Williams gibt für die Formel-1-Saison 2021 eine verhaltene Prognose. Übergangsjahr statt Befreiungsschlag mit dem FW43B. George Russell und Nicholas Latifi werden in einer Light-Evolution des Vorjahresautos auf Haas und Alfa Romeo angesetzt. Die Investitionen des neuen Eigentümers Dorilton Capital sowie die ausgeweitete Partnerschaft mit Mercedes sollen erst 2022 Früchte tragen.

Die Übernahme des britischen Traditionsrennstalls durch einen finanzstarken Investor schürte im vergangenen Spätsommer sogleich Hoffnungen. Doch das neue Management rechnet nicht damit, dass das ehemalige Top-Teams so schnell wieder im alten Glanz erstrahlen wird. "Wir sind realistisch. Es gibt keine Abkürzung", so Williams neuer CEO Jost Capito im Rahmen der Präsentation des FW43B. Der Deutsche steht nach dem Ausstieg der Gründerfamilie an der Spitze der neuen Organisation.

Der Zeitpunkt dieses Machtwechsel spielt eine entscheidende Rolle, was die Zielsetzungen für 2021 angeht. Als Gründertochter Claire Williams am 3. September des vergangenen Jahres den Rückzug der Familie bekanntgab, waren die Vorbereitungen auf das Folgejahr bereits zu weit fortgeschritten, um das Ruder im großen Stil herumzureißen.

Neuer Williams-Eigentümer zu spät für 2021

"Als Dorilton Capital kam, neigte sich die Saison schon dem Ende zu und für dieses Jahr war schon sehr viel erledigt. Deshalb haben wir gesagt, dass wir uns auf 2022 konzentrieren", erklärt Capito. Die kommende Saison soll ähnlich wie 2019 bei Racing Point dazu dienen, die Weichen für eine erfolgreichere Zukunft zu stellen: "Ich würde 2021 als Übergangsjahr bezeichnen und unser Ziel lautet, den Rückstand so gut wie möglich zu verringern."

Letztes Jahr beendete Williams die Weltmeisterschaft ohne WM-Punkte auf dem letzten Platz der Konstrukteurswertung. Gegenüber 2019 war das Team dennoch deutlich konkurrenzfähiger, was den Vergleich mit der direkten Konkurrenz angeht. Dieser Aufwärtstrend soll mit dem FW43B fortgesetzt werden, um die rote Laterne endlich abzugeben.

"Haas und Alfa Romeo waren letztes Jahr unsere Rivalen und es ist kein Geheimnis, dass der Ferrari-Motor dieses Jahr deutlich stärker sein wird, was es für uns schwerer macht", so Russell, der in zwei Saisons mit Williams noch keine WM-Punkte holte. Das einzige Top-10-Ergebnis seiner jungen F1-Karriere erzielte er beim Sakhir GP 2020, als er für den durch einen positiven Coronavirus-Test ausgefallenen Lewis Hamilton bei Mercedes einsprang.

Russell gibt verhaltene Zielsetzung aus

Der ambitionierte Brite gibt für das dritte Jahr mit Williams eine verhaltene Zielsetzung aus. "Für uns wäre es ein Erfolg, wenn wir die Lücke zum Mittelfeld schließen. Um wie viel, lässt sich noch nicht sagen. Aber das wäre für uns ein gutes Jahr", sagt er. Obwohl sein neues Arbeitsgerät keine Rundumerneuerung erhielt, ist er optimistisch.

"Es ist normal, dass sich die Teams auf 2022 konzentrieren. Aber wir haben auch viel Arbeit in das diesjährige Auto gesteckt und einige Verbesserungen erzielt. Das ist positiv", so Russell, der hofft, dass die Konkurrenz durch die Änderungen im Technischen Reglement ihre Vorteile verloren haben könnte: "Vielleicht werden ein paar Teams durch die Aero-Änderungen zurückgeworfen."

Bei Williams steckt der Teufel für 2021 im Detail. "Unter der Verkleidung unseres Autos wurde immens viel getan", so Teamchef Simon Roberts gegenüber Motorsport-Magazin.com. "Wir haben viel aufgeräumt. Die Übernahme der Homologation hat allen die Chance gegeben, ein zweites oder drittes Mal über alle Komponenten zu gehen und wir haben dabei nichts ausgelassen."

Williams setzt beim FW43B auf Gewichtsoptimierung

Die Ingenieure konzentrierten sich hauptsächlich auf Gewichtsoptimierung. "Im Vergleich dazu, wo wir zu Beginn des letzten Jahres standen, haben wir sehr hart daran gearbeitet, um das Auto in Sachen Gewicht dorthin zu bringen, wo es sein muss", sagt Roberts. "Wir starten dieses Jahr mit Ballast im Auto. Das gibt uns Spielraum für Updates und die Möglichkeit, die Gewichtsverteilung im Rahmen des Reglements anzupassen. Das bedeutet eine Sorge weniger und eine gute Basis für dieses Jahr."

Was die Aerodynamik angeht, wurde viel vom Vorgänger übernommen. "Wir haben letztes Jahr einen Token ausgegeben. Wofür, werde ich nicht verraten. Damit blieb uns nur einer übrig und der reichte nicht, um die Nase zu verändern", so Roberts. "Die Homologation hat uns nicht geholfen, was das angeht. Aber sie hat uns auch nicht daran gehindert, den Rest des Autos zu entwickeln."

Russell hätte sich zweifelsohne über mehr Performance gefreut, doch er unterstützt Williams bei der langfristigen Strategie. "Der Deal, der Ende letzten Jahres mit Mercedes für 2022 abgeschlossen wurde, ist für das Team sehr spannend. Aber die Dinge ändern sich nicht in einer Nacht. Es braucht Zeit, um die Schwächen des Teams und der Firma zu verstehen. Keine überstürzten Entscheidungen zu treffen, ist wichtig", sagt er.

Zumindest steht Williams mit dieser Philosophie 2021 nicht alleine da. Haas kündigte bereits an, am VF-21 auf Updates verzichten zu wollen und mit den beiden Rookies Mick Schumacher und Nikita Mazepin ebenfalls ein Übergangsjahr zu absolvieren. "Übergang bedeutet für unterschiedliche Teams unterschiedliche Dinge", sagt Roberts.

Williams schaut nach vorne: Auferstehung wie McLaren

Für sein Team geht es darum, die Folgen der jahrelangen Krisensituation zu beseitigen: "Wir sprechen bei uns über etwas mehr, als nur der Übergang zwischen zwei Reglements. Das ist zwar ein großer Teil davon, aber es geht auch um das Team und das Personal. Es geht um Williams als Marke. Wir haben eine längere Reise vor uns, als die anderen."

Das Ziel dieser Reise ist für Capito klar. Er möchte McLaren nacheifern. Die ehemaligen Erzrivalen kämpften sich in den vergangenen beiden Jahren aus dem Sumpf des Feldes zurück. "Es gibt keinen Grund, weshalb wird nicht dasselbe schaffen sollten. Wir haben alles, was es braucht, um es genau so zu machen. Die Zeit abzuschätzen, ist unmöglich. Aber ich bin absolut davon überzeugt, dass wir mindestens dasselbe wie McLaren erreichen können."

Durch die Kooperation mit Mercedes ist Roberts zuversichtlich, was die Vorbereitungen auf 2022 angeht: "Wir müssen keine Zeit und keine Anstrengungen mehr investieren, ein eigenes Getriebe zu entwickeln und können diese Ressourcen in anderen Bereichen der Fahrzeugentwicklung einsetzen. Das ist Teil der Strategie und des Umbruchs, in dem wir uns befinden."