Technisch ist die Formel-1-Generation 2021 eher mau: Die Autos wurden größtenteils eingefroren. Geniestreiche wie die DAS-Lenkung von Mercedes im Vorjahr kann es - auch unabhängig vom speziellen Verbot - nicht geben. Mechanisch durften die Autos schlichtweg nicht entwickelt werden.

Aerodynamische Entwicklung erlaubt

Doch die aerodynamische Entwicklung war den Teams nahezu freigestellt. Mercedes überraschte bei den Testfahrten mit spektakulären Aufbauten am Unterboden. In diesem Bereich gibt es das meiste Entwicklungspotential, weil sich hier die Regeln geändert haben.

Dabei darf aber nicht vergessen werden: Neben dem dreieckigen Ausschnitt des Unterbodens und dem Verbot der Schlitze wurden auch die hinteren Bremsbelüftungen und der Diffusor beschnitten. Und hier gab es beim Test auch eine sehr interessante Lösung zu sehen.

McLaren verblüffte die Konkurrenz, indem man die geänderten Regeln geschickt umging. Um den McLaren-Trick zu verstehen, muss man sich die Regeländerung im Detail ansehen: Es geht um Artikel 3.7.10 des Technischen Reglements. Diesem Artikel wurde 2021 der Absatz c) hinzugefügt.

Der Artikel ist nicht ganz einfach zu verstehen, weil es nicht um Abmaße geht, sondern um Kontinuität. So nennt es der Regelhüter, wenn er versucht, komplexe Geometrien in bestimmten Bereichen zu unterbinden. In diesen Bereichen darf Bodywork liegen, aber eben nur unter bestimmten Auflagen.

Für den Diffusor galt - grob gesagt - bislang: 1050 Millimeter breit, 525 Millimeter lang, 175 Millimeter hoch. Im Diffusor selbst durften Leitbleche angebracht werden, die 50 Millimeter über der Bodenplatte endeten. Ausnahme: 250 Millimeter links und rechts der Fahrzeugmitte. Dort durften die Leitbleche bis zur Bodenplatte gehen.

McLaren-Trick: Der Teufel steckt im Detail - und im Regelbuch

Genau diese Ausnahme wurde 2021 aufgehoben. Das Problem: Der Unteroden ragt genau in dieses Fenster rein, weil an dieser Stelle das Getriebe sitzt, das er verkleidet. Genau aus diesem Grund braucht es die Kontinuitäts-Regel: Der Bauraum kann nicht komplett zur Sperrzone erklärt werden, er soll aber nicht für aerodynamische Zwecke genutzt werden.

So hatten sich die Regelhüter das vorgestellt: Die inneren Leitbleche sollten um 50 Millimeter gekürzt werden, Foto: RosF1Design
So hatten sich die Regelhüter das vorgestellt: Die inneren Leitbleche sollten um 50 Millimeter gekürzt werden, Foto: RosF1Design

Ziel der Regelhüter war es, den Autos Abtrieb wegzunehmen. Deshalb sollten auch in diesem Bereich, 250 Millimeter links und rechts der Fahrzeugmittelachse, die Leitbleche im Diffusor 50 Millimeter über der Bodenplatte enden.

Formuliert wurde es dann so: "Jegliches Bodywork, das in diesem Bereich* liegt, muss eine einzelne, kontinuierliche Linie ergeben, wenn es von einer horizontalen Ebene durchschnitten wird."

* 'dieser Bereich ist im Reglement genau Beschrieben als: 250 Millimeter links und rechts der Fahrzeugmittelachse, weniger als 50 Millimeter über der Referenzebener (Bodenplatte) und zugleich hinter einer Ebene, die 175 Millimeter vor der Hinterachse beginnt

Würde man einfach links und rechts wie früher innerhalb dieses Bereiches Leitbleche anbringen, würde das bereits zwei Linien ergeben, wenn das Bodywork von einer gedachten horizontalen Ebene durchschnitten wird.

