04 Min.)

Während die Fans in den Sozialen Medien nach der Vorgeschichte mit Track Limits im Rennen auf die Barrikaden gingen, blieb Red Bull überraschend ruhig. "Das war kein einfaches Verlassen der Track Limits, das war Überholen eines anderen Autos mit einem bleibenden Vorteil", erklärt Rennleiter Masi. "Das haben wir im Fahrerbriefing auch ganz klar so besprochen."

Das sah auch Red Bull ein. Dennoch fordert Teamchef Horner: "Track Limits sind immer eine schwierige Sache, aber man muss es einheitlich machen. Man kann nicht sagen, dass man es im Rennen nutzen darf, aber nicht überholen. Es sollte schwarz oder weiß sein und keine Graustufen geben."

Die Entscheidung der Rennleitung, dass Verstappen den Platz zurückgeben musste, war korrekt und auch von Anfang an in den Event-Notizen so klargestellt. Doch insgesamt machte Masi bei der Thematik eine unglückliche Figur: Warum ließ er die Piloten zu Beginn überhaupt noch an der langen Leine? Warum gab es dann auch noch unterschiedliche Regelungen für Trainingssitzung und Rennen? Und warum wurde Mercedes während des Rennens dann doch zurückgepfiffen?