Deshalb hat sich McLaren einen Kniff einfallen lassen: Die Ausbuchtung des Unterbodens für das Getriebegehäuse verwächst einfach mit dem Leitblechen. So sind die Leitbleche miteinander verbunden, im Querschnitt ergibt sich eine kontinuierliche Linie.

Die Leitbleche im Diffusor verwachsen mit der Getriebeausbuchtung des Unterbodens, Foto: Motorsport-Magazin.com
Die Leitbleche im Diffusor verwachsen mit der Getriebeausbuchtung des Unterbodens, Foto: Motorsport-Magazin.com

McLaren-Technikchef James Key versteht die fragenden Blicke. "Man muss es sich im CAD ansehen, um es zu verstehen. Denn man muss einen Querschnitt einer dreidimensionalen Oberfläche anschauen. Es ist schon fair es zu hinterfragen, denn man braucht CAD dafür, um zu sehen, ob es innerhalb aller Boxen ist und ob es eine einzelne, kontinuierliche Linie ist."

Nachbau dauert 3 bis 5 Wochen: Es gibt aber einen Haken...

"Es ist eine normale Design-Idee. Wir sind ein wenig überrascht, dass wir das einzige Team damit sind", so Key. Die Frage ist, ob andere Teams den Trick kopieren werden. Zeitlich würde sich das laut Key bis zum zweiten Rennen in Imola ausgehe: "Innerhalb einer Woche kann man es im CFD überprüfen. Wenn danach noch Interesse besteht, muss man verstehen, wie es an seinem eigenen Auto funktioniert. Das ist der Schlüssel. Wenn du das Prinzip verstanden hast, kann eine eigene Geometrie dabei herauskommen."

"Dann geht es in den Windkanal. Dabei vergehen wiederum ein bis zwei Wochen", erklärt Key. "Dann muss man die Teile herstellen, diese bestimmten Teile sind da ziemlich einfach. Wenn man es wirklich durchziehen will, braucht es zwischen drei und fünf Wochen zwischen dem Zeitpunkt, an dem man die Fotos gemacht und bis es am Auto ist."

Ganz so einfach ist es aber mit den Teilen nicht: Die Leitblech selbst sind kein Hexenwerk, allerdings könnte es sein, dass dafür ein komplett neuer Unterboden benötigt wird, um die Ausbuchtung für das Getriebegehäuse anzupassen. Wenn das Getriebegehäuse selbst dafür angepasst werden müsste, ist der Zug längst angefahren. Dafür wären Token nötig.

Macht es überhaupt Sinn, 2021 noch Teile zu kopieren? 2022 steht die Regel-Revolution an, dazu sind die Budgets und Windkanalstunden limitiert. "Ein Must have wird etwas, wenn es sehr mächtig ist. Am Ende hatte jeder einen angeblasenen Diffusor, einen F-Schacht oder einen Doppeldiffusor. Wenn es viel Entwicklungspotential für eine Richtung gibt, dann verfolgst du das - auch mit Budgetgrenze", glaubt Key.

James Key: In Bahrain wieder vergessen

Allerdings bezweifelt der Brite, dass es so etwas überhaupt noch gibt: "Die Regeln sind heute viel enger gestrickt." McLarens Diffusor-Trick dürfte keine Erfindung a la Doppeldiffusor und Co. sein. Das glaubt auch Key: "Es ist eines der sichtbaren Dinge, über die deshalb viel gesprochen wird. Aber schlussendlich ist es nur ein kleines Teil eines viel größeren Bildes eines komplexen Teils am Heck des Fahrzeugs."

Denn: Die zusätzlichen, etwas längeren Leitbleche generieren nicht per se Abtrieb. Sie tragen dazu bei, dass der Diffusor besser funktioniert. "Ich bin mir sicher, dass es bereits vergessen ist, wenn wir hierher zurückkommen", sagte Key bei den Testfahrten in Bahrain.